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Berliner Wirtschaft: Florita

Ein Streifzug durch Charlottenburg und Wilmersdorf weckt nostalgische Gefühle. Wer einst im Westteil der Stadt gelebt und das snobistische Treiben in den Seitenarmen des Kudamms als süffisanten Kontrast zur realsozialistischen Tristesse empfunden hat, wird fast ein wenig wehmütig.

Von Frank Jansen

Ein Streifzug durch Charlottenburg und Wilmersdorf weckt nostalgische Gefühle. Wer einst im Westteil der Stadt gelebt und das snobistische Treiben in den Seitenarmen des Kudamms als süffisanten Kontrast zur realsozialistischen Tristesse empfunden hat, wird fast ein wenig wehmütig. Obwohl Charlottenburg und Wilmersdorf den Kampf der Systeme gewonnen haben, wirken eher die Rummelmeilen in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain als die wahren Sieger. Und dennoch: Die leicht snobistischen Viertel im Herzen des alten West-Berlin bleiben sich treu. Da verfliegt die Melancholie wieder, wenn man, par exemple, in das beinahe französisch anmutende Flair der Bistros und Bars rings um den Savignyplatz eintaucht. Und das drinking couple stieß an einem milden Aprilabend auch noch auf ein Lokal, das es nicht kannte, das Florita in der Grolmanstraße. Enchanté.

Der Name Florita erinnert natürlich sofort an eine berühmte Bar in Havanna, auch wenn sie zwei Buchstaben mehr vorweisen kann: Das Floridita war eine der beiden Lieblingslokale Hemingways, denen er mit dem Aphorismus mi mojito en La Bodeguita, mi daiquiri en El Floridita unsterblichen Glamour bescherte. Ob der Eigentümer des Florita damit kokettieren möchte, bleibt offen Insignien revolutionsseliger Kuba-Romantik entdeckte der drinking man nicht. Das Stilprinzip des Lokals in der Grolmanstraße scheint vor allem der Wille zur akkuraten Bar zu sein. Die exakt aufgereihten Rundhocker am eleganten Holztresen könnten auch in einem besseren american diner stehen, die Campari-Aschenbecher werden offenbar täglich auf den quadratischen Holztischen penibel in die Mitte gerückt. Große Spiegel. Das Florita wirkt clean, ohne ungemütlich zu sein. Und die Servierdame ist sehr zuvorkommend.

Da hatte die Bar fast schon vor dem ersten Drink gewonnen. Der drinking man fragte nach einem Snack, obwohl nichts Essbares in der Karte stand. Dennoch bot die Servierdame sofort einen Antipasti-Teller an, der auch recht schnell kam und üppig bestückt war. Die Cocktails hielten mit: Der Mojito Rudolpho (Havana Club, Limette, Rohrzucker, Minze, Cointreau, Grapefruitsaft, Soda) verdiente das Adjektiv superb, der Hurricane erschien ungemein fruchtig. Dem Gin Tai, sehr süß und lecker, hätte indes gestoßenes Eis vielleicht zu etwas mehr Kühle verholfen. Und dann kam nach Ansicht der compañera der Inbegriff des alkoholfreien Cocktails: Der Sex, Sex and Sun (Erdbeere, Minzblatt, Zitrone, Mandel, Ananassaft, Orangensaft, Pfirsichsaft) schmeckte ihr so gut, dass sie ihn noch mal orderte. Es war das erste Mal in zwölf Jahren Thekentanz, dass sich die compañera derart in einen virgin drink verguckte.

Ach ja, Charlottenburg. Ein Stückchen Weltkulturerbe, bien parfumée, aus dem alten West-Berlin. Frank Jansen

Florita, Grolmanstraße 56, Charlottenburg, Tel.: 31 80 07 98, täglich ab 18 Uhr

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