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Wirtschaft: Berliner Gaspreise sinken frühestens Mitte 2006

Monopolist Gasag muss vorerst nicht mit Konkurrenz rechnen – weil die Gebühren für die Durchleitung so hoch sind

Berlin - Trotz der Liberalisierung auf dem Gasmarkt werden die Berliner Verbraucher noch lange auf neue Anbieter warten müssen. „Bisher hat kein Mitbewerber einen Antrag auf Nutzung unseres Gasnetzes gestellt“, sagte eine Sprecherin des lokalen Monopolisten Gasag dem Tagesspiegel. Nach Ansicht von Experten dürfte sich daran so bald auch nichts ändern: „Neben der Gasag werden sich auf absehbare Zeit keine weiteren Gasversorger auf den Berliner Markt vorwagen“, sagte Hans-Peter Schwintowski, Direktor des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht an der Berliner Humboldt-Universität. Das erwartet auch Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher: „Vor dem Jahr 2007 rechne ich mit keinem echten Wettbewerb.“

Im Juni hatten SPD und Grüne zusammen mit der Union ein neues Energiewirtschaftsgesetz verabschiedet. Es soll für mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt sorgen – ähnlich wie bei Telekommunikation und Strom bereits geschehen. Für Berlin bedeutet dies, dass jeder Anbieter das Netz der Gasag benutzen und Abnehmer in der Stadt mit Gas beliefern darf. Bisher war der Gasmarkt nur für große industrielle Kunden liberalisiert. Private Verbraucher waren an ihren jeweiligen lokalen Anbieter – in Berlin also die Gasag – gebunden.

Wann sich das ändert, ist offen. Denn trotz Energiewirtschaftsgesetz gibt es keine Anbieter, die Interesse am Berliner Markt zeigen. „Um die Privatkunden werden sich die Versorger erst sehr spät kümmern – wenn überhaupt“, sagte Experte Schwintowski. Der Grund dafür ist einfach: Das Geschäft mit Kleinverbrauchern lohnt sich nicht. „Wer in den Berliner Markt will, müsste das zu einem niedrigeren Preis tun als die Gasag“, erklärte Schwintowski. „Das aber senkt die Gewinnmarge – und das will keiner.“

Auch bei der Gasag sieht man diesen Zusammenhang: „Der Einkaufspreis von Gas plus die Durchleitung durch unser Netz sind für andere Anbieter immer teurer als unser Preis“, sagte die Sprecherin. Nur bei sehr hohen Durchleitungsmengen sinkt das Netzentgelt: So verlangt die Gasag bei einer Jahresmenge von 100000 Kubikmetern eine Durchleitungsgebühr von 11,6 Cent je Kubikmeter. Erst bei einer Menge von zehn Millionen Kubikmetern pro Jahr reduziert sich dieser Preis auf 3,7 Cent. „Nur bei enorm vielen Kunden ist das für andere Anbieter rentabel“, gibt die Gasag-Sprecherin zu. Hinzu kommt für jeden einzelnen Kundenkontakt ein monatliches „Entgelt für Systemdienstleistungen“ in Höhe von 54,15 Euro. „Bei den derzeitigen Netzentgelten kann kein Anbieter ein Geschäft machen“, klagt Verbraucherschützer Peters.

Von alleine wird jedoch kein Netzbetreiber seine Durchleitungsgebühren senken. Daher ist nun die Bundesnetzagentur – die bisherige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in Bonn – am Zug. Laut Energiewirtschaftsgesetz hat sie die Aufgabe, die Netzentgelte aller Betreiber in Deutschland zu kontrollieren. Stellt die Behörde fest, dass Gebühren zu hoch sind, kann sie die Betreiber zu Preissenkungen zwingen.

Allerdings ist das Energiewirtschaftsgesetz vom Bundespräsidenten noch nicht unterschrieben – offiziell ist es deshalb noch nicht in Kraft. Und selbst wenn dies in wenigen Tagen der Fall sein wird, braucht die Überprüfung aller Netzentgelte in Deutschland Zeit. „Die Betreiber müssen ihre Unterlagen innerhalb von sechs Monaten zur Kontrolle vorlegen“, sagte ein Sprecher der Regulierungsbehörde dem Tagesspiegel. „Dann haben wir noch einmal sechs Monate Zeit zur Überprüfung.“ Potenzielle Gasag-Konkurrenten müssen unter Umständen also bis Mitte 2006 warten, bis sich an den Netzentgelten etwas ändert.

Doch noch etwas spricht dagegen, dass Versorger aus anderen Regionen in den Berliner Markt eintreten: „Wer hier zu einem günstigen Preis anbieten würde, käme auf seinem eigenen Heimatmarkt in Erklärungsnot“, sagte Schwintowski. „Schließlich würden die Verbraucher und die Regulierungsbehörde dann auch dort Preissenkungen fordern.“ Und das könne kein Versorger wollen.

„Theoretisch gibt es genug Kandidaten, die für den Berliner Markt in Frage kämen“, sagte Schwintowski. Als Beispiele nannte er Ruhrgas und Bayerngas. „Aber ich kenne keinen, der dieses Risiko eingeht. Die lassen sich lieber gegenseitig in Ruhe.“ Das Nachsehen haben die Kunden: „Ohne Wettbewerb werden die Gaspreise so hoch bleiben wie bisher“, befürchtet Verbraucherschützer Peters.

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