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Erste Schritte auf der Karriereleiter. „Feuerwehrfrau – wie geht das?“, heißt es bei der Berliner Feuerwehr, die erneut 25 Schülerinnen in die Wache Marzahn einlädt.

© Uwe Steinert

Girls’ und Boys’ Day: Rollentausch für einen Tag

Der Girls’ Day soll Mädchen für neue Berufe sensibilisieren. Die Betriebe spüren das wenig. In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es seit drei Jahren auch einen Boys’ Day.

Zehn Jahre Girls’ Day sind noch lange nicht genug. Unter diesem Motto hat Frauen- und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) zum Girls’ Day aufgerufen. Dieser geht am 22. April in seine zehnte Ausgabe und bietet in Berlin 470 Veranstaltungen mit knapp 10 000 Plätzen für Schülerinnen ab Klasse fünf an. Am Donnerstag können sie in Berufe aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Bereich hineinschnuppern, beispielsweise in eine Autowerkstatt, in Ingenieurbüros oder eine Internetfirma. Der Girls’ Day soll den Anteil von Frauen in männerdominierten Berufen erhöhen und so zur Gleichberechtigung beitragen.

Aber schafft die Aktion das wirklich? „Die bundesweite Auswertung hat ergeben, dass etwa jeder zehnte teilnehmende Betrieb schon Frauen übernommen hat, die sich am Girls’ Day beteiligt haben“, sagt Almut Borggrefe von der gemeinnützigen Organisation Life e. V., die im Auftrag des Senats den Girls’ Day in Berlin koordiniert. „Wir haben die Zahl der teilnehmenden Schulen in den vergangenen vier Jahren von 200 auf 300 steigern können“, sagt sie. Die Zahl der Betriebe sei relativ konstant, „die meisten wissen, dass sie einen langen Atem brauchen“, sagt Borggrefe.

Die Kreuzberger Internetagentur Cosmoblonde macht zum zweiten Mal mit. 2009 seien zwei Schülerinnen dabei gewesen, die sie sich als Praktikantinnen gut hätte vorstellen können, sagt Geschäftsführerin Anjana Muschenich. Aber das habe sich dann nicht ergeben. „Jugendliche werden heutzutage mit so vielen Horroszenarien darüber, was alles nicht geht, konfrontiert. Wir wollen den Schülerinnen zeigen, dass auch viele Dinge möglich sind“, sagt die Geschäftsführerin. Sechs Schülerinnen werden in ihrem Betrieb nachforschen, was über sie im Internet zu finden ist. Damit will Muschenich die Mädchen auch dafür sensibilisieren, was sie im „Medium, das nichts vergisst“, online über sich preisgeben. „Und es ist eine schöne Art, Jugendliche, mit denen wir sonst nur über Internet zu tun haben, mal live kennenzulernen“, sagt sie. Auch zwei Jungen aus der 7. Klasse wollen Cosmoblonde besuchen. „Ich fand es mutig, dass sie angerufen haben, um sich anzumelden“, sagt die Geschäftsführerin, die sich auch einen Aktionstag für ältere Schüler vorstellen kann.

Auf Tuchfühlung mit Technik. Bei Siemens gibt es „Experimentierboxen“ für technisch interessierte Schülerinnen.
Auf Tuchfühlung mit Technik. Bei Siemens gibt es „Experimentierboxen“ für technisch interessierte Schülerinnen.

© promo

Siemens, mit rund 12 500 Beschäftigten der größte Industriebetrieb der Stadt, beteiligt sich seit Jahren am Girls’ Day. Jungen möchte Koordinator Norbert Giesen nicht dabeihaben, sie würden die Gruppendynamik stören. Siemens will langfristig seine Frauenquote erhöhen. Diesmal wurden neben 117 Grundschülerinnen auch Schülerinnen der Abiturjahrgänge angesprochen, um eine Frauenklasse im Bachelorstudiengang für Ingenieure in Elektrosystemtechnik zu bilden. Diesen „Bachelor of Engineering in Electronic Systems“ bietet Berlins größter Industriebetrieb in Kooperationen mit Fachhochschulen an. „Wir rechnen damit, dass wir durch Mund-zu-MundPropaganda über den Girls’ Day bekannt werden“, sagt Giesen.

