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Wirtschaft: Berlin ist mit seinen Finanzsorgen nicht allein

Doch im Bundesvergleich ist das Tempo der Privatisierungen atemberaubend / Andere Bundesländer zurückhaltenderVON ULRICH ZAWATKA-GERLACHFinanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, die in diesem und im nächsten Jahr aus dem Verkauf von Landesvermögen fast 12,2 Mrd.DM einnehmen will, würde gern folgenden Satz unterschreiben: "Es wird bewußt davon abgesehen, Festlegungen zu treffen, welche Position mit welchen angestrebten Veräußerungserlösen zur Schließung der Deckungslücke beitragen sollen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Doch im Bundesvergleich ist das Tempo der Privatisierungen atemberaubend / Andere Bundesländer zurückhaltenderVON ULRICH ZAWATKA-GERLACH

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, die in diesem und im nächsten Jahr aus dem Verkauf von Landesvermögen fast 12,2 Mrd.DM einnehmen will, würde gern folgenden Satz unterschreiben: "Es wird bewußt davon abgesehen, Festlegungen zu treffen, welche Position mit welchen angestrebten Veräußerungserlösen zur Schließung der Deckungslücke beitragen sollen." Ansonsten bestünde die Gefahr, die Verhandlungsposition der Stadt zu schwächen.Nur: Dieser Satz steht im Haushaltsplan der Hansestadt Hamburg, die ihre öffentlichen Beteiligungen erfolgreich mobilisiert, um die wachsenden Finanzlücken zu stopfen.Seit 1995 fließen jährlich etwa 1,4 Mrd.DM Verkaufserlöse in die Kasse der Hansestadt. Berlin steht mit seinen Finanzproblemen also nicht allein; auch nicht mit den Lösungsansätzen.Allerdings ist das, was sich die Große Koalition an Vermögensaktivierung vorgenommen hat, im bundesweiten Vergleich atemberaubend.Und nirgendwo werden Vermögensgeschäfte so öffentlich und kontrovers diskutiert - manchmal auch zerredet - wie an der Spree.Ein geschlossenes Senatskonzept für den Umgang mit den landeseigenen Beteiligungen und Immobilien ist immer noch nicht erkennbar.Die CDU beschränkt sich weitgehend darauf, "von Fall zu Fall" zu entscheiden.Die SPD bewegt sich, von Unwohlsein geplagt, auf dem Grat zwischen sozialdemokratischem Wertesystem und finanzpolitischen Zwängen. Kurz vor Jahresende wird selbst koalitionsintern bezweifelt, daß die geplanten Verkaufserlöse für 1997 (6,086 Mrd.DM) bis zum Kassenschluß im Februar/März 1998 zu realisieren sind.Aus dem Totalverkauf der Bewag flossen 1,6 Mrd.DM, durch die Eigenkapitalreduzierung bei den öffentlich-rechtlichen Wasserbetrieben (BWB) eine weitere Mrd.DM in den Etat.Der Verkauf von Grundstücken sollte 1,26 Mrd.DM einbringen, doch der Berliner Immobilienmarkt gibt das nicht her.Haushaltsexperten rechnen mit "einigen hundert Millionen Mark". Kleinvieh macht auch Mist: Ein Verwaltungskomplex in der Storkower Straße steht zusätzlich zum Verkauf, für zwei weitere öffentliche Gebäude wird die Ausschreibung vorbereitet.Ob die Veräußerung von je 50 Prozent Landesanteilen an der Gasag und der Wohnungsbaugesellschaft Gehag noch für 1997 kassenwirksam wird, "steht noch nicht fest", verlautet aus der Finanzverwaltung.Bei optimistischer Schätzung könnten beide Geschäfte weitere 1,5 Mrd.DM einbringen, das Jahresziel würde trotzdem um über eine Mrd.DM verfehlt.Die Einnahmeerwartung für 1998 wurde mit den jüngsten Senats-Sparbeschlüssen auf exakt 6,1 Mrd.DM aufgerundet.Die CDU hätte gern 200 bis 300 Mill.DM aufgesattelt, um zusätzliche Ausgabenkürzungen zu vermeiden, konnte sich gegen die SPD aber nicht durchsetzen.Theoretisch ist das