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Ab Januar in Kraft: Die Kosten der Umweltzone für Unternehmer

Im Januar tritt in Berlin die zweite Stufe der Umweltzone in Kraft. Viele Unternehmer müssen hohe Kosten tragen. Vor allem kleine Betriebe haben es schwer.

Monatelang hat sich Gerhard Lampeitel von der Umzugsfirma Ottocar den Kopf über seinen Fuhrpark und die Berliner Umweltzone zerbrochen. „Ich habe das Gefühl, dass ich in der Zeit um Jahre gealtert bin und habe ein Dreivierteljahr lang nicht mehr richtig geschlafen“, klagt der Geschäftsführer. Schließlich hänge die Existenz seiner Firma davon ab, dass die Umzugswagen auch ab 2010 in der Innenstadt unterwegs sein dürfen. 8500 Euro kostete allein die Nachrüstung eines 7,5-Tonners mit einem Rußpartikelfilter. Der Mercedes sei zwar 20 Jahre alt, aber immer nur kurze Strecken gefahren und „wie neu“. Andere ältere Lkw und Transporter wurden verkauft und durch gebrauchte, aber neuere Modelle ersetzt. Fünf weitere Transporter sollen noch umgerüstet werden, die Filter trafen aber gerade erst in der Werkstatt ein.

Die zweite Stufe der Umweltzone macht vielen Firmen zu schaffen: Ab Januar dürfen Fahrzeuge nur noch mit grüner Plakette oder Ausnahmegenehmigung innerhalb des S-Bahnrings verkehren. Bisher gibt es nach Auskunft der Wirtschafts- und der Umweltverwaltung rund 2250 Ausnahmeanträge, von denen die meisten bereits bewilligt seien.

Nach der Einführung der Umweltzone vor knapp zwei Jahren genügten für Lkw, Kleintransporter oder Taxen, die nicht die neuesten Abgasnormen erfüllen, zunächst gelbe oder rote Plaketten. Aktuell gibt es noch rund 12 800 Nutzfahrzeuge mit roter und 28 600 mit gelber Plakette. Die Hoffnung mancher Unternehmer auf ein Urteil gegen die Vorschriften hat sich zerschlagen. Vor wenigen Tagen wies das Verwaltungsgericht, wie berichtet, elf vom ADAC unterstützte Klagen ab.

„Das Urteil kommt spät“, bedauert Dieter Martens, Geschäftsführer des Verbands Verkehr und Logistik Berlin-Brandenburg. Viele Unternehmen hätten sich lange die Situation „schöngeredet“ und geglaubt, der Senat werde die Ausweitung der Fahrverbote verschieben. „Vielen wäre geholfen, wenn das ein Jahr später käme.“ Denn Firmenfahrzeuge seien erst nach einigen Jahren abgeschrieben, und die Nachrüstung mit Filtern lohne nicht immer. Einen „Irrsinn“ sieht Martens darin, dass auch Wagen mit „geringer Laufleistung“ wie Baustellenfahrzeuge betroffen sind. Diese verursachten wenig Abgase und seien für Filter kaum geeignet, weil die Motoren selten die nötige Betriebstemperatur erreichten.

Ein Lichtenberger Handwerksbetrieb, der Schlüsselnotdienste und Eilreparaturen anbietet, fühlt sich vom Bezirk „überhaupt nicht unterstützt“. Das Amt habe eine Härtefallregelung für fünf alte Fahrzeuge verweigert. Jetzt wurden mehrere Neuwagen angeschafft, um die „Flottenregelung“ zu nutzen. Denn eine Firma, die drei Wagen mit grüner Plakette hat, kann für einen weiteren mit anderer Plakette eine Ausnahme beantragen. Die Lichtenberger Firma soll dies 400 Euro pro Fahrzeug für zwei Jahre kosten.

Doch für manche Lkw gibt es keine geeigneten Filter, mitunter erteilen die Motorenhersteller keine Betriebserlaubnis. Für Reisebusse sind sogar überhaupt keine Rußpartikelfilter am Markt. Deshalb erlaubt die Umweltverwaltung allen Reisebussen bis Ende 2011, mit gelber Plakette in die City zu fahren.

Nur gilt dies nicht für Stadtrundfahrtenbusse, wie sie etwa „Haru Reisen“ einsetzt. Die auf BVG-Doppeldeckern basierenden „Cabrio-Busse“ stammen aus den 80er Jahren und werden laut Haru-Geschäftsführer Karsten Schulze in Deutschland nicht mehr gebaut. Also ließ der Chef des Familienbetriebs ein paar der Oldtimer für je 18 000 Euro mit Filtern nachrüsten. Zwei neue Busse erwarb er in Spanien. Weitere Fahrzeuge wurden modernisiert und Neuanschaffungen vorgezogen. Bisher hat Haru wegen der Umweltzone mehr als 60 000 Euro investiert.

Vor allem ärgert sich Schulze darüber, dass er neun umweltfreundliche Erdgasbusse abstoßen musste, für die sein Betrieb 2007 von der Umweltverwaltung als „Klimaschutzpartner“ ausgezeichnet worden war. Die Busse bedienten BVG-Linien in Spandau und Zehlendorf, doch Ende 2007 kündigten die Verkehrsbetriebe aus Kostengründen den Vertrag. „Wir haben die Fahrzeuge mit Verlust verkauft und 38 Mitarbeiter entlassen müssen“, klagt Schulze.

IHK und Handwerkskammer hatten die Umweltzone abgelehnt und später eine Verschiebung der zweiten Stufe verlangt. Zugleich verhandelten die Kammern mit dem Senat über Ausnahmeregeln. IHK-Experte Jürgen Richter verweist darauf, dass die Abgasnorm Euro 3 „bis 2006 das Maß der Dinge war“. Einen Teil der Probleme hätten die Filterhersteller verursacht: „Die haben immer getönt, sie könnten alles produzieren.“ Das habe sich als Irrtum erwiesen, „und die Leidtragenden sind die Unternehmen“.

Laut Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, haben es kleine Betriebe mit geringem finanziellen Spielraum besonders schwer. Immerhin sei in den Verhandlungen mit der Landesregierung ein „Meilenstein“ erreicht worden: Fahrzeuge mit gelber Plakette dürften, wenn die Nachrüstung technisch nachweisbar unmöglich sei, „bis auf Weiteres“ in der Umweltzone verkehren. Komme eine besondere „wirtschaftliche Härte“ hinzu, bleibe dies im Einzelfall sogar mit roter Plakette möglich. Keine Lösung sei es dagegen, das Fahrverbot zu ignorieren. Das Hauptproblem wären dabei nicht die Bußgelder, sondern mögliche Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei – und diese solle ein Berufskraftfahrer auf keinen Fall riskieren.

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