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Soziales Engagement: Mit gutem Gewissen

Renovieren im Jugendzentrum, mithelfen auf dem Kinderbauernhof: In keinem anderen Bundesland ist Unternehmern soziales Engagement so wichtig wie in Berlin. Das kann auch das Betriebsklima verbessern.

Es begann mit einem Gang auf die Toilette. Matthias Frankenstein war bei einer Veranstaltung im Jugendzentrum „Schlesische 27“ in Kreuzberg, bei der Spenden für die Einrichtung gesammelt werden sollten. „Die sanitären Anlagen waren in desolatem Zustand“, sagt Frankenstein, Geschäftsführender Gesellschafter des Haustechnikunternehmens Mercedöl, das 140 Mitarbeiter beschäftigt. Einige von ihnen schickte er im Jugendzentrum vorbei: Sie renovierten die Waschräume gratis.„Ich wollte nicht einfach einen Scheck ausstellen, sondern, dass unsere Mitarbeiter persönlich Hand anlegen.“ Vor vier Jahren geschah das zum ersten Mal, die Firma bekam sogar einen Preis für ihr Engagement: Die Franz-von-Mendelssohn-Medaille, die IHK und Handwerkskammer jedes Jahr an Unternehmen verleihen, die wirtschaftlichen Erfolg und ehrenamtliches Engagement in Einklang bringen.

10 000 Euro Preisgeld aus privaten Mitteln der beiden Kammerpräsidenten gibt es für die besten drei Betriebe, davon 5000 Euro für den Sieger. Dieses Geld nutzte Frankenstein, um sich weiter zu engagieren: Er stiftete einen Preis, der jährlich an den besten Auszubildenden zum Anlagenmechatroniker vergeben wird. Inzwischen hat er weitere Sponsoren mit ins Boot geholt, sodass der Gewinner jetzt erstmals auch noch eine Meisterausbildung bezahlt bekommt. Außerdem realisiert die Firma jedes Jahr ein Gratisprojekt wie im Kreuzberger Jugendzentrum. In diesem Jahr haben sie eine neue Heizungsanlage in einem Jugendheim eingebaut. „Auch kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich der sozialen Verantwortung stellen“, sagt Frankenstein. „Man kann auch mit kleinen Dingen helfen, etwa einfach einen tropfenden Wasserhahn reparieren.“

Im Vergleich mit anderen Bundesländern ist Berliner Unternehmen soziales Engagement besonders wichtig. Das ergab vor zwei Jahren eine bundesweite Studie, für die 500 Firmen befragt wurde. „Corporate Social Responsibility (CSR)“ heißt der Fachbegriff, wenn sich Betriebe ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden. 165 000 Euro pro Jahr geben Berliner Firmen im Schnitt dafür aus, so viel wie in keinem anderen Bundesland. „Der Bedarf an passenden Projekten ist riesig“, sagt Christina Haupt von der Stiftung Gute-Tat.de. Dort vermittelt man Einsatzorte für soziales Engagement an Einzelpersonen und Firmen. Außerdem organisiert man so „Ehrenamtstage“ und einmal jährlich einen „Gute-Tat-Marktplatz“, wo Unternehmen und gemeinnützigen sozialen Organisationen aufeinandertreffen.

„Immer mehr Firmen werden sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst“, sagt Christina Haupt. „Das liegt auch am Fachkräftemangel. Qualifiziertes Personal kann sich den Arbeitgeber aussuchen und guckt auch, ob das soziale Klima stimmt und wie das Unternehmen in der Öffentlichkeit auftritt.“ Die Liste der Unternehmen, die den Service von Gute-tat.de nutzen, ist lang. Coca Cola, MTV und die Bahn sind dabei, aber auch mittelständische Firmen wie „Best Media 4 Berlin“, die das Branchenbuch „Gelbe Seiten“ herausgibt. Der Verlag spendete für jedes verteilte Buch eine Sekunde Zeit für ehrenamtliches Engagement der Mitarbeiter. Mehr als 200 Stunden kamen zusammen. 432000 Sekunden davon lösten sie jetzt mit 20 Leuten ein: Gute-Tat.de hatte ihnen den Jugendclub „Zwergenhöhle“ in Rummelsburg vermittelt, der dringend einen neuen Anstrich brauchte. An einem Sonnabend wurden Redaktionsmitarbeiter, Geschäftsführer, Azubis und die Marketingassistentin Silke Stenner zu Malern für einen Tag. Dafür dürfen sie sich später einen Tag frei nehmen. „Es war ein tolles Gefühl, als alles fertig war und die Jugendlichen sich riesig gefreut haben“, sagt Stenner.

Auf eine Verbesserung des Betriebsklimas durch soziales Engagement setzt auch die Commerzbank Berlin: Bei einem Ehrenamtstag bauten Mitarbeiter im vorigen Jahr auf dem Kinderbauernhof Waslala einen Ziegenstall und einen Zaun und deckten das Dach eines Holzschuppens neu. Die Commerzbank bezahlte das Material. Prokuristin Anke Mehrholz hat mitgewerkelt und ist noch immer voller Begeisterung: „Was wir da geschafft haben! Man gibt etwas und bekommt gleichzeitig so viel zurück für das Team – ganz ohne Spielereien von einem Motivationstrainer.“ Besonders gut gefällt ihr, dass man einen Tag lang etwas ganz anderes macht als im Arbeitsalltag. Und dass sich die Hierarchien auflösen, wenn Chefs und Auszubildende gemeinsam werkeln.

Und weil sie nicht die Einzige ist, die begeistert von dem Ehrenamtstag war, gibt es in diesem Jahr wieder einen. Am 31. August wollen 150 Commerzbank-Mitarbeiter im Botanischen Garten Unkraut zupfen, Teiche säubern und Parkbänke erneuern – und damit all jene Arbeiten erledigen, die die Gärtner sonst nicht schaffen. Beim Ehrenamtstag gehe es auch um „das Zusammenwachsen der Teams aus Commerzbank und Dresdner Bank auf eine ganz besondere und intensive Art“, sagt Hans-Kornel Krings, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Commerzbank im Gebiet Berlin.

Für Matthias Frankenstein von der Haustechnikfirma Mercedöl ist soziales Engagement eine Selbstverständlichkeit, er verfolgt damit keine wirtschaftliche Strategie. Trotzdem sagt er: „Unser Betriebsklima ist deutlich besser als früher, auch, weil die Mitarbeiter stolz auf das Unternehmen sind.“ Und neulich habe ein Kunde ihn wegen des sozialen Engagements sogar einem günstigeren Anbieter vorgezogen. Noch jemand, dessen Gewissen sich regte.

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