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© Doris Spiekermann-Klaas

Sounddesign: Die Berliner Tonangeber

Bahlsen schlägt auf Kekse, um den Klang des Bröselns zu ergründen. Produkte verkaufen sich besser, wenn sie angenehm klingen. Die führenden Sounddesigner sitzen in Berlin

Man denkt, da kommt gleich Champagner rausgesprudelt. In hohem Bogen, so laut knallt es beim Öffnen der Flasche. Dabei hält Jan Dietrich bloß eine normale Bierflasche in seiner Hand. Der Klang ist ein Trick, offensichtlich. Bis jetzt zeigt Dietrich den nur Freunden und Geschäftspartnern. Aber ab 2009 kann jeder sein Bier trinken und gleichzeitig Champagner hören – ein großes Brauereiunternehmen will die Technik nutzen. Dann laufen in der Stunde 50 000 „Champagnerflaschen“ vom Band.

„Produkte müssen nicht nur gut aussehen, sondern auch angenehm klingen“, sagt Jan Dietrich. Und weil immer mehr Unternehmen so denken wie er, floriert sein Geschäft. Vor drei Jahren hat er mit seinem Kollegen Angelo D’Angelico die Firma Acoustic Consult gegründet. In der Wöhlertstraße in Mitte haben sie ihr Büro plus Tonstudio. Welchen Unternehmen die beiden helfen, verraten sie nicht, viele Kunden wollen das nicht. Aber das Ziel ist immer das selbe: Möglichst hochwertig soll das Produkt klingen – und am besten unverwechselbar. „Alleinstellungsmerkmal“ heißt das in der Fachsprache. So wie die Pappverpackung für Vogelfutter, die Jan Dietrich erfunden hat. Drückt man drauf, kommt ein Zwitschern raus. Und das nur, weil die Packung an der richtigen Stelle ein Loch mit einem Flötenmechanismus hat. Auch der Bierflaschentrick ist simpel: Die Sounddesigner haben einfach eine dünne, luftdichte Folie über den Flaschenkopf gespannt. Wenn der Konsument nun den Kronkorken abmacht, entlädt sich der Druck aus der Flasche, drei Bar sind es, und bringt die Folie zum Platzen. „Produkte sind wie Musikinstrumente“, sagt Angelo D’Angelico. „Man muss sie bloß so einstellen, dass sie gut klingen.“

Als Erste haben das die Autohersteller begriffen. „Schon seit Ende der achtziger Jahre designen wir den Klang von jedem einzelnen Schalter“, sagt Daniel Schmidt, Sprecher von BMW. „Das Fahrgefühl wird für uns nicht nur durch die Technik selbst geprägt, sondern auch durch die sinnliche Erfahrung“. Deshalb wird nicht nur auf einen beeindruckenden Motorensound geachtet, sondern auch auf die Geräusche von Türen, Scheibenwischern und Handbremse. Der Keksfabrikant Bahlsen führt Testreihen durch, bei denen mit Gewichten auf Gebäck eingeschlagen wird – um herauszufinden, wie Kekse noch knuspriger zerbröseln könnten. Und die Hersteller von Babynahrung achten darauf, dass ihre Gläschen beim erstmaligen Öffnen möglichst schön ploppen. Nicht, weil das technisch heute noch nötig wäre, sondern weil Eltern glauben, das Geräusch garantiere einen frischen Inhalt. „Das steckt so in einem drin“, sagt D’Angelico. „Auch ich würde meine Tochter niemals aus einem geräuschlosen Glas füttern.“

Nicht nur Produkte werden mit Klang in Verbindung gebracht, sondern auch Marken und Unternehmen. Manchmal sind es nur ein paar Töne, manchmal eine ganze Melodie oder eine markante Stimme. „Sound-Branding“ heißt das. In Deutschland ist auf diesem Gebiet die Firma Metadesign mit Sitz in der Leibnizstraße führend. Carl-Frank Westermann, Kreativdirektor der Sound-Abteilung, hat sich mit seinen zwölf Mitarbeitern in den letzten sechs Jahren Klänge für die ganz Großen in Deutschland ausgedacht: Allianz, Audi, Siemens, Lufthansa. „Für die Firmen ist eine einheitliche Linie wichtig“, sagt er. „Wer im Fernsehspot ,Für Elise‘ spielt und in seiner Telefonwarteschleife Robbie Williams, macht auf jeden Fall etwas falsch.“ Ein Sound-Branding zu erstellen, dauert etwa sechs Monate. Zu Beginn gibt es ein Treffen, bei dem sich Westermann und sein jeweiliger Auftraggeber überlegen, nach was das Unternehmen überhaupt klingen soll. „Bei Lufthansa etwa ging es nicht unbedingt darum, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.“ Da habe die Firma keinen Nachholbedarf gehabt. „Wir wollten eher Einfühlsamkeit transportieren.“ Manche Klänge werden so häufig eingesetzt, dass sie unwiderruflich einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden, sagt Westermann. Zum Beispiel die kurze Tonfolge der Telekom, dieses knappe Dingellingelling. „Das hat die Telekom sehr, sehr clever gemacht.“

Carl-Frank Westermann kennt sich mit Musik aus, er war mal Keyboarder bei der Punkband Fehlfarben. Aber er ist auch Diplomkaufmann. Er weiß, dass es in seiner Branche noch viel zu verdienen gibt: Manche Unternehmen hätten noch gar nicht angefangen, sich um ein Klangimage zu kümmern, sagt er. Viele Modefirmen zum Beispiel. Sein Wissen gibt Westermann inzwischen an der Universität der Künste weiter – als Dozent des Studiengangs „Sound Studies“. Auch Angelo D’Angelico von Acoustic Consult sieht seine Branche noch am Anfang. „Es gibt so viele Produkte, bei denen sich eine Verbesserung des Klangs geradezu aufdrängt.“ Sein Lieblingsbeispiel: die Bohrer beim Zahnarzt. Technisch gesehen müssten die nicht so übel klingen. Bei ersten Gesprächen konnte D’Angelico die Herstellerfirmen nicht überzeugen. Aber da kannten sie ja auch die Champagner-Bierflasche noch nicht.

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