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© dpa

Berlin: Ein Bombay-Geschäft

Wie das diesjährige ILA-Partnerland Indien die deutsche Rüstungsindustrie beflügelt. Eine erfolgreiche Bilanz der Luftschau in Berlin.

Berlin - Der Stolz der indischen Luftwaffe tanzt zu Technobeats. Vier leichte Dhruv-Hubschrauber, bemalt im Pfauenfedermuster ziehen gen Himmel, kreuzen ihre Flugbahnen und driften dann auseinander, wie Blütenblätter. Die Zuschauer am Flugfeld legen die Köpfe in die Nacken. Partybässe wummern aus mannshohen Boxen, immer wieder unterbrochen vom indischen Kommentator, dessen Stimme überschlägt, als er das nächste „very dangerous“ Manöver ankündigt. Sommer, Sonne, Bollywood in Schönefeld – zur Freude der ILA-Besucher an diesem Wochenende.

Claus Günther ist die Show egal. Er weiß: Die Inder können auch anders. Der Chef der Rüstungssparte der Nürnberger Diehl-Gruppe sitzt 500 Meter weiter in einem Zelt und redet gegen Motorenlärm an. Indien, das Partnerland der Berliner Luft- und Raumfahrtschau ILA ist nach China der zweitgrößte Waffenimporteur der Welt und will in den kommenden vier Jahren Kriegsgerät im Wert von rund 30 Milliarden US-Dollar einkaufen. „Der Markt ist sehr interessant“, sagt Günther. „Wir sind erst ganz frisch dort angetreten. Aber wenn die Inder den Eurofighter kaufen, sind wir sofort auf dem Plan.“

Wenn. Diese Frage bewegt Manager der Rüstungsbranche seit Monaten: Wer gewinnt die 10-Milliarden-Dollar-Ausschreibung der indischen Regierung? Wer darf der Atommacht 126 Mehrzweckkampfflieger liefern und später womöglich 63 weitere – dazu mit Glück die Ausrüstung? Es wäre ein wahres Bombengeschäft. Einsendeschluss für Angebote war am 28. April. Im Rennen sind unter anderem der europäische Konzern EADS mit seinem Eurofighter „Typhoon“, der US-Hersteller Boeing mit der F-18 „Super Hornet“ und die Russen mit ihrer MiG-35.

Ende 2008 will das indische Verteidigungsministerium entscheiden. „Und wenn EADS gewinnt, haben wir eine gute Chance, dass wir unsere Iris-T mitliefern können“, sagt Günther. Es geht um eine infrarotgesteuerte Rakete für den Luft-zu-Luft-Kampf. Günther nennt diese tödliche Waffe schlicht „Lenkflugkörper“, als sei es ein Drachen an einer Schnur. Das ist deutsches Rüstungs-Understatement und hat Tradition – so wie Panzer heimischer Hersteller stets nach Tieren benannt wurden. Puma, Panther, Luchs und Fuchs.

Indische Manager betreiben das Geschäft weniger poetisch: „Der Überschallmarschflugkörper Brahmos fliegt permanent mit Überschallgeschwindigkeit auf manövrierbaren Flugbahnen, die keine Reaktionszeit beim Feind zulassen und tödliche Schlagkraft aufgrund der hohen kinetischen Energie beim Einschlag garantieren.“ So wirbt das Unternehmen Brahmos Aerospace aus Neu Delhi im offiziellen Messekatalog der ILA.

In Halle 11 präsentieren sich die 25 indischen Aussteller, Dreiviertel davon sind Liferanten des Militärs. Während die Tanz-Hubschrauber draußen eine letzte Pirouette drehen, stehen ihre Gesandten auf blauem Teppich neben Radarantennen, handlichen Mörsergranaten und Raketen. Auf die Frage, ob sich Waffenhändler in Indien auch der Kritik von Friedensaktivisten stellen müssen, zieht ein Vertreter des Verteidigungsministeriums die Augenbrauen hoch. Dann lächelt er: „Ich glaube das ist eher ein Phänomen des Westens. Ihre Grenzen sind nicht bedroht. In Europa, wo Menschen keinen Hunger leiden, hat man eben mehr Zeit sich schöne Gedanken über eine waffenfreie Welt zu machen.“ Ob Indien denn trotzdem Europas Kampfflieger kaufen wird? „Wohl eher als den der Russen“, sagt er. Die haben ihre Halle nebenan.

Über Jahrzehnte kaufte Indien in der Sowjetunion ein. Doch nach dem Kalten Krieg erweiterte man den Horizont. Heute dürfen sich auch reine Privatfirmen in dem Land rüstungstechnisch engagieren. Die Regierung verlangt aber, dass jeder staatliche Auftrag ab einer Größenordnung von 70 Millionen Dollar zu 30 Prozent in Indien produziert werden muss. Daher bot EADS auch an, dass Indien neben Deutschland, Spanien, Großbritannien und Italien der fünfte gleichberechtigte Produktionsstandort wird – vorausgesetzt es kommt zum Deal.

Alle Rüstungsnationen buhlen um die Freundschaft der viertgrößten Streitmacht der Welt – jede auf ihre Weise. Für Deutschland unterzeichnete die Kanzlerin 2006 ein militärisches Partnerschaftsabkommen. Und die Bundesmarine unterbrach im April sogar quasi ihren Einsatz „Enduring Freedom“ am Horn von Afrika. Die Fregatte Hamburg, die Fregatte Köln und der Einsatzgruppenversorger Berlin kreuzten zur südindischen Küste, um dort ein Manöver mit Ausbildungsschiffen der indischen Marine und einer Hubschrauberstaffel abzuhalten.

Die USA versuchen es offenbar eher direkt. Verteidigungsminister Robert Gates soll den indischen Partnern Ende 2007 vorgeschlagen haben: Wenn Boeing die Kampfflieger liefern darf, gibt es den Flugzeugträger Kitty Hawk (Baujahr 1956-60) gratis obendrauf.

Gute Geschäfte haben die einzelnen Länder aber bereits in den vergangenen Tagen gemacht: Eine vorläufige Bilanz der heute zu Ende gehenden ILA ergab, dass auf der MesseVerträge und Kaufankündigungen über mehr als fünf Milliarden Euro abgeschlossen wurden. Damit bewege man sich auf Rekordniveau, teilten die Veranstalter mit.

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