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Ausbildung: Frisch ins Werk

Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist nach wie vor groß – doch nicht alle Berufe sind gefragt.

Die Regale des Berufsinformationszentrums (BIZ) an der Friedrichstraße sind prall gefüllt. Von A wie Altenpfleger bis Z wie Zytologieassistent schlummern 349 Ausbildungsberufe gut sortiert in roten Ordnern und in den vielen Computern mit Zugang zur Onlinebörse. Nur mögliche Bewerber sieht man am frühen Vormittag kaum. Aber es gibt sie natürlich: Am 15. Juli endet für 30 500 Berliner Jugendliche die Schulzeit, rund 15 300 Bewerber haben sich auf der Ausbildungsplatzsuche bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Ihre Aussichten sind gut – gegen den Bundestrend.

„In Berlin hat die Wirtschaftskrise den Ausbildungsmarkt noch nicht erreicht“, sagt Christoph von Knobelsdorff, IHK-Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung. Während bundesweit im Vergleich zum Vorjahr in Industrie und Handel rund 5,7 Prozent weniger Ausbildungsverträge geschlossen wurden, liegt Berlin mit rund 3000 Verträgen auf dem Niveau des Spitzenjahres 2008. Die Zahl aller Ausbildungsbetriebe ist laut IHK sogar gestiegen. Doch zumindest in der Gastronomie, dem Handel und der Metall- und Elektroindustrie hat die Krise zu weniger Ausbildungsverträgen geführt.

Die Handwerkskammer bleibt optimistisch, das Angebot ihrer Lehrstellenbörse ist etwa dreimal so hoch wie im Vorjahr. „Im Handwerk kommt der Knall der Krise später an“, sagt ein Sprecher. Mit einer Ausbildungsquote von rund zehn Prozent ist das Handwerk traditionell der Ausbilder Nummer eins. Daran wird sich wohl nichts ändern: „Die Betriebe wollen ihren Ausbildungsstand halten“, stellt die Kammer fest. Längst habe sich die Ansicht durchgesetzt, dass es für den Erfolg wichtig sei, an der Ausbildung des Nachwuchses festzuhalten.

Eine Abiturientin, die im BIZ auf eine Informationsveranstaltung wartet, weiß noch nicht, wie es nach den Sommerferien weitergeht: Die 20-jährige Nadin will Chemielaborantin werden, doch eine Vier in Mathe erweist sich seit Monaten als Hindernis. Die Forderungen der Arbeitgeber sind hoch. Am liebsten solle wohl jeder Bäcker und Maurer Abitur haben, sagt ein Sprecher der Agentur für Arbeit ironisch. 19 Prozent aller Berliner Ausbildungsbetriebe haben laut einer IHK-Umfrage im vorigen Jahr Ausbildungsplätze nicht besetzen können. „Die mangelnde Ausbildungsreife vieler Schulabgänger ist nach wie vor ein Problem“, sagt auch Berufsberater Stephan Schneider. Man müsse Schülern immer wieder vermitteln, dass sie mit einem Hauptschulabschluss mit Durchschnittsnote Vier nicht alle Chancen haben. Gerade in konjunkturell schlechten Phasen wird der Rat der Berufsprofis besonders geschätzt: „Die Schüler spüren das Damoklesschwert über sich“, sagt Schneider. Vielen sei egal, was Sie beruflich werden: „Hauptsache nicht arbeitslos.“

Gut sind die Chancen für alle, die Fachverkäufer in der Konditorei werden möchten: Jeder dritte Ausbildungsplatz in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer ist in diesem Beruf frei. Bezahlung, Arbeitszeiten, Entwicklungsmöglichkeiten – die Ursachen, warum solche Berufe als unattraktiv gelten, seien vielschichtig, sagt Berufsberater Schneider.

Was aber wollen die Schüler werden? Seit Jahren das Gleiche: Einzelhandelskauffrau ist der gefragteste Beruf unter jungen Frauen, während männliche Bewerber vor allem als Kfz-Mechatroniker arbeiten wollen. „Die Wünsche sind sehr konstant“, sagt der Sprecher der Arbeitsagentur. Rund 21 000 Ausbildungsverträge wurden 2008 geschlossen, knapp 60 Prozent davon im Bereich Handel und Industrie. Die zehn stärksten kaufmännischen Ausbildungsberufe 2008 fanden sich auch schon im Jahr 2000 unter den Top 10. Bei den gewerblichen Ausbildungsberufen sieht es nicht viel anders aus – und im Handwerk führt der Friseur seit langem die Hitliste an.

Laut Arbeitsagentur ist die Hälfte aller aktuell gemeldeten Bewerber schon versorgt. „Wir können jedem Jugendlichen ein Angebot machen“, sagt Berufsberater Schneider. Die Lage habe sich durch rückläufige Schulabgängerzahlen bei etwa konstantem Lehrstellenangebot entspannt.

Die Abiturientin im BIZ an der Friedrichstraße hat derweil schon eine Zusage für eine Ausbildung als Chemisch-Technische Assistentin. Aber sie zögert noch – denn die schulische Ausbildung wäre unbezahlt.

Stefanie Richter

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