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Tegel: Heute Flughafen - morgen "Zukunftsort"?

© Berlins Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe

"Zukunftsorte": Berlin will seine Forschungs- und Industrieparks vernetzen

Berlins Forschungs- und Entwicklungsstandorte arbeiten zu sehr nebeneinander her. Der Senat will das ändern. Viel Geld gibt es dafür aber nicht.

Aufzählen, was in Berlin alles nicht klappt, ist ein Volkssport. Weniger unterhaltsam – und bekannt – ist, was in Berlin alles sehr gut funktioniert: So zählt die Hauptstadt zu den herausragend starken Forschungs- und Entwicklungsstandorten Europas. Einige Wissenschaftler und Unternehmer erbringen hier Weltklasse-Leistungen, die man am Ende in Industrieprodukten oder Anwendungen wiederfindet.

Die Arbeit und die Vernetzung der Sphären Wissenschaft und Wirtschaft konzentriert sich in Berlin im wesentlichen auf sieben Orte: darunter sind der Campus Charlottenburg rund um die Technische Universität (TU Berlin), der Medizin-Standort Buch in Pankow am nordöstlichen Stadtrand und die „Mutter aller Forschungs- und Technologieparks“: Adlershof im Südosten.

Diese Standorte kooperieren in Einzelfällen, konkurrieren aber auch miteinander – um Aufmerksamkeit der Politik und das Geld von Investoren. Für private Geldgeber oder Forschungverbände, die sich in Berlin niederlassen wollen, ist es zugleich schwer, einen Überblick über diese Innovationslandschaft zu bekommen. Hochglanzbroschüren hat der Senat herausgegeben, darin werden Orte auch hübsch präsentiert. Als Entscheidungshilfe taugen sie aber nicht wirklich. Und auf Fachmessen sah man schon den Stand der CleanTech Business Park Marzahn neben dem aus Adlershof. Diese Konkurrenz belebt kein Geschäft.

Zukunftsorte - ein Plan im Koalitionsvertrag

Vor einem Jahr hat die rot-rot-grüne Koalition in ihren Vertrag (Seite 90) erklärt, dass das besser werden soll. Dort wurde formuliert, dass man diese Zentren gemeinsam als „Zukunftsorte“ vermarkten wolle. (Hier lesen sie Zahlen und Fakten zu allen zehn definierten Standorten). Die Idee ist noch älter. Es gab auch zwei Ausschreibungen, ohne, dass jemand sich erfolgreich um die Aufgabe beworben hätte. Ein Grund dürfte die knappe finanzielle Ausstattung sein und der Umstand, dass der Senat, wie ein Kritiker behauptet, den Bewerbern kaum Spielraum bei der Ausgestaltung gelassen hat.

Im dritten Anlauf hat die Wista-Management GmbH, die Betreibergesellschaft des Technologieparks Berlin Adlershof, den Zuschlag erhalten. Konkret wird ein Büro mit zwei Personen besetzt und bei der Technologiestiftung Berlin (TSB) in der Grunewaldstraße in Schöneberg einziehen. Zunächst führen Wista-Chef Roland Sillmann und Peter Strunk, langjähriger Kommunikationschef des Technologieparkbetreibers, das Büro im Nebenjob. Zwei Vollzeit-Ansprechpartner für Berlins „Zukunftsorte“ werden nun per Ausschreibung gesucht. Insgesamt ist die Finanzierung für drei Jahre, bis Ende September 2020, gesichert. In der Summe gibt es 600.000 Euro für das Projekt, 150.000 davon kommen aus dem laufenden Haushalt, 450.000 Euro aus dem Topf der GRW-Mittel (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“).

Die Orte im Schatten von Adlershof sollen "sichtbarer" werden

„Die Berliner Zukunftsorte sind regionale Entwicklungsschwerpunkte, die Leuchtturmfunktion für das gesamte Stadtgebiet übernehmen. Die Geschäftsstelle wird dafür ein wichtiger Impulsgeber sein“, sagt Henner Bunde (CDU), Staatssekretär bei Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Neben Adlershof verfügten auch die anderen Zukunftsorte über ein Wachstumspotenzial, „das nicht nur gefördert, sondern vor allem noch sichtbarer werden muss.“ Bunde nennt als Beispiel den Standort Schöneweide im Bezirk Treptow-Köpenick einen „ungeschliffenen Edelstein“.

Das Spree-Ufer in Schöneweide.
Das Spree-Ufer in Schöneweide.

© Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe

„Definieren, profilieren, vernetzen, vermarkten“: So fasst der kommissarische Leiter des „Zukunftsorte“-Büros, Wista-Chef Sillmann, die Aufgabe zusammen. Es sei ein großer Vertrauensbeweis, aber auch eine große Herausforderung. Zugleich verweist er darauf, dass seine Wista bereits fünf dieser Orte organisatorisch betreut.

Und neue sollen ja dazukommen: das FUBIC im Gebäude des ehemaligen US-Militärkrankenhauses in Dahlem als Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion smarter Lösungen in der Gesundheitswirtschaft. Und der Flughafen Tegel – als Produktions- und Referenzstandort für „urbane Technologien“. Aber bekanntermaßen muss die Zukunft von TXL nach dem Volksentscheid im September vom Senat neu verhandelt werden.

Wista-Management-Chef Roland Sillmann führte einest selbst eine Solar-Firma im CleanTech Business Park Marzahn. Jetzt führt er kommissarisch auch das Büro der "Zukunftsorte".
Wista-Management-Chef Roland Sillmann führte einest selbst eine Solar-Firma im CleanTech Business Park Marzahn. Jetzt führt er kommissarisch auch das Büro der "Zukunftsorte".

© Wista GmbH (promo)

Die Idee springt zu kurz, sagt die CDU

In der Opposition hat man keine Einwände gegen Vernetzung und Vermarktung der Standorte oder gegen eine bessere Zusammenarbeit mit den Bezirken. „Allerdings springt das Konzept zu kurz und es ist nicht ersichtlich, warum das jetzt die Wista machen soll – und nicht Berlin Partner zum Beispiel“, sagt Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Es sei zunehmend unklar, welche Aufgaben der Senat der Standortfördergesellschaft im Ludwig-Erhard-Haus der IHK mit mehr als 200 Mitarbeitern hat – „und wie diese messbarer werden“, meint Gräff. Er bedauere zudem, dass sich der Senat allein auf Forschungsstandorte und Start-ups konzentriert – und klassisch wertschöpfende Unternehmen hier weitgehend ignoriert.

Viele Unternehmen, die teils seit vielen Jahrzehnten in Berlin etabliert sind, haben sich zu Unternehmensnetzwerken zusammengeschlossen, die nicht unter dieses Dach passen, obwohl auch hier teilweise innovativ gewirtschaftet wird. „Ich kann nicht einschätzen, ob bisher die Vermarktung der Engpass war“, sagt Ulrich Misgeld, 1. Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Motzener Straße in Marienfelde. Wichtig sei es, die Infrastruktur der Gebiete zu analysieren, Investitionsmittel bereitzustellen und den traditionellen Industriegebieten die gleiche Aufmerksamkeit entgegenzubringen, wie den neuen Standorten.

„Das gilt auch für das derzeit ausgelastete Industriegebiet Motzener Straße“, betont Misgeld. Man haben in einer aktuellen Studie Wachstumsflächen von rund 50 Hektar identifiziert. „Bei Realisierung unserer Vorschläge zur weiteren Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere der Schienenanbindung, wäre die Vermarktung der zusätzlichen Flächen ein Selbstläufer“, meint Misgeld.

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