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Wirtschaft: Berlusconi erlässt eine Lex Parmalat

Regierung verabschiedet Sonderverordnung zur Rettung großer Unternehmen / Bilanzskandal weitet sich aus

Mailand (ruf). Die italienische Regierung hat sich zu einer Rettung des vom Konkurs bedrohten Lebensmittelherstellers Parmalat entschlossen. Wie die Regierung am Dienstag mitteilte, wird sie die EUKommission auffordern, die EU-Beihilferegeln für den Milchsektor zu lockern. Gleichzeitig brachte Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein Dekret auf den Weg für Unternehmen mit über 1000 Angestellten und mit Schulden von mehr als einer Milliarde Euro. Das Dekret sieht vor, dass die Regierung im Insolvenzfall von Großunternehmen einen Sonderkommissar ernennt, der einen Sanierungsplan beim Industrieministerium vorlegen soll. „Der Sonderkommissar“, erklärte Industrieminister Antonio Marzano, wird Unternehmensführungsaufgaben übernehmen und so eine für den Betrieb wichtige Kontinuität in der Führung gewährleisten.“ Im Übereinstimmung mit dem Industriminister wird der Sonderkommissar darüber hinaus Teile des Unternehmens verkaufen .

Im Fall Parmalat wurde der neue Vorstandschef Enrico Bondi als Sonderkommissar ernannt. Brüssel reagierte zurückhaltend auf das Dekret: „Wir laden die italienische Regierung ein, die Kommission über die genauen Anwendungsmodalitäten des Dekrets und über eventuelle steuerliche Vorteile für betroffene Konzerne zu informieren“, hieß es von Seiten der Wettbewerbskommission.

Auch das Management des mit zehn Milliarden Euro verschuldeten Konzerns, gegen den wegen Bilanzfälschung ermittelt wird, versucht zu retten, was zu retten ist. Der Verwaltungsrat des Konzerns wollte noch am Dienstagabend einen Insolvenzantrag auf den Weg bringen. Das Ziel des Sanierers und Parmalat-Chefs Enrico Bondi: Er will den Kollaps von Italiens größter Nahrungsmittelgruppe aufhalten und sich für zwei Jahre mit Gläubigerschutz vor den Forderungen seiner Geldgeber absichern.

Worauf es der Regierung jetzt ankommt: Sie will die bis zu einen Monat dauernden Fristen für das Zustandekommen des Gläubigerschutzes drastisch reduzieren, um aufgebrachten Gläubigern keine Zeit für unerwünschte Konkursanträge zu lassen. Die Zeit drängt: Die Aktien des Unternehmens stürzten in den vergangenen Tagen ins Bodenlose und wurden am Dienstag vom Börsenhandel ausgesetzt. Seitdem Mailänder Ermittler erklärten, bei Parmalat seien schon seit 1988 systematisch Bilanzen geschönt worden, kann über das tatsächliche Ausmaß der Affäre nur spekuliert werden.

Der Kreis der Manager, gegen die die Staatsanwaltschaften in Mailand und Parma ermitteln, wird unterdessen immer größer. Ermittelt wird jetzt auch gegen Calisto Tanzi, den langjährigen Parmalat-Chef, der das Unternehmen vor mehr als 40 Jahren gründete. Er hatte jahrelang mehr als 50 Prozent der Gesellschaft kontrolliert und gilt als der Hauptverantwortliche für den Bilanzschwindel. Erst am Montag wurde Tanzi von seinem langjährigen Finanzchef, Fausto Tonna, bei Aussagen schwer belastet. Als Tonna von Mailänder Ermittlern nach seiner Rolle innerhalb des Konzerns befragt wurde, antwortete er nur lapidar: „Die Bilanzfälschung war nicht meine Idee.“ Für die Ermittler ein wichtiger Hinweis – vermutlich war es der langjährige Konzernchef Tanzi selbst, der die Bilanzfälschungen bei Parmalat eingefädelt hatte. Immerhin geht es um rund vier Milliarden Euro. Diese Summe, so hatte Parmalat bis vor einigen Tagen behauptet, soll angeblich von der in der Karibik beheimateten Finanztochter Bonlat bei der Bank of America hinterlegt worden sein. Die Aussagen der Italiener über ihre angebliche Liquididät fielen vor drei Tagen wie ein Kartenhaus zusammen als die US-Bank entsprechende Dokumente als Fälschung bezeichnete. Wie die Bank mitteilte, seien mit Hilfe eines Scanners Dokumente gefälscht worden, um den mit der Bilanz-Revision beauftragten Prüfern eine Liquidität vorzulegen, die nie existiert hatte. Gestern erstattete auch die Bank of America Anzeige gegen Parmalat.

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