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Wirtschaft: Berlin spart auf Kosten des Bundes

Mit einer neuen Anleihe profitieren Länder von der Bonität der Regierung – das bringt Millionen.

Frankfurt am Main - Die Konditionen sind noch nicht ausgehandelt. Unklar ist auch, welche Bundesländer mitmachen. Klar scheint nur: Nach zäher Diskussion über zwei Jahre wird die erste Bund-Länder-Anleihe wohl noch im Juli aufgelegt, zumal etliche Bundesländeranleihen auslaufen und refinanziert werden müssen. Bereits in der kommenden Woche wird die Finanzagentur Deutschland, der Schuldenmanager des Bundes, dem Vernehmen nach Investoren Details der Anleihe auf einer „Roadshow“ erläutern.

Attraktiv ist die erste Gemeinschaftsanleihe mit dem Bund vor allem für die Länder, weil die Zinsen niedriger liegen als bei ihren eigenen Anleihen und das Volumen größer ist. Auf 50 bis 100 Millionen Euro schätzt Anleiheexperte Fabian Gerlich von der NordLB den Zinsvorteil. Das Interesse an der neuen Anleihe dürfte vor allem im Ausland groß sein.

Die Länder profitieren über den ersten Deutschlandbond von den viel günstigeren Refinanzierungsbedingungen des Bundes. Angesichts der generell niedrigen Zinsen ist der Vorteil allerdings nicht mehr so groß wie in der Vergangenheit. Gerlich taxiert ihn auf 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte zu vergleichbaren Länderanleihen, wobei Nordrhein-Westfalen und Berlin am meisten sparen dürften. Nach Ausbruch der Finanzkrise lag die Zinsdifferenz zu Bundesanleihen zeitweise für einzelne Länder bei 0,8 Punkten. Die frühere Landesregierung in Schleswig-Holstein bezifferte allein die jährliche Einsparung für das nördlichste Bundesland noch Anfang 2012 Jahres auf 20 bis 40 Millionen Euro und für alle Bundesländer auf bis zu eine halbe Milliarde Euro jährlich.

Aus heutiger Sicht sind solche Schätzungen überzogen. Vorteile ziehen gleichwohl vor allem die ärmeren Länder und die Stadtstaaten aus der Anleihe, weil sie ein viel höheres Volumen hat als Anleihen, die vor allem die kleineren Länder separat auflegen. Carsten Lüdemann, Volkswirt der Dekabank, erwartet, dass der Bond ein Volumen von mindestens drei Milliarden, eher von fünf Milliarden Euro haben wird, bei einer Laufzeit zwischen sieben und zehn Jahren.

Berlin will grundsätzlich mitmachen. „Das ist ein interessantes Instrument“, sagte ein Sprecher von Finanzsenator Ulrich Nußbaum. „Über eine Beteiligung wird entschieden, wenn Details zu den Konditionen bekannt sind.“ Könne Berlin Geld sparen, werde man dabei sein.

Für den Bund sind Deutschlandanleihen rechnerisch unattraktiv. Denn er muss dafür mehr auf den Tisch legen als für eigene Bundesanleihen. Allerdings ist dies beim ersten Deutschlandbond überschaubar, weil der Bund, glaubt Lüdemann, mit maximal einer Milliarde Euro beteiligt ist. Auch wenn der Zinsvorteil geringer ist als erhofft, möchten die Länder nicht darauf verzichten, zumal sie ihre Haushalte sanieren müssen.

Allerdings hat es gedauert, bis sich Bund und Länder einig waren. Zunächst gab es offensichtlich bei den Ländern die Auffassung, dass der Bund allein für die Bund-Länder-Anleihe haften sollte. Dies ist vom Tisch, sagt Tammo Diemer, Geschäftsführer der Finanzagentur. Eine gemeinschaftliche Haftung sei jetzt ausgeschlossen, jeder Teilnehmer hafte für den Teil des Geldes, der ihm zufließe.

Diemer zufolge ist der erste Deutschlandbond ein Angebot an alle Bundesländer. Er rechnet damit, dass sich zehn bis zwölf Länder beteiligen. Zugesagt haben dem Vernehmen nach bereits Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Beobachter erwarten, dass auch das Saarland, Berlin, Hamburg und Bremen mitmachen werden.

Die kleineren und schwächeren Bundesländer haben bereits in der Vergangenheit über eine Gemeinschaftsanleihe ihre Zinslast etwas gedrückt. Beteiligt daran sind Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Thüringen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Definitiv abgesagt für den ersten Deutschlandbond haben angeblich schon Bayern und Sachsen. Aus Sicht von Lüdemann ist dies vor allem für Bayern verständlich: Der Zinsvorteil sei minimal. Ähnliches gilt auch für Baden-Württemberg.

Als Käufer für die erste Bund-Länder-Anleihe kommen Lüdemann zufolge vor allem Großinvestoren aus dem Ausland infrage, wie Versicherungen, Fonds oder Pensionskassen. „Die freuen sich, wenn ein weiteres solides und sicheres Papier auf dem Markt ist, auf dem ‚Deutschland’ draufsteht.“ Und sie hoffen darauf, dass mit dem ersten Deutschlandbond ein neues Segment entsteht, auf dem jedes Jahr mindestens ein oder zwei Anleihen aufgelegt werden. mit rtr

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