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Reichelt

© David Heerde

Öffnungszeiten: Lange Shopping-Nächte

Seit einem Jahr verkauft Reichelt in Wilmersdorf 24 Stunden. Späte Geschäfte lohnen sich auch andernorts.

An den fünf geöffneten Supermarktkassen haben sich lange Warteschlangen gebildet, aber der junge Mann, der am Sonnabend kurz vor 23 Uhr gerade eine sechste Kasse aufmacht, sagt: „Eigentlich ist es heute relativ ruhig.“ Für Reichelt lohnt sich der Spätverkauf an der Berliner Straße in Wilmersdorf. Junge Leute holen Getränke für Partys, Familienväter und Mütter legen Lebensmittel und Haushaltswaren in die Einkaufswagen. Vor einem Jahr wurde die Filiale zum ersten rund um die Uhr geöffneten Supermarkt Berlins. Aber auch andernorts in der Stadt haben sich Einkaufsmöglichkeiten zu nachtschlafender Zeit eingebürgert.

In der Lankwitzer Siemensstraße öffnet Reichelt seit Oktober 2007 ebenfalls durchgehend. Nur die Sonntagsruhe bleibt gewahrt, sonnabends ab 23 Uhr bis montags um 8 Uhr pausieren beide Märkte. In Lankwitz war der Andrang am vorigen Sonnabend geringer als in Wilmersdorf, doch sahen sich gegen 22.30 Uhr noch immer mehr als 50 Kunden zwischen den langen Regalreihen um.

„Es läuft sehr gut, die umsatzstärksten Tage sind natürlich Freitag und Sonnabend“, sagt Frank-Rainer Kaul, Geschäftsführer der zu Edeka gehörenden „E Reichelt“-Gruppe. Das Einkaufsverhalten zu später Stunde sei inzwischen fast wie tagsüber. Den „Tankstellenkunden“, der nur Getränke, Snacks oder Zigaretten sucht, gebe es kaum noch.

Verlängerte Verkaufszeiten gibt es in vielen Supermärkten. Fast alle Reichelt-Filialen bedienen mindestens bis 22 Uhr; nur in manchen Einkaufszentren schließen sie mit den anderen Läden um 20 oder 21 Uhr. Kaiser’s verkauft in 20 Filialen bis Mitternacht. Im Hauptbahnhof öffnet Kaiser’s wie alle Geschäfte dort werktags bis 23 Uhr – und zusätzlich am Sonntag bis 22 Uhr. Penny verkauft in den meisten seiner 60 Filialen bis 22 Uhr. Aldi, Lidl und Plus machen überwiegend schon um 20 Uhr zu.

„Die Unternehmen haben sich Zeit gelassen, die Chancen auszuloten“, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Das Ergebnis seien „maßvolle“ Ausdehnungen der Verkaufszeit, der Einkauf rund um die Uhr bleibe die Ausnahme. Dass sich nächtliche Öffnungszeiten zumindest in günstigen Stadtlagen lohnen können, bezweifelt Busch-Petersen nicht: „Das macht keiner nur aus Prestigegründen. Dafür sind die Margen im Lebensmittelhandel zu klein und der Wettbewerbsdruck zu hoch.“

Spätverkaufsstellen haben vor allem in den östlichen Bezirken eine Tradition, die bis in DDR-Zeiten zurückreicht. In Prenzlauer Berg und Friedrichshain etwa bieten kleinere Läden außerhalb der üblichen Geschäftszeiten Lebensmittel und Alltagsbedarf an. Aber auch in den West-Bezirken gibt es immer mehr ähnliche Geschäfte.

Am Kurfürstendamm nahe dem Adenauerplatz und in Spandau in der Umgebung der Altstadt betreibt Toni Celik seit eineinhalb Jahren die durchgehend offenen „GP Märkte“. Vor allem Sonntage seien „sehr umsatzstark“, sagt der Chef der Familienbetriebe. Was Preise und Sortiment betrifft, sieht er seine Geschäfte „zwischen Tankstellenshops und Supermärkten“. Er biete „von allem etwas“, aber nur wenig Auswahl: „Bei uns gibt es eben nur eine Sorte Joghurt.“

70 Prozent des Umsatzes machen Celiks Läden zwischen 20 und 7 Uhr. Jetzt will er expandieren und „spätestens in sechs Wochen“ einen Laden an der Friedrichstraße eröffnen. Drei weitere sollen bis Jahresende folgen.

Abgesehen vom Lebensmitteleinzelhandel gibt es Spätöffnungen vor allem in Centern, Kaufhäusern und Bahnhöfen. Unter den Warenhäusern führt das Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße, das seine Kunden werktags bis 24 Uhr bedient. Im KaDeWe ist an den meisten Tagen um 20 Uhr Schluss, nur freitags verkauft es bis 21 Uhr. Die Potsdamer-Platz-Arkaden öffnen werktags bis 21 Uhr, das Alexa am Alexanderplatz bis 22 Uhr. Im größten Berliner Center, den Gropius-Passagen in Neukölln, dauert die Öffnungszeit montags bis freitags bis 20 Uhr, sonnabends aber bis Mitternacht.

In der Friedrichstraße haben sich alle Anlieger auf einheitliche Öffnungszeiten bis 20 Uhr geeinigt. Und die großen Häuser rund um die Tauentzienstraße haben sich freitags auf 21 Uhr verständigt. Bei der „Langen Nacht des Shoppings“ öffnen viele Läden in der City-West zwei Mal jährlich bis 24 Uhr. Ob die Shoppingnacht weiterhin stattfindet, wird laut Veranstalter Tommy Erbe aber erst im August bis September feststehen. Zuletzt war die Zahl beteiligter Geschäfte gesunken.

Nils Busch-Petersen vom Handelsverband ärgert sich derweil darüber, dass Bahnhofsläden an jedem Sonntag verkaufen. „Die Bahn bricht ständig das Recht.“ Eigentlich ist sonntags nur der Verkauf von Reisebedarf erlaubt, aber im Hauptbahnhof zum Beispiel geht das Angebot weit darüber hinaus. „Mich stört nicht, dass die Läden dort öffnen dürfen, sondern, dass andere es nicht dürfen“, stellt Busch-Petersen klar. Er vermisst die „Wettbewerbsgleichheit“.

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