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Forscher aus Berlin suchen nach Wegen, Autos ohne menschliches Zutun über Straßen und Autobahnen zu leiten.

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Berlin Digital: Wie von Geisterhand

Auf Autopilot: Berliner Forscher schicken ein autonomes Fahrzeug quer durch Mexiko.

Für einen Autofahrer ist es eine Kleinigkeit, auf der Autobahn ein anderes Fahrzeug zu überholen. Auch das Ansteuern einer Mautstation, das Bezahlen und Weiterfahren erledigen wir, ohne groß darüber nachzudenken. Für ein autonomes Auto hingegen sind solche Aufgaben gewaltige Herausforderungen. Ist die Strecke wirklich frei? Man möchte sich besser nicht vorstellen, was geschieht, wenn ein Kombi mit Tempo 130 einen Fehler macht.

„Autonomos“, der selbstfahrende Pkw unseres Teams von der Freien Universität Berlin, hat diese Aufgaben mit Bravour gelöst. Vor wenigen Tagen hat der silberfarbene Kombi, den manche vielleicht schon aus dem Berliner Verkehr kennen, Mexiko-Stadt erreicht. 2400 Kilometer war er durch Mexiko gefahren. Hinter dem Steuer saß Professor Daniel Göhring als Sicherheitsfahrer, der aber nur minimal eingreifen musste, etwa beim Tanken oder bei Umleitungen in den Städten. Weiterhin waren neben Daniel Göhring und mir Fritz Ulbrich als Ko-Pilot, Tinosch Ganjineh (Autonomos GmbH) als Entwickler und Paul Czerwionka (IAV GmbH) als Kartenexperte dabei.

Erste Tests in Mexiko

Fast ein Jahr lang haben wir diese Erprobungsfahrt vorbereitet. Nach dem Start an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze durchquerte Autonomos die Halbwüste von Sonora, tropische Gebiete in Sinaloa, überquerte die Berge der Sierra Madre Occidental und gelangte über Jalisco bis zur Hauptstadt Mexikos. Zu bewältigen waren neue Autobahnen, aber auch zahlreiche Baustellen, enge Strecken ohne Spurmarkierungen und ohne Standstreifen. Die Autobahn Nogales-Guadalajara wird außerdem mehrmals durch urbane Gebiete unterbrochen. Die notwendige „Fahrintelligenz“ musste deutlich höher sein als für eine Reise auf perfekt gebauten und breiten Autobahnen. Doch gerade das machte den Reiz des Experiments in Mexiko aus, das übrigens von Streifenwagen der mexikanischen Bundespolizei begleitet wurde.

Für autonome Fahrten sind Navigationskarten erforderlich, die wesentlich mehr Details enthalten als herkömmliche Straßenkarten. Zum Beispiel muss klar sein, wo genau Ampeln stehen, für welche Fahrspuren sie gelten, wo sich Abbiegespuren befinden und ob es beispielsweise Verkehrsinseln oder einen Grünstreifen gibt. Um diese Informationen zu beschaffen, fuhren Mitarbeiter der FU-Informatik bereits im September durch die USA und Mexiko und sammelten die Daten von 6000 Kilometern Autobahn. Sie kooperierten dabei mit der Universität von Nevada. Die Berechnungen für die Erstellung der Karten mit den gesammelten Daten fanden in Berlin bis Anfang Oktober statt. Nun wurden sie in der Praxis getestet.

Interesse an autonomem Fahren steigt sprunghaft

Das weltweite Interesse für das autonome Fahren hat in den vergangenen Jahren sprunghaft zugenommen. In dem Zusammenhang bereitet die Autoindustrie sich auf die Einführung des Autopiloten für Autobahnen vor. 2020 soll es so weit sein, und die Fahrer werden auf Druckknopf einen Autopiloten starten können, der die Spur halten und, falls notwendig, auch überholen kann. Bis die Technologie weit genug für autonomes Fahren in der Stadt ist, werden aber noch Jahrzehnte vergehen.

An dieser Entwicklung arbeiten wir von der FU seit Langem mit. Unser Fahrzeug Autonomos ist seit 2011 für den Straßenverkehr in Berlin zugelassen, sowohl für die Stadtautobahn als auch für alle anderen Straßen. Unsere Forschungen sind Pionierarbeit, auch für die Industrie, weil frühzeitig die Probleme des Autos der Zukunft erkannt werden können. Dazu gehören zum Beispiel Baustellen, die sehr verschieden sein können und mitunter schlecht gekennzeichnet sind. Doch autonome Fahrzeuge müssen diese sicher erkennen. Auf unserer aktuellen Fahrt wurde ich gefragt, ob Autonomos herabfallende Steine an Bergflanken erkennen kann. Das hat mir zu denken gegeben, daran hatten wir bisher noch nicht gedacht und daher auch keine Sensoren installiert, die nach oben gerichtet sind. Ich denke, da werden wir nachbessern.

Möglichst sanft und komfortabel fahren

Schon jetzt ist das Auto mit zahlreichen Sensoren bestückt: sieben Laserscanner, neun Videokameras, Radargeräte vorne, hinten und an den Seiten sowie ein hochgenaues GPS-System erkennen die Verkehrssituation, die Position und Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge, die Präsenz von Fußgängern sowie die Ampelphasen sicher. All diese Informationen werden gebündelt und an den Hauptrechner weitergegeben, der dann unter Beachtung der Verkehrsregeln plant und entscheidet, wie zu fahren ist.

Angestrebt wird immer, dass das computergesteuerte Auto sanft, also ohne unnötiges Lenken fährt, dazu komfortabel beschleunigt und bremst. Das haben wir weitgehend geschafft, auch wenn gerade der Straßenverkehr in Mexiko herausfordernd ist. Die zahlreichen Schlaglöcher etwa machen autonomen Fahrzeugen das Leben besonders schwer. Im Laufe der Erprobungsfahrt in Mexiko wurden Fahrparameter angepasst, und das Ergebnis ließ sich sehen: sehr weiche Überholvorgänge, auch bei Tempo 130, konnten demonstriert werden. Das Fahrzeug hat alle Gefahren auf der Autobahn erkannt und jeweils entsprechend reagiert.

Noch viel Forschung nötig

Zurück in Berlin wird das Team die Entwicklung des nächsten Fahrzeugs beginnen. Dort sollen die Sensoren und Computer nicht mehr sichtbar und das gesamte System preiswerter sein. Außerdem forschen wir weiter an Lösungen, die es ermöglichen, etwa die Intentionen der anderen Verkehrsteilnehmer automatisch zu erkennen.

Raúl Rojas ist Professor für Informatik an der Freien Universität Berlin und erforscht autonome mobile Roboter.

Raúl Roja
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Raúl Rojas

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