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Ein Baum voller Gemüse. Der Künstler Piet van der Burg aus der Nähe von Rotterdam widmet sich seit Jahrzehnten der Floristik und dem Messebau. Bei der Fachmesse Fruit Logistica auf dem Berliner Messegelände arbeitet er freischaffend für die niederländische Firma Zuidkoop Natural Projects, die eine große Agrarorganisation in Szene setzt.

© Thilo Rückeis

Berliner Messebau: Gut aufgestellt

Die Messebau-Branche erlebt wieder einen Aufschwung. Die internationale Konkurrenz ist jedoch hart.

Piet van der Burg greift zu Tomaten, Paprikaschoten, Gurken und Auberginen – und befestigt sie vorsichtig mit Holzstäbchen an einem Baum. Das Gewächs auf der Fruchthandels-Fachmesse Fruit Logistica, die am heutigen Mittwoch in den Hallen am Funkturm beginnt, ist natürlich ein Fantasieprodukt. Das Gemüse jedoch ist echt. „Solche Dekorationen sind eine Kunst“, sagt der 65-jährige Niederländer, der in Floristikwettbewerben niederländischer und europäischer Meister wurde. Heute reist er zu Veranstaltungen in aller Welt und zählt in Berlin zum 90-köpfigen Team einer Messebaufirma, die unter anderem den Stand der Agrarorganisation „fresq“ gestaltet. Beide Unternehmen kommen aus den Niederlanden.

Das Beispiel ist kein Einzelfall: Im Messebau geht es nach Rückschlägen durch die Wirtschaftskrise wieder aufwärts, denn die Zahl der Messen und Kongresse in Berlin steigt. Doch nicht immer kommen hiesige Firmen zum Zuge, die dafür ihrerseits meist überregional agieren. Der Konkurrenzdruck zeigt sich auf der Fruit Logistica auch am Pavillon der israelischen Marke Carmel: Die halbjährige Planung habe ein israelisches Büro übernommen, sagt Taly Sive-Lahav vom Agrarkonzern Agrexco, ausgeführt würden die Arbeiten von einer polnischen Firma. Deren Mitarbeiter seien nicht nur „fantastische“ Arbeitskräfte, sondern auch viel billiger als Deutsche.

Der Messebau erfordert Kreativität, handwerkliches und technisches Geschick und nicht zuletzt auch Schnelligkeit. „Häufig fragen Kunden morgens an und wollen dann bis abends ein Angebot für einen aufwendigen Messestand haben“, sagt Silver Schrodi, Geschäftsführer der Firma Minuth Messebau in Lichterfelde. Sein Unternehmen blickt auf eine rund 110-jährige Geschichte zurück und errichtet auf dem Charlottenburger Messegelände jährlich Stände mit einer Gesamtfläche von bis zu 20 000 Quadratmetern. „Das geht nicht allein mit Festangestellten“, sagt Schrodi, die 18-köpfige Belegschaft wird bei Bedarf von mehr als 80 freien Mitarbeitern unterstützt. Übrigens liefert Minuth auch den roten Teppich für den Berlinale-Palast.

„Es gibt zu viele Messebauer in Berlin“, urteilt Schrodi. Zudem habe „der Mittelstand kein Geld“, und Industrie existiere hier kaum. Einen Boom sieht er vor allem in Asien.

Auf dem Firmengelände am Lichterfelder Weg residiert nebenan auch die fairform GmbH, die aber ein separates Unternehmen ist. „Wir sind über 30 Jahre vor allem im Ausland gewachsen, zum Beispiel in Cannes und Johannesburg“, sagt Prokurist Matthias Schlede. Auch er spricht von „harter Konkurrenz“, sieht aber einen Trend „weg vom Billigen“. Für die meisten Auftraggeber stünden „gute Leistung und eine verlässliche Partnerschaft“ im Vordergrund. Mit 25 bis 30 Mitarbeitern betreut fairform oft ein halbes Dutzend Projekte gleichzeitig. Man ist bei Messen wie der Grünen Woche und der Fruit Logistica für einzelne Aussteller tätig, gehört aber nicht mehr zu den festen Servicepartnern der Messegesellschaft. Deren Vorgänger, die AMK, habe stets den „100-prozentigen Zugriff auf unsere Kapazitäten“ gefordert und so andere mögliche Aufträge blockiert, sagt Schlede. Sein Unternehmen ist auch für die Zukunftsagentur Brandenburg sowie im Ausland für den Freistaat Bayern und die Deutsche Zentrale für Tourismus tätig. In das neue Jahr sei man „sehr gut gestartet“, sagt der Prokurist. Für junge Unternehmen seien dagegen die Ausschreibungen bei öffentlichen Aufträgen eine Hürde: Jede Firma müsse den Nachweis erbringen, in den vorigen drei Jahren an mindestens einer großen Ausstellung teilgenommen zu haben. „Wo soll da der Nachwuchs bleiben?“, fragt Schlede.

In mehreren europäischen Staaten und im Nahen Osten ist die Weddinger Delafair GmbH aktiv, die 20 Angestellte und drei Azubis beschäftigt und in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Ein Großteil der Kunden stamme nicht aus Berlin, sagt Vertriebsleiter Roman Hannig, doch als Firmenstandort sei die Stadt „sehr interessant“. Hier falle es leicht, gute Mitarbeiter zu bekommen. Ein weiterer Vorteil sei die relative Nähe zu anderen wichtigen Messestandorten. Es geht aber nicht nur um große Ausstellungen: Eine Delafair-Spezialität sind Promotionbauten auf internationalen Flughäfen von Barcelona bis Paris, mit denen zum Beispiel ein Tabakkonzern für seine Marken wirbt. Die Wurzeln der Firma liegen im IT-Bereich und der Computermesse Cebit in Hannover. In Berlin sieht Hannig einige „Leuchttürme“ wie die Callcenter-Messe Callcenterworld, die vom 21. bis 24. Februar im Estrel Convention Center in Neukölln läuft. Delafair gestaltet dort diesmal drei Stände. „2011 erwarten wir sehr deutlich steigende Umsätze“, sagt Hannig, die Auftragslage für das erste Quartal liege bereits um einen „zweistelligen Prozentbereich“ über dem Vorjahreszeitraum. Auch er sieht einen „Trend zum individuell-hochwertigen Messebau“, obwohl viele Auftraggeber als Folge der Krise sparsam agierten. Ihre Lösung bestehe darin, sich nur noch „auf wenige Messen zu konzentrieren“.

Im Estrel sagt Alexander Dickersbach von der 24-köpfigen Haustechnikabteilung, man decke „alle Gewerke“ ab – von Licht über Deko bis zu multimedialen Installationen. Dennoch brächten Aussteller oft lieber eigene Messebauer mit. Die Messe Berlin hat mit der Capital Services GmbH ihren eigenen Dienstleister. Im Geschäftsbereich „Standbau und Ausstattung“ setzte die Tochterfirma im Vorjahr 13 Millionen Euro um – genauso viel wie 2009, aber eine Million Euro weniger als 2008, als die Wirtschaftskrise noch nicht spürbar war. Für 2011 erwartet Capital Services weniger Umsatz. Das sei aber nur „turnusbedingt“, heißt es. Denn Großveranstaltungen wie die Bahnmesse Innotrans oder die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) finden nur alle zwei Jahre statt und stehen erst wieder 2012 bevor.

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