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Cornelia Yzer (51) ist seit drei Wochen Berlins Wirtschaftsenatorin.

© Thilo Rückeis

Berlins neue Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer: „Ich will die Dinge beschleunigen“

Berlins neue Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer spricht in ihrem ersten großen Tagesspiegel-Interview über ihre Vergangenheit als Lobbyistin, die lokale Start-up-Szene und Potenziale und Probleme der Stadt.

Frau Yzer, was befähigt Sie für das Amt der Wirtschaftssenatorin?

Ich habe einige Erfahrungen in Wirtschaft und Politik und schon in unterschiedlichen Funktionen bewiesen, dass ich Neues auf den Weg bringen und erfolgreich umsetzen kann. Deswegen habe ich das Angebot von CDU-Chef Henkel angenommen, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung zu werden – auf diesen Dreiklang lege ich besonders Wert, weil er das Potenzial der Stadt ausdrückt. Ich bin immer dann besonders gut, wenn es um Veränderungsprozesse geht.

Welche Veränderungsprozesse stehen an?
Wir müssen noch einiges tun, um Berlins Entwicklung zum Industriestandort voranzubringen. Wir brauchen mehr Dienstleister und mehr Hightech-Unternehmen. Hier möchte ich die Initiative ergreifen. Was auf den Weg gebracht wurde, werde ich auf den Prüfstand stellen. Ich will die Dinge beschleunigen. Technologieförderung und Standortwerbung müssen besser funktionieren. Die ersten zwei Wochen im Amt habe ich damit verbracht, die Akteure der Stadt, in Verbänden, Kammern und Unternehmen, bei Gesprächen kennenzulernen – reden macht schlau! – und mit den Mitarbeitern des Hauses die Masterpläne zu durchforsten. Meine Kernfrage lautet dabei immer: Gibt es für diese Masterpläne, die ja nur ein Hilfsinstrument sind und kein Selbstzweck, messbare Erfolge?

Liegt zu viel Papier auf dem Tisch? Sind es zu viele Initiativen und Cluster?
Wir müssen die Wirtschaftsförderung in Berlin ganz klar fokussieren. Unternehmen, die bei uns expandieren wollen oder neu in die Stadt kommen, empfinden Berlin häufig als einen Regulierungsdschungel. Dagegen müssen wir etwas tun.

Gerade mit Blick auf die Industrie ist doch in den vergangenen Jahren viel passiert.
Ja. Aber nach der Wiedervereinigung hatten wir zunächst einen schmerzhaften Strukturwandel. In der Industrie sind 200 000 von 300 000 Arbeitsplätzen abgebaut worden. 2006 waren 100 000 übrig geblieben, heute sind es wieder 106 000. Die Industrie hat sich in Berlin auf eine neue Basis gestellt, das sind moderne Arbeitsplätze. Nur: Es reicht nicht. Wenn wir dauerhaftes Wachstum wollen, müssen wir nachlegen.

Berlin hat nicht die Fördertöpfe, über die etwa die neuen Länder verfügen.
Auch wir haben Förderprogramme. Doch es geht nicht nur um Geld. Wir bieten eine enge Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, gerade im Technologiesektor. Da gibt es gewaltiges Potenzial. Weitgehend bekannt ist das in der Gesundheitsbranche, Stichworte Charité und Max-Delbrück-Zentrum. Aber auch in anderen Feldern kann es mehr Kooperationen geben. Das Helmholtz-Zentrum etwa ist eine starke Einrichtung der Energieforschung. Die Industrie von morgen ist technologiegetrieben, und da hat Berlin viel zu bieten.

Sie haben Gesundheit und Energie angesprochen, das sind zwei der fünf Cluster, auf die Berlin setzt. Sind fünf zu viele?
Das kann ich noch nicht sagen. Strukturen sollte man zwar nicht täglich ändern, aber nicht jedes einmal geschaffene Cluster ist in Stein gemeißelt. Erste Masterpläne gehen jetzt, nach fünf Jahren, in die Evaluierungsphase. Wir brauchen aber Indikatoren, die mindestens jährlich über den Erfolg Aufschluss geben.

Potenzial in der Start-up-Szene

Nächste Woche steht im Gesundheitscluster eine Evaluierungskonferenz an. Was ist Ihr Eindruck? Sie kennen die Branche gut.
Die Erfolge sind nicht zu bestreiten, Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt gerade hier in der Region. Ich bezweifle aber, ob alle Maßnahmen zielgerichtet waren. Das ist aus dem Evaluierungsbericht kaum abzulesen. Wir brauchen auch hier eine Fokussierung. Dafür will ich die Clusterkonferenz nutzen, damit wir hier Schwerpunkte entwickeln. Es gilt, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen und Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Ich habe Erfahrungen mit solchen Themen in Politik und Wirtschaft, ich habe auf beiden Seiten gesessen, Politik und Wirtschaft.

Gerade ist viel von der Start-up-Szene die Rede. Wie nachhaltig ist dieser Boom?
Ich sehe vor allem das Potenzial. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass den jungen Unternehmen organisches Wachstum ermöglicht wird. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Weil es so viele Start-ups sind, bietet das auch Chancen der Vernetzung, die es woanders nicht gibt.

Welche Rahmenbedingungen meinen Sie?
Es ist kein Geheimnis, dass die Doppelstruktur der Berliner Verwaltung für viele Unternehmen ein Problem ist. Ich werde vermehrt das Gespräch mit den Wirtschaftsstadträten der Bezirke suchen. Wir haben gemeinsame Interessen und dürfen Unternehmen nicht an den Schnittstellen zwischen Land und Bezirk ausbremsen.

Wie ist der aktuelle Stand bei der Messe Berlin? Im Streit über die künftige Führung der Messe war Ihre Vorgängerin gestürzt.
Ich bin zuständige Fachsenatorin, aber derzeit noch nicht im Aufsichtsrat der Messe. Trotzdem habe ich dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe erklärt, dass wir das bisherige Ausschreibungsverfahren als nicht konform mit dem Landesgleichstellungsgesetz sehen. Wir erwarten nun von ihm einen Vorschlag für ein rechtlich einwandfreies Verfahren.

Und wie sieht es auf der anderen Baustelle aus, dem Fusionsvorhaben von Technologiestiftung und Berlin Partner?
Ich habe erste Gespräche geführt und mir ein Bild gemacht. Jetzt müssen wir die Ziele, den Prozess und die Zeitachse definieren. Bislang gibt es dafür keinen Masterplan. Ich war schon überrascht, wie wenig Konkretes ich vorgefunden habe.

Die deutsche Wirtschaft wächst laut Bundesregierung 2013 vermutlich nur um ein Prozent. Was erwarten Sie für Berlin?
Wir sind sehr optimistisch wegen der Ansiedlungen, der vielen neuen Firmen und der steigenden Produktivität. Deshalb erwarten wir in diesem Jahr eine Wachstumsrate von 1,4 Prozent. Und auch für 2013 sind wir optimistisch, den Bundesdurchschnitt zu übertreffen. Das hängt auch damit zusammen, dass Berliner Firmen überdurchschnittlich viel in die BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China – und eher wenig nach Südeuropa exportieren.

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