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Wirtschaft: Bertelsmann beendet Vorstoß ins Internet

Verkauf des Online-Buchhändlers BOL an Amazon im Gespräch/Neuer Vorstand prüft Online-Strategie

Berlin (mot). Der neue Bertelsmann-Vorstand bricht nach dem Abgang von Thomas Middelhoff die Internet-Expansion des Medienkonzerns ab. Betroffen von der strategischen Neuausrichtung, die Vorstandschef Gunter Thielen vorantreibt, sind das in der Direct-Group gebündelte Online-Buchgeschäft und die Musiktauschbörse Napster. Medienberichten zufolge stehen der Verkauf des Internetbuchhändlers BOL an den Marktführer Amazon bevor und der Kauf der Napster-Vermögenswerte auf der Kippe.

Direct-Group-Sprecher Gerd Koslowski wollte den möglichen Verkauf des defizitären BOL-Geschäfts am Montag weder dementieren noch bestätigen. „Marktgerüchte dieser Art kommentieren wir grundsätzlich nicht“, sagte er. Auch Amazon, der größte Internethändler der Welt, wollte sich zu den Spekulationen nicht äußern. Insidern zufolge sind die Diskussionen im Bertelsmann-Vorstand aber schon weit fortgeschritten. „Für alle nicht zum unmittelbaren Stammgeschäft gehörenden Aktivitäten – erfolgreich wie sie sind – prüfen wir gegenwärtig alle strategischen Optionen“, sagte Koslowski. Die Direct-Group konzentriere sich darauf, auf der Grundlage zukunftsfähiger Geschäftsmodelle in den Kerngeschäften und -märkten (Europa, Amerika, Asien) als Gruppe möglichst rasch profitabel zu werden. Gunter Thielen und Egon Walgenbach, seit kurzem Chef der Direct-Group, hatten nach dem Wechsel an der Konzernspitze klar gemacht, dass alle Geschäftsbereiche genau auf Profitabilität und Rendite überprüft werden sollen. Anfang August war Walgenbachs Vorgänger und Middelhoff-Vertrauter, Klaus Eierhoff, wegen Meinungsverschiedenheiten im Vorstand zurückgetreten.

Ob BOL in Teilen oder als Paket verkauft werden soll, ist offen. Im Mai 2001 hatte Eierhoff BOL in die insgesamt defizitären Buchclubs integriert. Vor allem in Deutschland und den Niederlanden ist diese Eingliederung aber kaum vorangekommen. Berichten zufolge wird der Wert des Online-Buchgeschäfts auf 2,1 Milliarden Euro taxiert. BOL ist der zweitgrößte Online-Buchhändler der Welt und halb so groß wie Amazon.

Bertelsmann hat im zweiten Halbjahr 2001 in sämtlichen Internet-Geschäften Anlaufverluste von 254 Millionen Euro verbucht, auf die Direct-Group entfallen davon insgesamt 127 Millionen Euro. Die Sparte, in der sowohl das klassische Buchgeschäft als auch die E-Commerce-Sparten versammelt sind, häufte insgesamt im Rumpfgeschäftsjahr 2001 bei einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro einen Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 464 Millionen Euro an. Der operative Verlust lag bei 40 Millionen Euro. Bis 2004 soll die Direct-Group nach Walgenbachs Plänen wieder profitabel arbeiten.

Rückzug bei Napster möglich

Ob Bertelsmann bei seinen Plänen bleibt, die Reste der insolventen Musiktauschbörse Napster zu übernehmen, scheint unsicher. An diesem Dienstag soll ein US-Gericht abschließend darüber entscheiden, ob der Gütersloher Konzern die verbliebenen Napster-Vermögenswerte für 14 Millionen Euro kaufen kann. Fünf Millionen davon hat Bertelsmann Napster bereits zur Überbrückung des Insolvenzverfahrens gezahlt, neun Millionen sollen vereinbarungsgemäß an die Gläubiger fließen. Diese Vereinbarung endet jedoch an diesem Dienstag. Sollte das Gericht weitere Verhandlungstage anberaumen, könnte sich Bertelsmann zurückziehen. Fände sich kein neuer Financier, würde Napster geschlossen und nach dem US-Insolvenzrecht zerschlagen. Zu den Perspektiven für Napster wollte sich Bertelsmann am Montag nicht äußern. „Wir halten uns an unsere Vereinbarungen“, hieß es lediglich.

Bertelsmann war im Oktober 2000 als Mehrheitseigner bei Napster eingestiegen und hat das Unternehmen insgesamt mit Krediten in Höhe von 85 Millionen Dollar finanziert. Nach zahlreichen Klagen verschiedener Plattenfirmen musste die Online-Plattform im Juli 2001 vom Netz gehen und später Insolvenz anmelden. Jüngste Einwände der Musikindustrie gegen einen Verkauf an Bertelsmann könnten das aktuelle Verfahren weiter verzögern.

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