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Zusammenarbeit: Profitables Wissen

Unternehmen arbeiten immer öfter mit den Hochschulen zusammen – und erobern damit neue Märkte. Viele Firmen wissen allerdings nicht, an wen sie sich wenden können.

Regelmäßig trieb eine Einbrecherbande vor drei Jahren in Kaiser’s-Supermärkten ihr Unwesen – und die Alarmanlagen halfen wenig, weil die Täter blitzschnell waren. Dann aber installierte die Sicherheitsfirma Sidag GmbH ihr gemeinsam mit der Technischen Fachhochschule (TFH) entwickeltes Einbruchschutzsystem, das nach einer automatischen Warnansage Reizgas versprüht. „Ein getroffener Täter konnte nicht mehr flüchten – so wurde die Bande gefasst“, sagt Sidag-Chef Karl–Heinz Dräger. Heute seien „alle frei stehenden Kaiser’s-Märkte“, die nicht in Centern liegen, mit der patentierten Technik ausgestattet. „Die Zusammenarbeit mit der TFH hat uns sehr geholfen“, lobt Dräger.

Das Beispiel zeigt, wie der Wissenstransfer zwischen Firmen und Forschern neue Marktchancen eröffnen kann. Maschinenbauer der TFH halfen bei technischen Fragen, eine andere Abteilung beriet die Firma mit sechs Mitarbeitern beim Marken- und Plagiatschutz. Nun will Dräger ein Tränengassystem entwickeln, mit dem Polizisten in Fußballstadien gezielt auf Sitzreihen mit Hooligans zielen können. Den Großteil der Kosten trägt die Innovationsagentur der Technologiestiftung (TSB) Berlin, seinen Eigenanteil nennt Dräger „erträglich“.

Berlin habe beim Wissenstransfer „Nachholbedarf“, sagt die IHK-Expertin Marion Haß. In einer Umfrage beklagten Firmen „mangelnde Transparenz“. Es sei oft nicht leicht, Ansprechpartner zu finden. Dies habe sich aber schon verbessert, sagt Marion Haß – nicht zuletzt durch das Projekt „Wissens- und Technologietransfer“, das die Wirtschaftsverwaltung und die Technologiestiftung 2007 gestartet hatten. Fachveranstaltungen wenden sich an kleine und mittlere Betriebe. „In Berlin haben ja nur wenige Konzerne ihre Zentrale“, sagt Haß. Am besten funktioniere die Kooperation bei „räumlicher Nähe“ wie in den Technologieparks Adlershof, Buch und Dahlem.

Technologietransfer sei „Klinkenputzen, die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringen und Vertrauen für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen schaffen“, sagt Adolf Kopp, Geschäftsführer der TSB Innovationsagentur Berlin. Vor kurzem startete diese das „Transfercafé“ (www.transfercafe.de) im Internet. Unternehmer können um Rat bitten, und Wissenschaftler antworten kostenlos im Forum oder persönlich per E-Mail.

Mehr Wissensaustausch strebt auch Berlins Südwesten an: Die Steglitz-Zehlendorfer Wirtschaftsstadträtin Barbara Loth (SPD) will im September einen Standortmarketingverein gründen, zu dessen Zielen eine Vernetzung der Gesundheitswirtschaft („Life Sciences“) gehört. An der Vorbereitung nahmen Vertreter der FU und der Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung (BAM) teil.

Denn in Zehlendorf haben sich bereits Life-Science-Firmen angesiedelt. An der Goerzallee etwa stellt die aus der Charité ausgegründete Firma Auto-Tissue Herzklappen her. Laut Wilhelm Erdbrügger, Leiter der Forschung und Entwicklung, dauert die Kooperation mit der Charité an: „Chirurgen machen Qualitätskontrollen für uns, und wir übernehmen zum Teil Forschungsaufträge.“

An der Humboldt-Uni organisiert der Jurist Dirk Radzinski den Transfer von Wissen und Technologie in der Tochtergesellschaft Humboldt-Innovation GmbH. 2007 bekam die HU mehr als 200 Aufträge aus der Wirtschaft und stellte zwischen 30 und 300 000 Euro in Rechnung. Physiker helfen Firmen aus der Industrietechnik, Charité-Mediziner beraten Pharmaunternehmen. Ein Lebensmittelkonzern beauftragte die HU für mehrere hunderttausend Euro, bei konserviertem Gemüse möglichst viel vom frischen Grün zu erhalten. Zwei Biologen widmeten sich zwei Jahre lang dem Problem und entwickelten Verfahren, bei denen der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll erhalten bleibt.

Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft hat ein Existenzgründerzentrum und forschte 2007 in 35 Projekten für die Wirtschaft. Die TFH Berlin startete das Projekt „Exzellenztandem – Fachkräfte für den Mittelstand“: Professoren betreuen Studenten, die in Firmen mitarbeiten, und bilden Beschäftigte der Firmen weiter. Die FU hat einen „Bioclub“, in dem sich Forscher der Physik, Biologie, Chemie, Medizin und weiterer Bereiche mit Industrievertretern treffen. Hinzu kommt die Gründerförderung „profund“, die Absolventen berät und Räume in „Gründerhäusern“ bereitstellt.

Die besten Kooperationen zeichnet die Technologiestiftung im Oktober mit dem Transferpreis „WissensWerte“ aus. Bewerbungen sind noch bis zum 15. August möglich (www.transferpreis.de).

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