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Schnell und sauber: Fahrradkuriere umfahren den Stau in der Innenstadt und sind dabei umweltfreundlich.

© Kai-Uwe Heinrich

Fahrradkuriere: Auf die schnelle Tour

Die Wirtschaftskrise ist auch an den Berliner Fahrradkurieren nicht spurlos vorübergegangen. Doch der Markt bietet noch Möglichkeiten.

Helden der Straße, Großstadtcowboys - Benjamin Kersten muss schmunzeln. Er kennt das Bild, das allgemein über Fahrradkuriere vorherrscht, und weiß, dass viele der Biker sich selbst gerne so sehen. Kersten ist das Klischee vom einsamen Streiter auf dem Hightech-Drahtesel zu platt. Aber: “Fahrradkuriere sind schon ein eigener Menschenschlag”, sagt er. Er muss es wissen, schließlich war der Ko-Vorsitzende des Berliner Kurier-Unternehmerbundes (BKUB) selbst jahrelang auf zwei Rädern unterwegs. Heute beliefert er seine Kunden lieber mit dem Auto.

Als Achim Beier 1989 den ersten Fahrradkurierdienst in Berlin gründete, traf er noch auf eine ganz andere Wirklichkeit. “Damals waren die paar Radkuriere, die es gab, noch mit Jeans, Lederjacke und Turnschuhen unterwegs, im Mund eine Kippe.” Das konnte man besser machen, professioneller. Beier witterte eine Marktlücke. Inzwischen sind für seine Firma 50 Radkuriere täglich auf den Berliner Straßen unterwegs. Das Unternehmen Messenger gilt damit als Marktführer unter den Fahrradkurierdiensten der Hauptstadt.

Kunden aus rund 120 Branchen nutzen die Kurierdienste

Branchenkenner schätzen die Zahl der radelnden Kuriere auf rund 200, von denen das Gros im Auftrag von Messenger, Twister, Cosmo, Go! und Spinning Wheelz fährt. Insgesamt sind in Berlin etwa 1500 Menschen im Kuriergeschäft tätig, die meisten motorisiert. Dennoch sind die Radfahrer aus dem städtischen Kuriergeschäft nicht wegzudenken. “Unsere Kunden haben in der Regel zwei Beweggründe, um Fahrradkuriere zu nutzen”, zählt Beier auf: Die Sendungen sollen möglichst schnell beim Empfänger ankommen, und sie sollen umweltfreundlich transportiert werden. Beide Prämissen können am ehesten Radkuriere erfüllen.

Alles, was im inneren S-Bahnring schnell zu transportieren, nicht zu unhandlich und nicht schwerer als fünf Kilogramm ist, ist bei den Kurierdiensten erst mal eine Sache für die Biker. “Die Zentralen bieten die neuen Aufträge zunächst den Radkurieren an”, erläutert Kurierfahrer Kersten. Erst wenn der Auftrag nach ein paar Minuten nicht vergeben ist, wird er auch für die motorisierten Kollegen freigeschaltet.

Seit Beier vor gut 20 Jahren ins Berliner Kuriergeschäft einstieg, hat sich der Kundenstamm verändert und vor allem verbreitert. “Damals war Berlin unter den deutschen Großstädten ganz hinten, was den Transport von Waren auf dem Kurierweg angeht”, erinnert er sich. Heute hat er Kunden aus gut 120 Branchen. Neben der Kreativbranche, wo mal schnell Entwürfe für eine neue Werbekampagne von A nach B gebracht werden, nutzen vor allem Anwälte, Architekten, Verlage oder IT-Büros den Service. Zehn bis 15 Aufträge schafft ein durchschnittlicher Biker am Tag und legt dabei rund 150 Kilometer zurück.

Auftragseinbrüche um bis zu 20 Prozent

Doch auch an den Radkurieren ist die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorüber gegangen. Um bis zu 20 Prozent seien die Aufträge in jüngster Vergangenheit eingebrochen, schätzt Kersten, der für Twister fährt. Auch die zunehmende elektronische Vernetzung macht den Kurieren zu schaffen. Dokumente, Präsentationen oder Geschäftsunterlagen versenden Unternehmen immer häufiger per E-Mail oder stellen sie über Internetverbindungen zur Verfügung. Der Transport per Kurier entfällt dann.

Die Fahrer spüren solche wirtschaftlichen Rückgänge sehr direkt. Sie arbeiten alle als selbstständige Unternehmer und entrichten entweder eine monatliche Pauschale oder rund ein Drittel des Umsatzes vom jeweiligen Auftrag an ihre Kurierzentrale, damit diese eingehende Aufträge an sie weiterleitet. Wird ihr persönlicher Umsatz geringer, macht sich das anders bei Angestellten mit Festgehalt unmittelbar im Portemonnaie bemerkbar.

Kurierunternehmen setzen Hoffnung in Cargobikes

Dennoch sehen Achim Beier und seine Kollegen das Ende der Fahrradkuriere noch lange nicht gekommen. “Man muss nur die Möglichkeiten erkennen und auch nutzen, die der Markt bietet”, sagt Beier. So gebe es beispielsweise einen Trend dazu, dass Unternehmen Werbegeschenke nicht mehr per Post, sondern per Kurier zustellen. “Das gibt dem Ganzen eine individuellere Note.”

Ein anderer Trend resultiert aus dem wachsenden Umweltbewusstsein vieler Kunden. Beier hat bei Messenger im vergangenen Jahr so genannte Cargobikes eingeführt, die dank einer großen Ladefläche im vorderen Teil Lasten bis zu 250 Kilogramm tragen. “Da passt eine ganze Europalette drauf”, schwärmt der Unternehmer. In der Innenstadt können so auch große Aufträge von Fahrradkurieren bewältigt werden – „und zwar in der gleichen Zeit oder schneller als von einem motorisierten Kurier”.

Quelle: Berlin maximal

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