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Berliner Wirtschaft: Platz für die Sonne

Die Solaranlagen-Hersteller expandieren und planen neue Werke – nur die Stadt ist ein schlechter Kunde

Berlin gilt als einer der weltweit führenden Standorte in der Solartechnik – und besonders die östlichen Bezirke wirken wie ein Magnet auf die Branche: Der führende Modulhersteller, die Solon AG, wird bald ein neues Werk und die Firmenzentrale am Rande des Forschungsparks Adlershof fertigstellen. Nur ein paar Gehminuten weiter will der Dünnschicht-Modulhersteller Sulfurcell ein Werk errichten, nachdem das von Berliner Forschern gegründete Unternehmen im Juli 85 Millionen Euro frisches Kapital aus den USA und England erhielt. Und die Inventux Technologies AG übernahm Ende 2007 eine Halle des Schienenfahrzeugherstellers Bombardier in Marzahn, um eine große Produktionsanlage einzurichten.

Die Boombranche findet gerade an ostdeutschen Standorten, die von der klassischen Industrie aufgegeben wurden, optimale Bedingungen: Heute werden 81 Prozent aller deutschen Solarmodule in den neuen Bundesländern produziert. Berlin und Brandenburg liegen mit 35 Prozent der Produktion an der Spitze. 4000 Menschen aus der Region arbeiten in diesem Sektor, rund 1000 davon innerhalb Berlins.

Dass Unternehmen sich im Stadtgebiet ansiedeln und nicht im Speckgürtel, liegt an der Universitäts- und Forschungslandschaft, den im Vergleich zu anderen Metropolen niedrigen Mieten und Grundstückskosten sowie der guten Verkehrsinfrastruktur, heißt es in der aktuellen Studie „Das Technologiefeld Energie in Berlin-Brandenburg“. Außerdem habe die Stadt eine „hohe Attraktivität für die benötigten hochqualifizierten Fachkräfte“, schreibt Autor Sebastian Vogel.

Ist Berlin also die „Solar-Hauptstadt“, wie Stadtentwicklungspolitiker vor Jahren träumten? „Nein, und die Stadt wird es auch vorerst nicht werden“, sagt selbst Solon-Chef Thomas Krupke. 1000 Arbeitsplätze seien, gemessen an der Gesamtbevölkerung, nicht viel.

Außerdem wurden laut der Studie auch Fehler gemacht: Weit weniger erfolgreich als andere östliche Bundesländer waren hiesige Standortpolitiker darin, EU-Förderprogramme zur Firmenansiedlung zu nutzen. Berliner Solarunternehmen bewerteten die Ansiedlungspolitik anderer Länder in einer Umfrage für die Untersuchung als „stärker zielgerichtet und unbürokratischer“. Mittlerweile habe sich die Situation aber „stark verbessert“, räumt Verfasser Vogel ein. Die in jüngster Zeit angesiedelten Unternehmen hätten die Begleitung durch die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner, die Senatsverwaltungen und die Investitionsbank Berlin (IBB) durchweg als „hervorragend“ empfunden.

Die Branche hängt am Tropf der Steuerzahler: Jede Kilowattstunde wird zum Festpreis ins Netz eingespeist. Das fördert die Installation von Anlagen und damit indirekt auch die Hersteller. Im Juni wurde die Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verlängert – gegen Widerstände aus dem politisch konservativen Lager.

Auch Berlin schießt Geld in die Branche – in der Hoffnung, dass sie sich einmal selber trägt. „Die Solarindustrie gehört zu den Wachstumsbereichen der Zukunft. Es wird davon ausgegangen, dass der Markt jährlich bis zu 20 Prozent wachsen kann. Angesichts des Klimawandels sind die Erwartungen an die Branche der erneuerbaren Energien enorm“, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke).

Erste Solarforscheradresse in Berlin ist das Hahn-Meitner-Institut, das vor kurzem mit der Berliner Elektronenspeicherring – Gesellschaft für Synchrotronstrahlung (BESSY) zum „Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH“ fusionierte. Dort bündeln sich Forschungskapazitäten der Dünnschicht-Technologie. Bei diesen Modulen kann zwar, im Gegensatz zur klassischen Wafer-Technik, derzeit nur ein geringerer Teil der Sonne direkt in Strom umgewandelt werden. Dafür sind Dünnschicht-Module flexibler einsetzbar und preisgünstiger.

Ein Paradebeispiel für den Transfer von der Forschung in die Wirtschaft ist das Unternehmen Sulfurcell, das von ehemaligen Hahn-Meitner-Mitarbeitern gegründet wurde. Solche Start-ups gibt es aber noch zu selten – obwohl das Helmholtz-Zentrum mit Hauptsitz in Wannsee auch 70 Mitarbeiter in Adlershof beschäftigt. „Der Vorteil dieses Standortes ist, dass die jungen Forscher gleich auf der anderen Straßenseite ihre potenziellen Arbeitgeber sehen“, sagt Klaus Lips, stellvertretender Abteilungsleiter des Zentrums.

Damit noch mehr Forscher ihren Weg nach Berlin und später auf die andere Straßenseite in die Unternehmen finden, kooperieren das Helmholtz-Zentrum, die TU und acht Firmen beim Aufbau eines „Kompetenzzentrums Dünnschicht- und Nanotechnologie“, das vom Bund und dem Land Berlin gefördert wird. Der aus den Niederlanden stammende Geschäftsführer Rutger Schlatman schwärmt von der „großartigen Konzentration von Wissen und Technologie“ in der Stadt. Im Sommer 2009 soll das Zentrum in Adlershof seinen Betrieb voll aufnehmen.

Neben Berlin gilt übrigens auch Frankfurt (Oder) als Zentrum der Photovoltaikindustrie in der Region; 2007 siedelten sich dort Firmen wie Conergy, First Solar und Odersun an. Heute beginnen zudem Bauarbeiten für einen öffentlich zugänglichen „Solarerlebnispark“: Komponenten von Solaranlagen verschiedener Hersteller sollen ab Jahresende auf dem Freigelände getestet und verglichen werden.

Zum Thema „Liegt die Zukunft in der Sonne? Innovationen in der (Berliner) Solarwirtschaft“ veranstalten die Berliner Wirtschaftsgespräche am 8. September um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Experten aus der Industrie und Forschung im Gasag-Haus am Reichpietschufer 60 (Eintritt frei, Anmeldung: www.bwg-ev.net).

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