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Wirtschaft: Bertelsmann / EMI: Da ist keine Musik drin

Monatelang hatten die deutsche Mediengruppe Bertelsmann und der britische EMI-Konzern in Brüssel immer neue Vorschläge unterbreitet, um ihrer geplanten Musikfusion eine Chance bei den EU-Wettbewerbshütern zu verschaffen. Doch sie bissen auf Granit.

Monatelang hatten die deutsche Mediengruppe Bertelsmann und der britische EMI-Konzern in Brüssel immer neue Vorschläge unterbreitet, um ihrer geplanten Musikfusion eine Chance bei den EU-Wettbewerbshütern zu verschaffen. Doch sie bissen auf Granit. Frustriert durch den hartnäckigen Widerstand warfen beide Firmen am Dienstag das Handtuch. Damit bleibt es auf den ersten Blick bei fünf großen Konzernen, die sich den milliardenschweren Musikmarkt international aufteilen. Bertelsmann ist aber für Gespräche mit anderen Wettbewerbern offen. "Wir schließen nicht aus, dass es auf Grund des ständigen Wandels in den Medienmärkten neue Chancen und veränderte Möglichkeiten gibt", sagte Sprecher Manfred Harnischfeger.

Brüssel sieht die hohe Konzentration in der Musikwelt seit Jahren skeptisch. Im vergangenen Jahr hatte EU-Kommissar Mario Monti bereits nach monatelangen Sondierungen das Gespann EMI-WarnerMusic abblitzen lassen. Damals hatte die Kommission angesichts der dadurch entstehenden Verringerung der Plattenriesen auf nur noch vier vor einem marktbeherrschenden Oligopol gewarnt und die Gefahr wettbewerbsfeindlicher Preisabsprachen zu Lasten der Verbraucher gesehen. Diese grundsätzlichen Vorbehalte haben nun auch den Zusammenschluss der Bertelsmann Music Group (BMG) mit EMI zu Fall gebracht.

Ganz unbegründet sind die Befürchtungen in Brüssel nicht. Dies zeigt schon ein Blick auf den deutschen Markt. Dort hat BMG mit Stars wie Whitney Houston, Santana und Christina Aguilera schon jetzt einen Marktanteil von 20 Prozent. EMI kommt mit einer Palette, die sich von den Beatles über über die Spice Girls bis zu Herbert von Karajan erstreckt, auf 15 Prozent. Gemeinsam hätten die Firmen damit gut ein Drittel des deutschen Musikgeschäfts kontrolliert.

Zu Recht spricht Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff von "stürmischen Zeiten", wenn er über sein Musikgeschäft spricht. Für Bertelsmann geht es wie für die anderen Konzerne darum, auszuloten, wohin die Reise geht. Allen ist klar, das dem Internet eine zentrale Rolle zukommt. De facto stehen sich in der Branche schon heute nur noch zwei große Lager gegenüber: Während Sony und Vivendi Universal sich mit ihrem Gemeinschaftsunternehmen Duet den Markt erschließen wollen, hatte Bertelsmann Anfang April mit EMI und dem US-Konzern AOL Time Warner das Joint-venture MusicNet gegründet. Die Fronten sind damit abgesteckt. Die Milliarden-Dollar-Frage bleibt aber, wie sich mit dem Musik-Vertrieb per Internet ein Geschäft machen lässt.

Erfolg von Napster macht hungrig

An Interesse bei den Kunden mangelt es kaum. Der Erfolg der Online-Musikbörse Napster, bei der in Boom-Zeiten über eine Milliarde Songs pro Monat getauscht wurden, führte den Managern deutlich vor Augen, was für ein Potenzial da bislang weitgehend ungenutzt im digitalen Netz schlummert. Das Problem mit Napster ist jedoch, dass der Erfolg wesentlich darauf basierte, dass die Börse kostenlos ist. Nachdem sich abzeichnete, dass diesem und ähnlichen Gratis-Angeboten mit gerichtlichen Beschlüssen kaum beizukommen ist, wagte Bertelsmann den Einstieg bei Napster, um die Tauschbörse in ein legales und kostenpflichtiges Angebot umzubauen. Ab Juli soll durch den Internet-Dienst nun nur noch gegen monatliche Abo-Gebühren Musik heruntergeladen werden. Technisch gesehen ist die Schlüsselfrage, ob es Bertelsmann tatsächlich gelingt, per Kopierschutz und Filter sicherzustellen, dass Napster nicht für illegale Kopien missbraucht wird. Funktioniert das, hängt alles daran, ob das Geschäftsmodell angenommen wird. Wieviele der bisherigen Nutzer angesichts zahlloser anderer Gratis-Websites bereit sind, nun plötzlich Geld für Napster zu bezahlen, ist ungewiss - oder wie es ein Brancheninsider unlängst auf den Punkt brachte: "Es ist einfach schwierig, neben einer sprudelnden Ölquelle eine Tankstelle zu betreiben".

Die Londoner Börse honorierte das Scheitern der Fusion mit einem knapp dreiprozentigen Anstieg der EMI-Aktie auf 457 Pence. Das Papier liegt damit jedoch immer noch deutlich unter jenen 648 Pence, mit denen es am Tag vor der Ankündigung der - später gescheiterten - Fusion mit Time Warner notierte. Nicoli, der nach Meinung von Branchenkennern wegen der zweiten gescheiterten Fusion in seiner 18 Monate währenden Amtszeit unter Druck gerät, kündigte am Dienstag an, EMI habe im ersten Quartal 2001 den Betriebsgewinn um 14 Prozent auf 330 Millionen Pfund gesteigert.

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