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Mediapeers

© Doris Spiekermann-Klaas

Internet-Unternehmen: Neustart im Netz

Mehr als 60 Internet-Unternehmen sind in den vergangenen zwei Jahren in Berlin entstanden. In keiner anderen deutschen Stadt waren es mehr. Die Gründer sind vorsichtiger als beim letzten Boom.

Die Filmindustrie ist bekanntes Terrain für Moritz Viehweger. Bis vor kurzem hat der 36-Jährige bei der Unternehmensberatung McKinsey Medienunternehmen geholfen, sich besser zurecht zufinden. Dabei ist ihm aufgefallen, dass der Handel mit den Rechten an Spielfilmen, Reportagen und Werbeclips ein einträgliches Geschäft ist – und dass er sich zurzeit rasant verändert. Interessenten wollen eine große internationale Auswahl, aber kleine, maßgeschneiderte Pakete: etwa die Rechte für eine begrenzte Zeit und ein bestimmtes Land. So kamen Viehweger und sein Kollege Holger Hendel auf die Idee, eine Internetfirma zu gründen, die genau das anbietet: Mediapeers.com ging im April 2007 online. Mit ein paar Klicks kann nun etwa ein Telekommunikationsunternehmen sein Video-on-demand-Programm erweitern, neulich zum Beispiel mit einem fünfminütigen Fitnessvideo.

Viehwegers Firma ist eins von vielen Berliner Startups, die im vergangenen Jahr auf den Markt drängten. „2007 war das Boomjahr der Dotcom-Neugründungen“, sagt Alexander Hüsing. Seit rund zwei Jahren beobachtet der Medien-Experte die deutsche Internet-Gründerszene und verzeichnet Neugründungen in einer Internet-Datenbank unter www.deutsche-startups.de. 600 Einträge hat er für ganz Deutschland zusammengetragen. Knapp 60 Internet-Startups aus Berlin kamen im vergangenen Jahr hinzu, so viele wie aus keiner anderen deutschen Stadt. Auch auf lange Sicht prognostiziert Hüsing Berlin eine Vorreiterrolle in der deutschen Startup-Szene, obwohl München dabei ist, aufzuholen. Im Süden locken vor allem mögliche Geldgeber aus der Wirtschaft. Überrascht hat Hüsing die Entwicklung in Berlin nicht. Niedrige Büromieten, viele kreative Arbeitswillige und potenzielle Investoren machten Berlin zu einem idealen Standort für junge Gründer, sagt er. Wie viele Menschen in der Branche beschäftigt sind, ist jedoch nicht erfasst.

Längst nicht alle der neu gegründeten Unternehmen würden jedoch auf dem Markt bestehen, sagt Hüsing voraus. „Das liegt in der Natur der Sache. Schon jetzt gibt es viele Konzepte doppelt, von denen sich nicht alle durchsetzen können.“ Rund die Hälfte werde wohl überleben. Obwohl in den vergangenen beiden Jahren wieder besonders viele Unternehmen entstanden seien – ähnliche wie zur Jahrtausendwende –, rechnet Hüsing nicht mit einem erneuten Zusammenbruch der Branche. „Gründer und Investoren sind heute vorsichtiger. Außerdem ist das Internet mittlerweile zum Massenmedium geworden.“ Zwar seien noch immer mehrere Hunderttausend Euro nötig, um Infrastruktur und Personal zu finanzieren, es würden aber „keine riesigen Unternehmen mehr aufgebaut“. In Berlin profitieren die meisten Gründer vor allem von privaten Investoren, die junge Startups mit Geld, aber auch mit Kontakten und Know-how unterstützen. Die finanzielle Hilfe reicht meist bis zu 200 000 Euro. Bankenkredite gebe es für die Newcomer kaum, weiß Hüsing aus Erfahrung: „Viele investieren erst, wenn die Firmen ihren Erfolg bewiesen haben.“ Eine „gereifte Gründerdynamik“ macht auch Katja Kühnel in Berlin aus. Sie beobachtet die Kreativwirtschaft für die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Zu dieser Atmosphäre trügen auch diejenigen bei, die nach dem Ende des letzten Booms arbeitslos wurden: „Viele sind ja noch hier – die machen jetzt weiter“ – als Firmengründer. Wir stellen einige der neuen Unternehmen vor.

