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Wirtschaft: Berlins Peripherie leidet unter der Hauptstadt

Studie: Vor allem junge Menschen kehren Brandenburg den Rücken / Dienstleistungen einziger Wachstumssektor BERLIN.Wirtschaftlicher Strukturwandel, Arbeitsplatzabbau, Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung: Dies sind Probleme, mit denen das Berliner Umland auch in den kommenden Jahren kämpfen wird.

Studie: Vor allem junge Menschen kehren Brandenburg den Rücken / Dienstleistungen einziger Wachstumssektor BERLIN.Wirtschaftlicher Strukturwandel, Arbeitsplatzabbau, Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung: Dies sind Probleme, mit denen das Berliner Umland auch in den kommenden Jahren kämpfen wird.Eine vom Tagesspiegel mit herausgegebene Studie der Prognos GmbH zum Thema "Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg" bewertet die Entwicklungschancen des brandenburgischen Hinterlands eher verhalten.Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung spielt sich vor allem im engeren Verflechtungsraum zwischen der Hauptstadt und ihrem Umland ab, so die Studie.Von einem wirtschaftlichen Aufschwung wird daher hauptsächlich der sogenannte "Speckgürtel" rund um Berlin profitieren, also jene 275 Städte und Gemeinden, die eng genug mit dem Ballungsraum verflochten sind. Nach dem Leitbild der "Dezentralen Konzentration" der Landesplanung sollten in Brandenburg Entwicklungsschwerpunkte gesetzt werden, um das starke Wachstum nur im Speckgürtel zu verhindern."Die Realität zeigt jedoch, daß die wirtschaftlichen Kräfte über die Planungsabsichten dominieren", so die Prognos-Statistiker.Der Großraum Berlin wächst also weiter in das Brandenburger Umland hinaus.Diese Entwicklung wird sich in absehbarer Zeit fortsetzen und mittelfristig für Brandenburg eine "sehr ungleichgewichtige Entwicklung der einzelnen Landesteile weiter verstärken, wenn dem nicht aktiv gegengesteuert wird", warnt Prognos. Besonders in den ländlich geprägten und monostrukturierten Landkreisen Brandenburgs machen sich die negativen ökonomischen und sozialen Folgen der Umstrukturierung der Wirtschaft nach der Wende bemerkbar.Die Landkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Uckermark im Norden Berlins leiden immer noch stark unter der Auflösung der industriellen Landwirtschaft aus DDR-Zeiten.Der Kreis Uckermark besitzt mit 63,3 Prozent den größten Anteil landwirtschaftlicher Flächen in Brandenburg und hat auch die höchste Arbeitslosenquote (1996: 22,2 Prozent).Insgesamt ist die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft in Brandenburg seit 1991 um 70 Prozent zurückgegangen.Inzwischen scheint dieser Abbau zwar gestoppt, so die Prognos-Studie, doch können die fehlenden Arbeitsplätze nicht durch die anderen Bereiche aufgefangen werden.In den Landkreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz schlägt sich zudem der Rückgang des Braunkohletagebaus negativ nieder.Die Beschäftigungsentwicklung verläuft hier mit einem Rückgang der Erwerbstätigen bis zum Jahr 2010 um sechs Prozent (Elbe-Elster) auf 49 200 (1995: 52 400) und vier Prozent auf 57 500 (Oberspreewald-Lausitz) deutlich ungünstiger als auf Landesebene (minus 3,4 Prozent).Die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt wird im Land Brandenburg bis 2010 weiter auf 1,2 Millionen zurückgehen.1991 arbeiteten dagegen noch 1,5 Millionen Menschen in Brandenburg. Im Produzierenden Gewerbe wurde laut Studie zwar nun eine Konsolidierungsphase erreicht.Die Beschäftigtenzahl wird hier im Jahr 2010 aber auf 75 Prozent des Niveaus von 1991 zurückfallen.Im Dienstleistungssektor, dem einzigen Wachstumsbereich der Brandenburger Wirtschaft, ist Prognos zufolge dagegen eine Steigerung auf 180 Prozent des Basisjahres 1991 zu erwarten.Dabei müsse man allerdings das niedrige Ausgangsniveau bedenken, mit dem der Brandenburger Dienstleistungssektor gestartet sei.Zwischen 1995 und 2010 werden hier rund 38 000 neue Arbeitsplätze entstehen.Damit können die im Produzierenden Bereich wegfallenden Stellen in etwa ausgeglichen werden.Die Gesamtbilanz der Erwerbstätigkeit bleibt jedoch negativ. Als Folge der wirtschaftlichen Probleme wandert die Bevölkerung aus dem Brandenburger Hinterland ab.193 000 Brandenburger werden im Jahr 2010 nach Berlin gezogen sein.Die Zuwanderer kommen dabei überwiegend nicht aus dem direkten Umland Berlins, sondern aus den peripheren Räumen des Landes Brandenburg.Dadurch werden die Probleme der Bevölkerungsentleerung in der Peripherie und der Bevölkerungskonzentration im Berliner Umland weiter verschärft, so Prognos.Massive Bevölkerungsverluste werden bis zum Jahr 2010 vor allem die Landkreise Prignitz, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster und Uckermark hinnehmen müssen. Die Kreise, deren Bevölkerung aufgrund hoher Wanderungsgewinne ansteigen wird, sind Potsdam-Mittelmark, Havelland, Barnim, Oberhavel, Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming, Märkisch-Oderland und Oder-Spree.Die Bevölkerungszunahme wird sich allerdings nicht gleichmäßig über das gesamte Kreisgebiet verteilen.Auch hier werden nur nahe genug an Berlin liegende Gemeinden deutliche Wanderungsgewinne verzeichnen können, so die Prognos-Studie.Im engeren Verflechtungsraum Berlins werden im Jahr 2010 mehr als 1,05 Millionen Menschen leben (1990: 785 076). Die Bevölkerung in Brandenburg wird durch die Wanderungsbewegungen und die natürliche Bevölkerungsentwicklung in den kommenden Jahren zudem einen Alterungsprozeß durchmachen.Diese Entwicklung können auch die 400 000 Berliner - vor allem junge Familien mit Kindern - die bis zum Jahr 2010 im Zuge der Stadt-Umland-Wanderung Richtung Brandenburg ziehen, nur leicht mildern.Denn bereits 1990 starben in Brandenburg mehr Menschen als geboren wurden.1993 hatte die Geburtenrate bedingt durch die wirtschaftlichen Ängste nach der Wiedervereinigung mit 4,8 Lebendgeborenen auf 1000 Einwohner, einen Tiefstand erreicht.1996 Übertrafen die Sterbefälle die Geburten bereits um rund 13 000.Dieser negative Saldo wird im Land Brandenburg bis 2010 auf über 19 000 ansteigen, sagen die Statistiker voraus.Der Anteil der unter 20jährigen wird überproportional stark zurückgehen, während im Gegenzug die Altergruppe der über 65jährigen spürbar wächst.Doch die Konsequenzen dieser demographischen Veränderungen insbesondere für die ländlichen Regionen werden von Politik und Verwaltung "noch nicht einmal ansatzweise wahrgenommen", stellt Prognos in der Wirtschaftsstudie fest.FRIEDERIKE STORZ Die Studie "Wirtschaftregion Berlin-Brandenburg - Daten, Analysen und Prognosen" kann unter dem Stichwort "Wirtschaftsregion" beim Tagesspiegel, Postfach 30 43 39 in 10723 Berlin oder unter der Faxnummer 030 / 26009-332 bestellt werden.Das Buch kostet 75.-DM (zzgl.Mwst.und Versand).

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