Ziel erreichbar, aber alle erwünschten Geschäfte sind heikle Hängepartien: So prüft die Finanzverwaltung zur Zeit, ob der Verkauf von jeweils 49 Prozent an allen 14 städtischen Wohnungsbaugesellschaften jene vier Mrd.DM einbrächte, die als "Beitrag der öffentlichen Wohnungswirtschaft" fest eingeplant sind.Insider bezweifeln, daß die Wertgutachten diese Summe bestätigen, doch mehr als 49 Prozent will die SPD nicht privatisieren. Die Wasserbetriebe, deren künftige Rechtsform frühestens im Januar 1998 festlegt wird, müssen - wie auch immer - einen "Konsolidierungsbeitrag" von zwei Mrd.DM erbringen.Ob sich für die BWB tatsächlich ein "stiller Teilhaber" findet (dieses Modell wird von CDU und SPD favorisiert), oder ob sich der Senat mangels Interessenten doch zu einer echten Privatisierung entschließt, ist offen.Ohne einen finanzkräftigen Investor, heißt es senatsintern, seien zwei Mrd.DM gar nicht mobilisierbar.Als "Notlösung" käme noch die Kapitalisierung der jährlichen Gewinnabführung bzw.Konzessionsabgabe in Betracht.Gutes Geld erhofft sich der Senat nach der Fusion der Bankgesellschaft mit der Norddeutschen Landesbank - Berlin könnte Anteile abstoßen - doch das letzte Wort ist auch bei dieser Transaktion nicht gesprochen.Auch die Feuersozietät ließe sich verkaufen, wenn das zu 50 Prozent beteiligte Brandenburg mitspielte. Als Einnahmen aus Grundstücksverkäufen wurde 1998 erneut eine ehrgeizige Summe eingestellt: 1,08 Mrd.DM.Die Einbringung des Finanzvermögens in Immobilienfonds, die von einer landeseigenen Kapitalgesellschaft verwertet und jährlich eine Mrd.DM abwerfen sollen, ist erst ab 1999 vorgesehen.Nach einigem hin und her war sich der Senat einig, daß der neue Finanztopf ausschließlich der Schuldentilgung dienen soll.Ein "Zukunftsfonds" oder andere Formen der Infrastruktur- und Wirtschaftsförderung werden nicht daraus finanziert. So kann Berlin nur neidvoll auf die reichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg schauen.Die Bayern haben aus dem Anteilsverkauf von DASA, Rhein-Main-Donau AG, Bayernwerk und Bayerischer Versicherungskammer für 1995 bis 2001 das Programm "Offensive Zukunft" aufgelegt, das mit einem Volumen von 6,142 Mrd.DM die landeseigene Forschung, Technologieentwicklung, Universitäten, berufliche Bildung, Beschäftigungs- und Sozialprojekte, Kultureinrichtungen und den Umweltschutz massiv fördert.Die Landesregierung in Stuttgart hat mit dem Nachtragshaushalt für 1997 eine ähnliche Initiative gestartet, die sich "Zukunftsoffensive Junge Generation" nennt, ein Gesamtvolumen von einer Mrd.DM hat und ebenfalls aus Vermögensverkäufen gespeist wird.Die erste Tranche (566 Mio.DM) stammt aus dem Teilverkauf der Landesentwicklungsgesellschaft. Im Vergleich zu den beiden Südländern sowie Hamburg und Berlin halten sich die anderen Bundesländer mit der Privatisierung öffentlicher Beteiligungen zurück.Niedersachsen hat im laufenden Haushalt 550 Mill.DM eingeplant, Rheinland-Pfalz 180 Mill.DM und das kleine Bremen 100 Mill.DM, die in einen "Stadtreparaturfonds" fließen.Die ostdeutschen Länder haben nichts zu verkaufen, die anderen wollen nicht oder haben ihre Beteiligungslandschaft bereits neu geordnet.Schleswig-Holstein zum Beispiel begnügt sich längst mit wenigen, strategisch angelegten Unternehmensbeteiligungen (mit Landesanteilen zwischen 10 und 50 Prozent), während Berlin immer noch an rund 70 Kleinst-, Mittel- und Großunternehmen unmittelbar beteiligt oder alleiniger Gesellschafter ist.

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