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Wirtschaft: Berliner Finanzkrise: Wie Mehltau über der Hauptstadt

Berlin kann auch in diesem Jahr nicht mit einem spürbaren Wirtschaftswachstum rechnen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für die kommenden Monate allenfalls mit einem Leistungsanstieg von 1,5 Prozent und spricht deshalb von einer "verhaltenen" Entwicklung.

Berlin kann auch in diesem Jahr nicht mit einem spürbaren Wirtschaftswachstum rechnen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für die kommenden Monate allenfalls mit einem Leistungsanstieg von 1,5 Prozent und spricht deshalb von einer "verhaltenen" Entwicklung. Auch das vorangegangene Jahr habe mit einem Wachstum von 1,5 Prozent keine spürbare Annäherung an den positiven Trend des restlichen Bundesgebietes gebracht. Gleichwohl sei es Berlin gelungen, den Rückgang der Wirtschaftsleistung, der das Land seit Jahren begleitet, erstmals zu stoppen.

Die Wissenschaftler erkannten zwar ein deutliches Wachstum des Dienstleistungssektors in Berlin, der nicht zuletzt durch den Zuzug der Bundesregierung Auftrieb erhielt. Leistungsumfang und Beschäftigung im tertiären Sektor seien allerdings noch lange nicht so stark, dass der allgemein abgeschwächte konjunkturelle Trend in der Industrie und der Rückgang der Bauleistungen kompensiert werden konnten. Als Risikofaktoren für die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin benannten die DIW-Wissenschaftler neben der Fokussierung der Industrie auf den Export die Finanzschwäche des Landes Berlin und die sich daraus ergebende Auftragslage.

Letzteres - nämlich die prekäre Situation im Landeshaushalt, der gleich zum Jahresanfang einen Ausgabenstopp zu verkraften hatte - geisselte auch die örtliche Industrie- und Handelskammer am Mittwoch als Entwicklungshemmnis Nummer Eins. IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Hertz warf den Berliner Landespolitikern vor, dass die "Finanzlage wie Mehltau über Berlin liegt" und die Stimmung der Unternehmer stark beeinflusse. Zwar sei der Handelskammer bewusst, dass Finanzsenator Peter Kurth in den vergangenen Jahren "lobenswerte" Anstrengungen zur Eindämmung der Neuverschuldung unternommen habe. Eine Finanzpolitik, die Berlin mittelfristig aus der Schuldenfalle herausführt, sei hingegen nicht erkennbar, sagte Hertz.

Für die Wirtschaftsvertreter steht fest, dass ein Ausweg nur über grundlegende strukturelle Änderungen zu erreichen ist. "Wir müssen aufhören, tote Steine statt menschliches Tafelsilber zu unterstützen", sagte der IHK-Chef. Konkret forderte er: "Berlin muss sich auf Kernkompetenzen beschränken und mehr in die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung investieren". Vor dem Hintergrund der DIW-Analyse, die feststellt, dass zwei mal so viel arbeitslose Berliner mit Berufsausbildung 2000 einen Job erhalten haben wie Arbeitslose ohne Ausbildung, rügte Hertz die mangelnde Ausstattung von Schulen und Hochschulen.

Weitaus deutlicher als in den Jahren zuvor forderte der IHK-Chef, dass sich Berlin von Aufgaben trennt, die nicht zur originären Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand gehören. Ein Land, das täglich 11 Millionen Mark Zinsen für seine Schulden bezahlt, könne nicht mehr glaubhaft machen, dass es Verkehrsbetriebe, Wohnungsbaugesellschaften, Schwimmbäder und Wochenmärkte besser und effizienter betreibe, als das private Eigentümer könnten, sagte Hertz und forderte die Verwaltung auf, keine Scheinprivatisierungen zu veranstalten, die aus Eigenbetrieben private Gesellschaften formen, Personalkosten als Sachausgaben verschleiern und "am Ende überhaupt nichts bringen". In diesem Zusammenhang forderte Hertz auch die Aufhebung von Beschäftigungsgarantien für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. "Niemandem sind solche Privilegien noch nahe zu bringen", sagte er. "Zumal die Löhne und Gehälter in der freien Wirtschaft auch noch niedrigere sind als beim Dienstherrn Berlin."

Geradezu "klassisch" für den Zustand in der Stadt sei die aktuelle Entwicklung bei der landeseigenen Bankgesellschaft. Missmanagement unter dem Schutz der Politik sei verantwortlich dafür, dass nun Forderungen auf den Landeshaushalt zukommen, die leicht "aus der Bankenkrise eine Finanzkrise" machen könnte. Hertz forderte deshalb die Eigentümer der Bankgesellschaft auf, Verbindlichkeiten der Bank "nicht aus dem Landeshaushalt" zu decken. "Die finanziellen Schwierigkeiten der Bankgesellschaft müssen auch dort eingekapselt werden". Damit sich alte Vorurteile über die Stadt Berlin und ihre Unternehmer, die deutschlandweit durch die Vorkommnisse bei der Bankgesellschaft wieder belebt würden, nicht verfestigen, forderte der IHK-Chef den Senat auf, die Probleme "gründlich und vor allem professionell" zu lösen.

asi

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