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© Mike Wolff

Flughäfen: Aufwind für Südost

Am Flughafen BBI wird kräftig gebaut – Investoren aus aller Welt bitten schon um Landeerlaubnis. Für den Norden Berlins könnte es negative Auswirkungen geben.

Langsam wird es ernst. "Die Erfahrung zeigt, dass drei Jahre vor Eröffnung eines Flughafens die Unternehmer sich für eine Ansiedlung interessieren“, sagt Birgit Steindorf. Der Airport Berlin Brandenburg International (BBI) soll offiziell im Herbst 2011 eröffnen. Trotz aller Unkenrufe, dass der Großflughafen nicht rechtzeitig fertig werde, sei eines sicher: "Er kommt.“ Und allein dies locke Investoren an. Steindorf leitet das Ansiedlungsbüro in Sichtweite des Flughafens für Berlin Partner und die Zukunftsagentur Brandenburg – die Wirtschaftsförderungen beider Länder. Sie und ihr Team sind die ersten, die mit Investoren reden, ihnen Karten und Daten zeigen und bei Bedarf mit ihnen Grundstücke besichtigen.

Noch seien es vor allem die Projektentwickler und Immobilienmakler, die sich informieren. "Wir haben noch keinen, der hier einen Betrieb errichtet und Arbeitsplätze schafft“, sagt Steindorf. Aber der wird kommen, da sind sich alle sicher.

Verwaiste Flächen sind wieder gefragt

Für Manuela Damianakis, Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, ist BBI „eine Jobmaschine, die auf die ganze Stadt ausstrahlt“. Einen Beschäftigungseffekt von rund 73 000 Jobs erwartet Berlin durch den Flughafenausbau. "Der Südosten wird einer der größten Entwicklungsräume in den kommenden Jahrzehnten“ sagt sie.

Die Berliner Flughafen GmbH bereitet große Flächen für Investoren vor. Mitte des Jahres soll der erste Bauabschnitt des 109 Hektar großen BBI Business Parks beginnen. Von dort wird der Bau- und Wirtschaftsboom weitergehen, das haben Gutachten anderer Flughafenstandorte gezeigt. „Es bildet sich typischerweise ein Airportkorridor“, sagt Steindorf. Schon jetzt entstehen mit Adlershof, Schöneweide oder Mediaspree Knotenpunkte.

Ein wichtiges Element ist die Autobahn A113, deren letzter Bauabschnitt am 23. Mai eröffnet wird. Er schließt die letzte Lücke zwischen Innenstadt und BBI. Die A113 verläuft durch Treptow-Köpenick bis zum Autobahndreieck Neukölln. Im Bezirk wird sie herbeigesehnt. "Die Staus der Vergangenheit gibt es dann nicht mehr“, sagt Rainer Hölmer (SPD), Stadtrat für Stadtentwicklung. Der Verkehr vom Großflughafen wird um die Wohnsiedlungen herum geführt.

BBI wird langsam greifbar, das merkt auch Hölmer. "Die Nachfrage nach Flächen ist gestiegen. Auch nach solchen, um die Investoren vor fünf Jahren einen großen Bogen gemacht haben.“ Befördert habe die Entwicklung das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Leipzig 2006, das grünes Licht für BBI gab. Und auch das gescheiterte Volksbegehren für Tempelhof gibt potenziellen Investoren Sicherheit.

Die erste Ausfahrt der A113 nach BBI führt zur Wissenschafts- und Technologie-Stadt Adlershof. Die Lage in Flughafennähe macht den Standort attraktiv. "Das Interesse ist gewaltig. Wir haben erheblich mehr Anfragen von potenziellen Investoren“, sagt Peter Strunk, Sprecher der Wista Management GmbH. Etwa 60 Hektar Fläche stehen zur Verfügung. Auch Oberschöneweide, Industriestandort mit einst 25.000 Arbeitsplätzen und nach der Wende Problemgebiet mit hoher Arbeitslosigkeit, kann profitieren. "Wenn sich die erhofften Unternehmen ansiedeln, wird es interessant“, glaubt Gisela Hüttinger von der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und hofft auf Synergien. Die FHTW wird dort ab dem Wintersemester 2009/10 mit 6000 Studenten ihren größten Standort haben.

Logistikbetriebe werden wohl aus dem Norden wegziehen

Weiter nordwestlich werden ebenfalls hohe Erwartungen an BBI gestellt. In Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte entstehen am Spreeufer riesige Gewerbe- und Büroflächen. "Das wird interessant für viele Unternehmen, die auf den Flughafen angewiesen sind, aber innenstadtnah sein wollen“, sagt Christian Meyer vom Investorenzusammenschluss Mediaspree. Gutachter des Flughafens waren schon mehrmals bei ihm, um sich die Flächen anzusehen. Der Erfolg des Südostens hat jedoch eine Kehrseite. "Müggelheim oder Bohnsdorf beispielsweise werden durch Emissionen massiv belastet“, sagt Hölmer.

Negative Auswirkungen wird es auch im Norden Berlins geben. "Die flughafenaffinen Unternehmen werden wegziehen“, heißt es aus der Stadtentwicklungsverwaltung. Vor allem Logistiker könnten die Nähe zu BBI suchen. "Da gibt es wie auch bei Hotels, Tagungsstätten und im Kongressbereich ein hohes Interesse“, hat Jürgen Michael Schick vom Immobilienverband Deutschland beobachtet. Die Unternehmen reagieren noch gelassen. Contag stellt in Spandau Prototypen von Leiterplatten her. In Tegel sind die Kunden und Mitarbeiter in 20 Minuten. "Es ist ein Nachteil für uns, wenn Tegel 2012 schließt“, sagt ein Sprecher. "Aber Kunden werden deswegen nicht lange überlegen.“ Die Wohnlagen im Norden könnten profitieren, wenn über den Kurt-Schumacher-Damm oder die Residenzstraße keine Flieger mehr rauschen. "Darauf spekulieren einige Hauskäufer“, berichtet Schick.

Durch Direktflüge ab BBI verkürzt sich die Zeit nach Asien um eine Stunde. "Das gibt Berlin ganz andere Tourismusmöglichkeiten. So kann die Stadt Kaufkraft abschöpfen“, sagt Birgit Steindorf. Die soll möglichst auch in Treptow-Köpenick bleiben, hofft man dort. Früher galt der Südosten bei den Berlinern als "janz weit draußen“, sagt Wista-Sprecher Strunk. „Jetzt wird er zum neuen Entrée in die Stadt.“ Janz nah dran, sozusagen.

Matthias Jekosch

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