Während allein der Bereich IT beim Berliner Girls’ Day 1400 Plätze bietet, fehlen Koordinatorin Borggrefe genügend Handwerksbetriebe. „Da müssen wir uns etwas einfallen lassen“, sagt sie. Das sieht auch Katharina Schumann so. Für die Leiterin des Referates Bildungsberatung in der Handwerkskammer Berlin ist es zehn Jahre nach der Einführung des Girls’ Day an der Zeit für neue Ideen. „Das Erlebnis steht für sich allein“, kritisiert sie. Betriebe würden außerdem bemängeln, ältere Schülerinnen sähen die Aktion vor allem als freien Tag mit Ausflugsprogramm. Außerdem wüssten Schulen oft nicht, was sie an diesem Tag mit den Jungen machen sollten.

Auf diese Frage hat Charlottenburg-Wilmersdorf seit drei Jahren eine Antwort: den Boys’ Day. Der Aktionstag, der parallel zum Girls’ Day stattfindet, soll Jungen Einblicke in von Frauen dominierte Berufsfelder gewähren. Dafür besuchen sie Kitas, Seniorenheime oder Buchhandlungen. Das bedeutet für den Sozialarbeiter Heiko Rolfes, der im Auftrag des Bezirks den Tag organisatorisch stemmt, eine gewaltige Anstrengung, wie er sagt. „Wir müssen Plätze organisieren und Schulen ins Boot holen“, sagt er. Oft hänge die Mitarbeit einer Schule daran, ob sich ein Lehrer oder Sozialarbeiter finde, der die Organisation übernehme.

Im dritten Jahr des Boys’ Day hat Rolfes einen festen Stamm von rund 40 Betrieben und Einrichtungen, die mehr als 200 Plätze für Schüler bieten. Für Rolfes besteht der Sinn vor allem darin, dass Jungen über ihren Horizont schauen. Es sei schon ein „Wahnsinnsschritt“, wenn ein 13-Jähriger bei einem Betrieb anrufe, um sich anzumelden. „Das mündet nicht unbedingt in einen konkreten Berufswunsch, aber es macht den Kopf frei für andere Dinge“, sagt Rolfes, der sich mehr Anbieter und vor allem eine landesweite Initiative für Jungen wünscht. Da der von ihm organisierte Boys’ Day auf Bezirksebene stattfindet, kann er keine Schüler aus anderen Stadtteilen aufnehmen.

Zu den Häusern, die beim Boys’ Day mitmachen, zählt der Lette-Verein. „Wir legen großen Wert darauf, spezifische Rollenverständnisse zu durchbrechen“, sagt die Öffentlichkeitsbeauftragte Christine Hoffmann. Daher können Schülerinnen im Berufsausbildungszentrum die Abteilungen Metallografie, Chemie-Biologie, Elektronik und Datentechnik besuchen und mit hochauflösenden Mikroskopen oder in Laboratorien experimentieren. Gleichzeitig werden drei Gruppen von Jungen in der hauswirtschaftlichen Berufsfachschule kochen. „Trotz begeisterten Gebrauchs der Teilnehmerinnen von unseren Angeboten gab es bisher in der Folge keine Bewerbungen um eine Ausbildung im Hause. Allerdings sind die Schüler oft noch recht jung und nicht in der unmittelbaren Orientierungsphase angekommen“, sagt Hoffmann. Vielleicht brauchen die Betriebe langen Atem, wie Almut Borggrefe sagt. Nach den Kochkursen im Lette-Verein haben einige Jungen im Vorjahr jedenfalls angekündigt: „Wir kommen wieder!“

Informationen online:

www.girlsday-berlin.de

www.boysday-berlin.de

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