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Berliner Wirtschaft: Gründerzeit in Deutschland – Berlin hinkt hinterher

In Hildesheim kommen junge Firmen am besten voran, zeigt eine Studie. Die Hauptstadt erreicht Platz 17 – ihr fehlt Nachhaltigkeit

Berlin - In Berlin machen sich zwar relativ viele Menschen selbstständig – an die in anderen Regionen erreichte Qualität und Beständigkeit reichen die Gründungen aber oft nicht heran. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hannover, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. 97 Regionen hat die Hochschule im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft dafür miteinander verglichen. Überraschungssieger der Untersuchung: die Stadt Hildesheim. Auf den zweiten Platz kommt Hamburg, gefolgt von der Region Bodensee. Berlin landete auf Platz 17, weit nach Köln (Platz 9) und knapp hinter München (Platz 16). Schlusslicht ist die Region Altmark in Sachsen-Anhalt.

Für die Untersuchung wurden über einen Zeitraum von sieben Jahren mehr als 50 000 Befragungen durchgeführt. Nicht nur die Anzahl der Neugründungen in den jeweiligen Regionen wurden dabei erfragt. Auch die Qualität und die Dynamik der Gründungen spielten eine Rolle: Findet die Gründung aus der Not heraus statt, oder gründet jemand, weil er eine marktfähige Idee hatte? Und wie sieht das Verhältnis zwischen jungen Gründungen zu den bereits etablierten Unternehmen aus?

Im Schnitt, so das Ergebnis der Studie, erreicht die niedersächsische Stadt Hildesheim die besten Bewertungen in all diesen Punkten. Das Erfolgsgeheimnis der Stadt sei, dass es dort eine Wirtschaftsförderung gebe, wie sie anderswo kaum vorzufinden sei, sagte Studienleiter Rolf Sternberg am Mittwoch. Gründungswillige erhielten hier ein optimales Beratungs- und Betreuungskonzept. Zudem würden sie von einem Lotsen der Stadt bei allen erforderlichen Behördengängen unterstützt. „Banken, Ämter und Kammern arbeiten hier so eng zusammen wie sonst nirgendwo in Deutschland“, sagte Sternberg. Im Durchschnitt kommen in Hildesheim 8,8 Neugründer auf 100 Erwachsene.

In Berlin ist das Verhältnis mit etwa 6,2 Neugründungen auf 100 Erwachsene zwar auch einigermaßen hoch (Platz 25). Aber in Stadtstaaten werde generell mehr gegründet, sagte Sternberg. Sehr viel schlechter schneidet Berlin bei der Zahl der Unternehmen ab, die sich schon länger behauptet haben: Rang 73. Ihr bestes Einzelergebnis erzielte die Stadt mit Platz zwölf beim Verhältnis von Neugründungen zu etablierten Unternehmen. Eine mögliche Ursache für das durchwachsene Ergebnis in Berlin ist laut Sternberg eine zu schwache Gründungspolitik des Senats. „Hier könnte viel mehr gemacht werden“, sagte er. „Das vorhandene Bildungs- und Forschungspotenzial mit den großen Universitäten und Forschungseinrichtungen müsste sich ebenfalls viel stärker in Gründungen niederschlagen.“ Städte wie Hamburg oder München agierten in dieser Hinsicht besser, weil sie sich auf ihre Stärken konzentrierten: Hamburg auf seine Kreativwirtschaft, München auf die Hightech-Industrie.

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) wies die Kritik zurück. In Berlin würden Gründer sehr wohl stark unterstützt, sagte er. Wolf äußerte zudem Zweifel an der Repräsentativität der Studie: „Es wäre besser, sich auf langfristige, vergleichbare Daten zu beziehen, wie zum Beispiel auf die Zahl der Gewerbeneuerrichtungen.“ In dieser Kategorie sei Berlin nämlich Spitze.

Klaus Semlinger, Vizepräsident der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW), sagte, dass Berlin zwar bei den Neugründungen recht gut dastehe. „Aber die Masse der Gründungen ist nicht ausschlaggebend, sondern die Nachhaltigkeit.“ In diesem Punkt bestehe noch Nachholbedarf.

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