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Berliner Energiehändler: Flexstrom steht unter Druck

Der Berliner Energiehändler Robert Mundt kämpft gegen Gerüchte um seine Firma Flexstrom. Seine Kritiker verweisen auf die vermeintlich extrem billigen Preise - sein Geschäftsmodell erinnere an einen gescheiterten Konkurrenten.

Robert Mundt, geboren und aufgewachsen entlang der Mauer in Berlin-Kreuzberg, hat es nach oben geschafft. Ob er noch weiter aufsteigen kann oder tief fällt, könnte sich schon bald entscheiden: Der Chef und Eigentümer der Berliner Flexstrom AG sieht sich mit Gerüchten konfrontiert, seine Firma sei mehr Schein als Sein. Beweise gibt es keine. Es genügt, dass Kritiker, darunter Konkurrenten, auf seine vermeintlich extrem billigen Preise verweisen und an das Geschäftsmodell des Wettbewerbers Teldafax erinnern. Der war im Sommer 2011 Pleite gegangen und hatte 750 000 Verbraucher plötzlich zu Gläubigern gemacht.

Mundt sitzt im sechsten Stock seines gemieteten Stein-Stahl-Glas-Gebäudes am Reichpietschufer in Berlin-Tiergarten mit Blick auf den Kanal und den Hof des Bendlerblocks, in dem das Verteidigungsministerium Gelöbnisse abhält. Wenn das passiert, muss Mundt das Bürohaus räumen lassen, damit die Scharfschützen zum Schutz der Truppe auf dem Dach Stellung beziehen können.

Mundt ist gut trainiert, leicht gebräunt, hat einen festen Händedruck, trägt ein dunkles Seidensakko, keine Krawatte. Er wirkt wach und aufgeräumt. Wäre er ein Gebrauchtwagenhändler, würden die meisten Kunden ihm wohl glauben, wenn er sagt, dass ein Auto sie noch 20 Jahre lang begleiten werde. Und doch gab und gibt es Menschen, die lieber Abstand von ihm und seinen Geschäften halten.

Ganz unmittelbar bekam er das am vergangenen Dienstag auf einer Investorenkonferenz in Frankfurt am Main zu spüren, wo er sein Unternehmen vorstellte: Erstmals seit der Flexstrom-Gründung 2003 wollte er sich Geld am Kapitalmarkt leihen. Flexstrom sollte eine Anleihe begeben mit fünf Jahren Laufzeit, verzinst mit 8,25 Prozent jährlich. 35 bis 50 Millionen Euro sollte das in die Kassen bringen, was realistisch scheint angesichts von 550 Millionen Euro Umsatz und 20 Millionen Euro Gewinn, die er für das laufende Geschäftsjahr anpeilt.

Am heutigen Montag sollte die Zeichnungsfrist beginnen. Sollte. Mundt sagte die Aktion jetzt ab. Denn die meisten Zuhörer auf der Konferenz hatten kurz zuvor einen Bericht im „Handelsblatt“ gelesen: Mehrere Stromnetzbetreiber würden von Flexstrom Vorkasse für die Durchleitung von Strom verlangen – was sehr ungewöhnlich ist. Ein Netzbetreiber habe dies mit „diversen Unregelmäßigkeiten“ im Zahlungsverkehr, ein zweiter mit „Auffälligkeiten“ begründet.

„Ich habe auch viel Zuspruch auf der Konferenz bekommen“, sagt Mundt. „Ein alter Börsenhase versuchte, mich aufzumuntern: Kopf hoch, so etwas müssen Sie aushalten, wenn Sie an den Kapitalmarkt wollen.“ Aber jetzt will er nicht mehr. Erst einmal die Vorwürfe ausräumen.

Mundt versucht das am Beispiel Vattenfall: Auch dieser Konzern, der das Stromverteilernetz in Berlin betreibt, hatte Anfang des Jahres entschieden, dass Flexstrom als einziger von fast 300 in der Stadt aktiven Stromhändlern vorab Geld zahlen muss, bevor er Strom durch die Kabel leiten darf. Der Grund war eine Streiterei um alte Rechnungen: Mundt sagt, Vattenfall habe seiner Flexstrom eine Stromtransportrechnung über mehr als eine Million Euro geschickt, obwohl er tatsächlich nicht einmal ein Zwanzigstel der Summe, weniger als 50 000 Euro, hätte zahlen müssen. Daher habe man die Zahlung verweigert. Vattenfall behauptet, das sei unwahr – Flexstrom habe eine siebenstellige Rechnung zu zahlen gehabt, allerdings sei der Betrag weitestgehend beglichen. Daher verlange man heute auch keine Vorkasse mehr.

So ähnlich legt sich Mundt auch mit anderen Netzbetreibern an. „Große Konzerne können es sich leisten, die Rechnungen der Stromnetzbetreiber zunächst blind zu bezahlen und erst nach Monaten zu prüfen, ob diese auch stimmen. Wir sind unseren Kunden schuldig, dass wir diese Form der zinslosen Geldvergabe nicht mitmachen“, erklärt er.

Verbraucherschützer kritisieren das aggressive Marketing

Die Zentrale. In diesem Gebäude neben dem Verteidigungsministerium sitzt die Firma zur Miete. Unter dem Logo am Haupteingang prangt auch der Slogan „Verboten günstig“.
Die Zentrale. In diesem Gebäude neben dem Verteidigungsministerium sitzt die Firma zur Miete. Unter dem Logo am Haupteingang prangt auch der Slogan „Verboten günstig“.

© promo

So sieht er aus, der Kampf in dem seit gut sieben Jahren voll liberalisierten Stromgeschäft, in dem Hunderte mittelständische und sehr kleine Stromhändler gegen Eon, RWE, Vattenfall, EnBW so wie einige Stadtwerke antreten. Flexstrom steht als einer der größten dieser kleinen Neulinge besonders im Feuer.

