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Kauflaune in Istanbul. Die Exporte der Berliner Firmen in die Türkei nehmen zu.

© REUTERS

Berliner Außenhandel: Türkisch für Unternehmer

Die Türkei wird attraktiver für Berliner Firmen. Doch beide Seiten klagen über Hindernisse

Von Carla Neuhaus

„Wer in der Türkei Geschäfte machen will, muss vor allem eins: ganz viel Tee trinken“, sagt Gürsan Acar. Denn bis am Bosporus ein Vertrag geschlossen sei, werde erst einmal sehr lange geredet – und dabei sehr viel Tee getrunken. Acar spricht aus Erfahrung. Er ist gebürtiger Türke, kam mit vier Jahren nach Deutschland und leitet heute das Berliner Unternehmen Tonwelt mit 25 Mitarbeitern. Die Firma produziert Audioführungen für Museen. Vor gut vier Jahren hat Acar ein Büro im türkischen Izmir eröffnet. Seitdem können sich Besucher mit den kleinen grauen Geräten der Berliner Firma zum Beispiel durch das Museum der Republik in Ankara führen lassen oder durch das Archäologische Museum in Antalya – nach Wunsch auf Türkisch, Deutsch oder Englisch. Wie Acar machen immer mehr Unternehmen aus der Hauptstadt Geschäfte mit der Türkei. Die Exporte von Berliner Firmen in das Land sind von 2008 bis 2011 um gut 70 Millionen auf 214 Millionen Euro gestiegen. „Das lässt sich aber noch ausbauen“, sagte Wirtschaftsenatorin Cornelia Yzer (CDU) am Montag bei der Außenwirtschaftskonferenz der Industrie- und Handelskammern Berlin und Brandenburg. Denn noch belegt die Türkei nur Rang 21 unter den Ländern, in die Firmen aus der Hauptstadt exportieren – und das, obwohl Berlin einen so hohen Anteil türkischstämmiger Einwohner hat. Berlins IHK-Präsident Eric Schweitzer bezeichnete die Türkei als eine „Wachstumslokomotive“ von der auch Berliner Unternehmen profitieren könnten. Die Region am Bosporus wächst: 2011 lag das Wirtschaftswachstum bei acht Prozent, das Durchschnittseinkommen der Türken hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Und das Land hat große Pläne. So soll zum Beispiel das Exportvolumen bis 2023 von heute 135 auf 500 Milliarden US-Dollar steigen. „Würde das Land zur EU gehören, wäre es die siebtgrößte Wirtschaft“, sagte Rainhardt Freiherr von Leoprechting, der Präsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer. Er kritisierte, dass Deutschland sich immer noch nicht für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ausgesprochen habe. „Das trübt die Akzeptanz der Deutschen in der Türkei“, sagte er. Als weiteres Hindernis kritisierte er, dass türkische Geschäftsleute noch immer ein Visum beantragen müssen, wenn sie nach Deutschland reisen wollen. „Wir brauchen die Visafreiheit“, sagte Leoprechting. Mancher türkische Unternehmer würde derzeit über Finnland nach Deutschland einreisen, weil das schneller ginge. Dieses Problem kennt auch Jan IJspeert, geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Firma BAE Batterien. „Das ist schon peinlich, wenn der Geschäftspartner kein Visum bekommt, um sich die Produktion anzuschauen“, sagte er. Das Berliner Unternehmen verkauft bereits seit Jahren seine Industriebatterien, die in Oberschöneweide produziert werden, auch in die Türkei. Ein Abnehmer ist zum Beispiel die Türkische Telekom, die mit den Batterien die Notstromversorgung für ihre Datenzentren sicherstellt. „Der Markt in der Türkei wird wichtiger für uns“, sagte IJspeert. Derzeit mache BAE jährlich gut eine Million Euro Umsatz in der Türkei, was nur drei Prozent des Gesamtumsatzes entspreche. „2013 soll dieser Anteil aber auf fünf bis sechs Prozent steigen“, sagte IJspeert. Die türkischen Unternehmen würden vor allem das „Made in Germany“ und die damit verbundene Qualität schätzen. Das allein reiche jedoch nicht. „Die persönlichen Beziehungen sind sehr wichtig“, sagte er. So ist er froh, dass er einen Mitarbeiter hat, der aus der Türkei kommt und Kultur und Sprache kennt. Denn die Verständigung könnte zur Hürde werden. „Gerade unter den älteren Geschäftsleuten sprechen viele nur Türkisch.“

Dass es nicht immer so leicht ist, in der Türkei Fuß zu fassen, weiß auch Gürsan Acar. Selbst er hatte – trotz türkischem Pass – Anlaufschwierigkeiten. „In den ersten zwei Jahren war es sehr schwer“, sagt er. „Wir mussten sehr viel Klinken putzen.“ Mittlerweile laufen die Geschäfte am Bosporus aber besser. Von 2009 bis heute sind die Umsätze, die Acar mit seinem Büro in Izmir macht, von 35000 auf 410000 Euro gestiegen.

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