MEDIAPEERS

„Man muss niemanden lange überreden, nach Berlin zu kommen“, sagt Mediapeers-Gründer Moritz Viehweger. Zwölf Mitarbeiter beschäftigt die Firma schon. Erst Anfang des Jahres sei ein Software-Entwickler aus Stockholm gekommen. Binnen zwei Wochen fand er eine Wohnung in Berlin. „Das gibt es in anderen europäischen Hauptstädten kaum“, sagt Viehweger. Er und sein Partner Hendel haben für das Unternehmen Büroräume im Palais am Festungsgraben, in der Nähe des Boulevards Unter den Linden, gefunden. Eine so exponierte Lage wäre in München oder Hamburg kaum für Gründer bezahlbar. Nach eigenen Angaben machte das Unternehmen 2007 einen Umsatz von rund 170 000 Euro. 15 Prozent des Kaufbetrags stellt Mediapeers dem Verkäufer von Filmrechten in Rechnung – so finanzieren Viehweger und Hendel das Büro und die Gehälter ihrer Angestellten. Noch sind sie in den roten Zahlen. Und auch die Gründung war nicht gerade einfach. Zunächst konnten sie keinen Investor finden, der an ihre Geschäftsidee glaubte. Banken, die sie um einen Kredit baten, wollten keine Ideen finanzieren, die nicht bereits in Amerika erprobt wurden. Mittlerweile haben Viehweger und Hendel aber zwei Mitbewerber in den USA.

PLAZES

Im Januar 2006 gründeten Felix Petersen und Stefan Kellner die Plazes AG, mittlerweile beschäftigen sie 20 Mitarbeiter. Sie bieten eine Plattform an, über die sich Nutzer austauschen können: Ein „Plaze“ ist ein Ort wie ein Arbeitsplatz oder ein Café, wo sich Menschen abends verabreden. Das, was sie dort machen, also arbeiten oder sich mit Freunden treffen, heißt „Activity“. Beides kann man auf der Webseite www.plazes.com veröffentlichen. Dort sind die per Computer oder Handy eingespeisten Daten gespeichert und für andere sichtbar. Die Software für ihren Internetauftritt programmierten die Betreiber vor der Firmengründung – in ihrer Freizeit. Private Investoren förderten das Startup mit knapp vier Millionen Euro. Noch in diesem Jahr wollen die Plazes-Inhaber mit ihrer Firma Geld verdienen. Wie, verraten die beiden nicht. Es gebe aber „ein paar spannende Konzepte“, sagt Petersen.

AKA-AKI

Aka-Aki ist aus einer Diplomarbeit von fünf Studenten der Universität der Künste entstanden. Die 27-Jährige Anja Kielmann und Gabriel Yoran, 29 Jahre alt, gründeten das Unternehmen im Januar 2007. Hinter dem Phantasienamen verbirgt sich ein Handyprogramm, das Mitglieder über die Bluetooth-Schnittstelle des Telefons miteinander vernetzt. Das Programm meldet, welche registrierten Handys im Umkreis von 20 Metern sich befinden. Über eine Internetverbindung zur Aka-Aki-Datenbank zeigt das Telefon Fotos, gemeinsame Freunde und Nachrichten der Teilnehmer. Zurzeit testen rund 1500 Berliner Aka-Aki. Die Studenten arbeiten noch ohne Bezahlung. Aber das soll sich bald ändern: „Wir loten verschiedene Modelle aus, wie wir künftig mit unserem Portal Geld verdienen können“, sagt Sprecher Roman Hänsler. Von ihrem Erfolg sind sie überzeugt. „Unsere Biografien sind auf Aka-Aki ausgerichtet,“ sagt Hänsler.

BETTERPLACE

Betterplace, im November 2007 gegründet, will via Internet hilfesuchende mit hilfsbereiten Menschen in Verbindung bringen. Auf www.betterplace.org stellen Initiatoren ihre gemeinnützigen Projekte vor und geben an, was sie dafür benötigen. Das können Geld, Sachspenden oder freiwillige Mitarbeit sein. Betterplace gibt 100 Prozent der Spenden an die Bedürftigen weiter. Unternehmen, die auf der Plattform werben, finanzieren die Gehälter der rund ein Dutzend Vollzeitkräfte und die Büromiete. Für solche Investitionen brauche man „einen besonderen Typ Mensch“, sagt der Gründer und Geschäftsführer Till Behnke. Betterplace ist eine gemeinnützige Stiftungs-GmbH und erzielt keine Gewinne.

Christina Kohl

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