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Bau

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Insolvenzen: Pleite nach Plan

Eine Insolvenz zum richtigen Zeitpunkt spart Kriminellen Geld – und schadet vielen Betrieben. Im vergangenen Jahr folgte in Berlin auf rund 80 Prozent aller Insolvenzen ein Strafverfahren.

Zuerst läuft alles glatt – der Auftrag kommt, der Auftraggeber zahlt die erste Rate, alles scheint bestens. Am Bau geht es voran. Doch dann kommen die Zahlungen schleppender. Schließlich meint der Bauherr plötzlich, zahllose Mängel festgestellt zu haben, und zahlt gar nicht mehr. Stattdessen meldet er Insolvenz an – praktisch für ihn, fatal für die Handwerker. Sie bleiben auf dem letzten Drittel des Auftragswerts sitzen, manchmal sogar auf der Hälfte. Im schlimmsten Fall kommen sie dadurch selbst finanziell ins Schleudern – ein Riesenproblem für viele Betriebe.

„Pro Jahr haben wir etwa 200 Firmen in Berlin, die aufgrund unberechtigter Zahlungseinbehalte Konkurs anmelden müssen“, sagt der Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, Wolf Burkhard Wenkel. Insgesamt gebe es in Berlin rund 3500 Baubetriebe.

Jeder Fall ist anders, und wenn die Sache raffiniert eingefädelt war, scheitert sogar die Verfolgung durch die Justiz. „Wenn ein System erkennbar wird, erleichtert uns das den Beweis“, sagt Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher, Leiter der Wirtschaftshauptabteilung bei der Berliner Staatsanwaltschaft und fügt ironisch hinzu: „Kluge Leute sorgen deshalb für Abwechslung.“ Bei der Staatsanwaltschaft laufen zum Beispiel mehrere Verfahren gegen Siegfried N., der als Teil eines Firmengeflechts auch am Kauf des kürzlich versteigerten autonomen Kultur- und Wohnprojekts „Köpi“ beteiligt gewesen sein soll. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft haben aber mit der Köpi nichts zu tun, sondern betreffen sechs frühere Bauvorhaben, bei denen jeweils Handwerksfirmen nicht bezahlt wurden, weil rechtzeitig der „Generalübernehmer“ Pleite machte. Wenn hier immer dasselbe Strickmuster zugrunde lag, könnten die Kläger Erfolg haben.

Die übliche Methode ist simpel. „Wenn eine GmbH mangels Vermögen gelöscht wird, gründet man eben eine neue. Das ist kein Problem, solange man als Geschäftsführer nicht strafrechtlich verurteilt ist“, sagt Bernhard Skrodzki, Bereichsleiter Wirtschafts- und Steuerrecht bei der Industrie- und Handelskammer Berlin. Wer sich zusätzlich davor schützen will, mit seinem Privatvermögen zu haften, der setzt einen Fremdgeschäftsführer ein. „Das GmbH-Recht ermöglicht es, die Geschäftsführer persönlich in Anspruch zu nehmen, wenn ihnen die finanziellen Verhältnisse der Firma bekannt sind“, sagt Skrodzki.

Die meisten Probleme gibt es mit Bauträgern, das heißt Firmen, die nicht selbst bauen, sondern in erster Linie Verkäufer sind. Zum Bauen beschäftigen sie Subunternehmer. „Sie behaupten jede Menge Mängel, lassen sich verklagen, und dann gehen alle Türen zu“, sagt Wenkel. Manche drohen den Handwerkern sogar, nach dem Motto: Entweder du gibst dich mit dem Gezahlten zufrieden, oder ich gehe pleite, dann ist bei mir nichts mehr zu holen. Oft müssen die Handwerker dann vor Gericht ziehen. Doch bis zum Prozess sind die Mängel oft kaum noch beweisbar, und der Bauträger meldet womöglich während des Verfahrens Insolvenz an, spätestens danach. Selbst wenn der Handwerker dann gewinnt, sieht er kaum Geld, denn zu vollstrecken ist ja nichts mehr. Vor dem Strafgericht kann der Unternehmer dann behaupten, natürlich habe er zahlen wollen, aber am Bau sei so viel gepfuscht worden, und dann sei eben sein Unternehmen in Schwierigkeiten geraten – Pech, auch für den Staatsanwalt. Für eine Verurteilung wegen Betrugs muss er nachweisen, dass der Angeklagte von Anfang an nicht zahlen wollte. Sonst kommt nur noch Untreue wegen strafbarer Aushöhlung des Betriebsvermögens in Betracht.

Die Berliner Justiz zählte 2006 rund 5600 Insolvenzverfahren für Firmen und Kaufleute. Hier wird jeder eingerechnet, der kaufmännisch oder sonst wie als Arbeitgeber tätig war. In 80 Prozent der Fälle folgte ein Strafverfahren. Das Gros der Fälle ist aber nicht wie die oben beschriebenen von Profitgier geprägt. Oft stehen sogar nachvollziehbare Motive hinter dem strafbaren Handeln. Zum Beispiel wenn eine Branche sich verändert, eine Firma aber nicht Schritt hält. Sind die Probleme dann da, müsste der Chef eigentlich Insolvenz anmelden. Oft will er das nicht wahrhaben. „Das ist psychologisch für viele ein Riesenproblem, denn es heißt, sein Lebenswerk zu zerschlagen und oft auch sein Privatvermögen zu verlieren“, sagt Brocher. Wenn man in der Phase der Insolvenzreife etwas bestelle und es nicht bar bezahle, sei man schon bei einem versuchten Betrug. 22 Tage nach Insolvenzreife gilt jede Bestellung auf Rechnung als Betrug. So entstehen die hohen Fallzahlen. Sehr häufig werden auch die Sozialversicherungsbeiträge für das Personal nicht gezahlt, was ebenfalls strafbar ist. Fast immer hängen die Chefs persönlich in der Haftung. Bittere Erkenntnis: Die Raffinierten mit hoher krimineller Energie sind von der Justiz schwerer zu fassen als die Inhaber kleinerer Betriebe, die mit aller Macht versuchen, ihr Lebenswerk zu retten.

Fatina Keilani

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