Auch von Verbraucherschützern. Die kritisieren, dass die Firma mit ihren aggressiv gestalteten Tarifen stets auf den Spitzenplätzen der Internet-Vergleichsportale landet – etwa indem sie einen Bonus mit einrechnet, den Flexstrom aber erst nach einem Jahr auszahlt. Nur mit solchen Lockmitteln könnten Flexstrom und die Tochtermarken Löwenzahn und Optimalgrün ihren „verboten günstigen Strom“ (Eigenwerbung) anbieten. Verbraucher gewinnen den Eindruck, sie könnten bei einem Wechsel vom Grundversorger hunderte Euro sparen.

Mundt nennt diese Tarife eine „Marketingtaktik“. Damit könne man tatsächlich viel sparen, allerdings seien sie „ohne alles“, also auch ohne Preisgarantie. Wenn etwa der Staat die Gebühren erhöhe, würden sich die Preise noch während der Laufzeit erhöhen. Flexstrom biete aber auch Tarife zu „normalen“ Konditionen, also mit allen Sicherheiten und nur monatlicher Vorkasse. Die seien aber teurer. „Unterm Strich versuchen wir, in jedem Fall rund 50 Euro günstiger zu sein als der regionale Grundversorger.“ Vorwürfe, man würde unter Einkaufspreis Strom vertreiben, seinen Unfug. „Wir können nur so günstig sein, weil wir sehr flexibel auf den Markt reagieren.“ Die Flexstrom-Gruppe biete mehr als 20 000 unterschiedliche Tarife in 100 Tarifgebieten an.

„Undurchsichtig“ nennen das Verbraucherschützer. „Für jeden etwas dabei“, sagt Mundt. „Wir investieren direkt in den Kunden über Preisnachlässe oder Boni. Dafür ersparen wir uns und unseren Kunden millionenschwere Marketing-Ausgaben.“ Mundts Attitüde erinnert an einige der einstigen Stars der liberalisierten Märkte: Gerhard Schmid etwa, der mit seiner Mobilcom um die Jahrtausendwende als erster dem Monopolisten Telekom zu nahe kam. Man warf ihm irgendwann Insolvenzverschleppung und Steuerbetrug vor. Er ist raus aus dem Geschäft, sein Erbe aber lebt in der Mobilcom-Debitel weiter. Als Vorbilder nennt Mundt die Luftfahrt-Bosse, die seit den frühen 90er Jahren den Staatsairlines das Fürchten lehren: Stelios Haji-Ioannou, Gründer der Easy-Gruppe. Der wurde von mächtigen Miteigentümern mittlerweile aus dem operativen Geschäft gedrängt. Doch Easyjet fliegt profitabel durch die Krise. Oder Joachim Hunold, der Air Berlin mit zwei Fliegern übernahm und zum Konzern mit mehr als 170 Maschinen, drei Milliarden Euro Jahresumsatz und fast 9000 Mitarbeitern ausbaute. Auch er musste vor gut einem Jahr gehen, erhält der Gesellschaft aber so zumindest die Chance auf eine Rettung.

Robert Mundt will es besser machen. Flexstrom gehört bis heute ihm und seinem Bruder Thomas, der im Aufsichtsrat sitzt, zu rund 90 Prozent. Damit das so bleibt, setzt er auf von Wirtschaftsprüfern testierte Geschäftsberichte. Er verweist auch auf das Rating „BBB minus“ das ihm die Bank, die ihn bei der nun abgesagten Ausgabe der Anleihe betreute, nach einer wochenlangen Sonderprüfung verpasste. BBB minus bedeutet: „Durchschnittlich gute Anlage, Probleme möglich, wenn die Konjunktur einbricht“. Das hilft ihm aber wenig, wenn plötzlich ein Großteil seiner 570 000 Kunden – und sei es nur auf Grund von Gerüchten – das Vertrauen verliert.

Die für die Kontrolle der Stromanbieter zuständige Bundesnetzagentur teilte zu Flexstrom mit: Sie wisse von den Querelen mit einzelnen Netzbetreibern und habe in einem Fall auch „moderiert“. Der Behörde lägen aber keine meldepflichtigen Berichte über „Netzausschlussverfügungen“, die als letztes Mittel der Betreiber gelten, vor. Auch von einer finanziellen Schieflage sei nichts bekannt.

Robert Mundt brach 1984 sein Architektur-Studium ab, um bei der Hamburg-Mannheimer anzuheuern, wo er auch als Makler arbeitete. 1994 ging er als Unternehmensberater nach Chicago. Nachdem in Deutschland der Telefonmarkt liberalisiert wurde, kehrte er 1999 in die Heimat zurück und gründete mit seinem Bruder Thomas Mundt die Firmen Flexfon und Inoflex zur Vermittlung von Telefon-, Internet- und Energietarifen. Verbraucher- und Mieterschützer klagten gegen diese Firmen wegen der Methoden, mit denen sie im großen Stil Vertriebsmitarbeiter einstellten und aggressiv Kunden warben. Auch die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelte.

2003 wagte der heute 48-jährige Mundt einen Neustart und gründete mit 25000 Euro Startkapital die Flexstrom GmbH, heute eine AG. Verbraucherverbände klagten auch gegen diese Firma – etwa wegen der Boni, die Flexstrom Kunden nur unter sehr speziellen Bedingungen auszahlt. Die Flexstrom-Gruppe beschäftigt heute knapp 600 Mitarbeiter an drei Berliner Standorten in Tiergarten und in Tempelhof-Schöneberg.

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