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Die ITB beginnt: Exotische Ziele unter dem Funkturm

Podolien, Wolhynien, Transkarpatien: Berliner Reiseveranstalter sind mit besonderen Angeboten erfolgreich. Am Mittwoch beginnt die Internationale Tourismus-Börse (ITB).

Der chinesische Philosoph Lao-Tse hielt einst die weisen Worte fest: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ Rund 2500 Jahre später führt der erste Schritt viele Berliner wieder ins Reisebüro. Trotz der Möglichkeit, selber im Internet zu buchen, nehmen sie den Weg zum Ausflugsberater ihres Vertrauens in Kauf. Denn immer mehr Reisende suchen Ziele fernab vom Massentourismus – ein Gebiet, auf das sich zahlreiche Berliner Veranstalter spezialisiert haben.

Podolien, Wolhynien oder Transkarpatien in der Ukraine sind nur einige Destinationen aus dem Katalog von „Ex Oriente Lux Reisen“ (EOL). Neu im Programm ist Armenien. Hier kann man den Berg Ararat bestaunen, ein Gespräch mit Nachkommen der Flüchtlinge aus der heutigen Türkei führen oder mit einheimischen Intellektuellen über die aktuelle politische Lage im Kaukasus diskutieren. Die anspruchsvollen Studienreisen sollen Einblicke ins „wahre Leben“ bieten. Das entspricht nicht jedermanns Urlaubsziel, doch die Plätze für die erste Reise im Mai sind längst ausgebucht. „Wir haben schon einen zweiten Termin ins Angebot aufgenommen“, sagt Thomas Reck, einer der Geschäftsführer.

Offenbar ist die Wirtschaftskrise in der exklusiven Tourismusbranche der Hauptstadt noch nicht angekommen. Bei EOL sei nicht absehbar, ob die Krise für das Unternehmen überhaupt Folgen haben wird, sagt Reck. EOL ist mit vier Mitarbeitern ein eher kleines Unternehmen. Aber auch der größte Berliner Reiseveranstalter verdankt seinen Erfolg der Nische: „Wir sind guter Dinge“, sagt Tobias Büttner von „Lernidee Erlebnisreisen“ – einer der wenigen Berliner Anbieter, die ab heute auf der Internationalen Tourismus-Börse vertreten sind. Zwar rechnet Büttner im neuen Geschäftsjahr mit einem Umsatzeinbruch, das sei „aber nicht so schlimm“, weil Lernidee jahrelang ein zweistelliges Wachstum verzeichnete.

Durch ihr spezielles Angebot ist die Firma in mehr als 20 Jahren stetig gewachsen. Dabei scheinen die exklusiven Preise wie rund 3000 Euro für eine zwölftägige Russlandreise im Sonderzug des früheren Generalsekretärs der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, nicht abzuschrecken. „Unsere Klientel sucht kalkulierbare Abenteuer und keine Schnäppchen“, sagt Büttner. Die gut betuchten Weltenbummler brachten „Lernidee“ im vorigen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 29 Millionen Euro.

In einer Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin haben 45 Prozent der Reiseunternehmen vor kurzem gestiegene Umsätze gemeldet. Knapp ein Drittel beklagt dagegen Umsatzeinbußen, bei den übrigen sind die Geschäfte konstant geblieben. Laut IHK-Branchenkoordinatorin Sonja Heimeier wirkt sich die Krise vor allem auf Geschäftsreisen aus. Bei den Privatreisen gehe der Trend zu Lastminute. „Die Kunden buchen zögerlicher, der Familienurlaub ist für die Branche schwieriger einzuschätzen.“ Das könne allerdings auch eine Chance für den Tourismus in Deutschland sein, wenn potenzielle Auslandsreisende wieder auf den Geschmack heimischer Berge und Strände kommen.

Während im Massentourismus die Hotels, Fluggesellschaften und großen Reiseveranstalter mit längeren Frühbucherrabatten und den wieder auflebenden Lastminute-Angeboten locken, gibt es diese Offerten bei den Exklusivreisen nicht. „Wir haben Qualitätsreisen, die können wir nicht billiger machen“, sagt Thomas Reck von EOL-Reisen. Allerdings finden Interessierte auch keine günstigere Alternative – denn Branchenriesen bieten derart spezielle Reiseziele gar nicht an.

Auch viele der 1300 Reisebüros in der Stadt setzen auf besondere Leistungen. Doch anders als die insgesamt wachsende Reisebranche leiden sie seit Jahren unter einer Krise, die mit den Buchungen per Internet begann. Katja Rudolph von „Flori-Reisen“ in Friedenau hat sich daher auf Reisen an die Adria spezialisiert. „Die Kunden, die noch kommen, schätzen unsere Beratung, die meisten kommen gezielt zu uns.“

Baruch Roth, Inhaber der „Reiseagentur Flugcontact“ in Mitte, hat es dagegen immer wieder mit Reisebüro-Banausen zu tun: Manche Kunden verlangten, dass er ihre Buchungsfehler im Internet korrigiere, staunt der Chef. Dabei wüssten die meisten gar nicht, dass keine Beratungskosten entstehen, wenn man bei Fachleuten bucht. Außerdem seien die Reisen meist günstiger als bei den Selbstversuchen der Laien. „Aber das Pendel schlägt zurück“, freut sich Roth. Die Zahl derer, die sich lieber von Profis beraten lassen, steige wieder.

Ferda Ataman

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