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Wirtschaft: Berliner Stromkunden haben nicht die volle Auswahl

Im Stromgeschäft bleibt Berlin eine Insel. Obwohl der Strommarkt seit vier Jahren liberalisiert ist, liefern viele Versorger noch immer nicht nach Berlin.

Im Stromgeschäft bleibt Berlin eine Insel. Obwohl der Strommarkt seit vier Jahren liberalisiert ist, liefern viele Versorger noch immer nicht nach Berlin. Der Grund: Das Geschäft lohnt sich wegen hoher Nebenkosten und Abgaben nicht. "Wir müssten noch Geld mitbringen", sagt Jürgen Rauschkolb vom hessischen Stromanbieter ÜWG (Überlandwerk Groß-Gerau).

Die hohe Konzessionsabgabe an das Land Berlin und die Verpflichtungen nach dem Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz, das Fernwärme fördert, machen nach Einschätzung des Vertriebsleiters das Geschäft in Berlin unattraktiv. Zum Vergleich: Während ÜWG in seinem angestammten Geschäftsgebiet Hessen nach dem Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz nur einen halben Pfennig pro Kilowattstunde zahlen muss, sind es in Berlin 1,8 Pfennig. Noch stärker ins Gewicht fällt jedoch die Konzessionsabgabe, die jeder Stromanbieter an die jeweilige Kommune für Erschließung und Infrastruktur zahlen muss. Während sie in Hessen gerade einmal bei 2,6 Pfennig liegt, beträgt sie in Berlin und anderen Millionenstädten 4,69 Pfennige pro Kilowattstunde.

Bei einem Familienhaushalt, der im Jahr 5100 Kilowattstunden verbraucht, machen nach Berechnungen Rauschkolbs die administrativen Kosten bereits einen Unterschied von über 125 Euro im Jahr aus. Hinzu kommen noch Durchleitungsgebühren an den Netzbetreiber, die in Deutschland doppelt so hoch sind wie im europäischen Ausland. Dass dennoch Konkurrenten wie etwa die EnBW-Tochter Yello ihren Strom auf dem Berliner Markt anbieten, habe Marketing-Gründe. Lukrativ sei das Geschäft auch für Yello nicht, meint Rauschkolb. Dennoch hat auch ÜWG einige Hundert Kunden in Berlin, die die Hessen schon vor Jahren - in der ersten Liberalisierungseuphorie - gewählt haben. Doch Neukunden haben derzeit keine Chance, bei den Hessen einen Vertrag zu bekommen.

Das ist misslich. Denn der Berliner Platzhirsch, die Bewag, gehört nicht gerade zu den günstigsten Anbietern in der Republik. Ein Single-Haushalt, der im Jahr rund 1500 Kilowatt-Stunden verbraucht, zahlt bei der Bewag im Tarif "BerlinKlassik" 312,93 Euro. Beim ÜWG käme er mit 266,85 Euro davon, jeweils inklusive Mehrwertsteuer. Auch der derzeit billigste Lieferant, GGEW Bergstraße aus Bensheim (Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk), der Single-Haushalte für 253,65 Euro versorgen würde, liefert nicht in die Bundeshauptstadt. Die Netznutzung sei zu teuer, heißt es dort, außerdem verkompliziere die Braunkohleschutzklausel, die die Stromerzeugung aus ostdeutscher Braunkohle privilegiert, das Geschäft. Das letzte Wort, heißt es jedoch, sei noch nicht gesprochen. Man werde in einiger Zeit noch einmal die Konditionen für Lieferungen nach Berlin durchkalkulieren. Dennoch sind Berliner Privatkunden nicht ausschließlich auf die Bewag angewiesen. Denn es gibt durchaus Konkurrenten, die in die Hauptstadt liefern und günstiger sind als die Platzhirsche. Beispiel: die BVAG (Braunschweiger Versorgungs-AG). Mit einem Jahrespreis von 266,40 Euro für einen Verbrauch von 1500 Kilowattstunden im Jahr schlägt das Unternehmen die Bewag genauso wie der Münchner Anbieter K & K Energie, der seinen Kunden bei Abschluss eines Jahresvertrags pauschal einen Bonus von 200 Kilowattstunden gutschreibt. Bei einem Jahresverbrauch von 1700 Kilowattstunden zahlt man bei K & K Energie derzeit 267,30 Euro, wenn man einen Jahreskontrakt abschließt.

Auch Familien mit größerem Verbrauch müssen nicht bei der Bewag bleiben. Wer 5700 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, zahlt im "BerlinKlassik"-Tarif der Berliner 1034,91 Euro. Beim Mendener Anbieter Energie AG kommt man mit Gesamtkosten von 792,54 Euro davon. Günstig auch hier: K & K Energie mit einem Endpreis von 795,17 Euro. Selbst der Ökostrom-Anbieter Lichtblick hängt die Bewag ab. Mit einem Jahrespreis von 888,81 Euro sind die Hamburger deutlich günstiger als die Berliner, allerdings wollen die Öko-Lieferanten die Preise zum 1. April erhöhen. Vorteil für Wechselwillige: Der Bezug von Lichtblick-Strom ist besonders einfach. Da die Hamburger Kooperationspartner der Post sind, kann man den neuen Strom auch auf dem Postamt bestellen - und gleich noch Briefmarken oder Glückwunschkarten kaufen.

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