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Wirtschaft: Bertelsmann lässt Napster fallen

Gericht verbietet Kauf der insolventen Musiktauschbörse – jetzt wird das legendäre Unternehmen zerschlagen

Berlin (mot/sag). Bertelsmann wird die Internet-Musiktauschbörse Napster nicht wie geplant kaufen. Nachdem ein US-Konkursgericht in der Nacht zum Mittwoch die Übernahme durch Bertelsmann abgelehnt hatte, zieht sich der Gütersloher Medienkonzern zurück. Das Projekt, Napster zu einer zentralen Marke in seiner Internet-Strategie zu machen und für den kommerziellen Musik-Vertrieb zu nutzen, lässt Bertelsmann fallen.

„Wir akzeptieren die Entscheidung des Gerichts gegen den Verkauf von Napster-Vermögenswerten an Bertelsmann. Der Kauf wird von uns damit nicht weiterverfolgt“, sagte ein Bertelsmann-Sprecher. Napster erklärte, die meisten der noch verbliebenen 42 Mitarbeiter seien bereits entlassen worden; unter ihnen auch Gründer Shawn Fanning. Man bereite sich nun auf die Liquidierung des Unternehmens vor. Vorstandschef Konrad Hilbers soll laut „New York Times“ schon am Dienstag zurückgetreten sein.

In dem US-Gerichtsverfahren war es um die Frage gegangen, ob Bertelsmann die restlichen Vermögenswerte der bankrotten Tauschbörse wie Markenn und Technologie für rund 14 Millionen Dollar hätte kaufen können. Neun Millionen davon sollten an die Gläubiger von Napster fließen. Der Gläubigerausschuss hatte außer den Güterslohern keine anderen Bieter gefunden. Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff hatte das legendäre Internet-Unternehmen im Oktober 2000 als strategischen Partner für den Musikvertrieb gewonnen und mit Krediten von mindestens 85 Millionen Dollar unterstützt. Die Weigerung der großen Musikkonzerne, ihre Produktionen an Napster zu lizensieren, sowie zahlreiche Urheberrechtsklagen führten aber zur Schließung und später zur Pleite des Online-Dienstes.

Der Konkursrichter lehnte den Kauf der Musiktauschbörse durch Bertelsmann mit der Begründung ab, der frühere Bertelsmann-Mitarbeiter und Napster-Vorstandschef Konrad Hilbers habe vor allem die Interessen des Medienkonzerns und nicht die der Musiktauschbörse verfolgt. Es sei offensichtlich, so der Richter, dass Hilbers Loyalität „geteilt" sei und er immer noch „mit einem Bein im Bertelsmann-Lager" stehe. Auch die Musikindustrie hatte sich vehement gegen den Verkauf an Bertelsmann ausgesprochen. Die Musikbranche macht illegale Tauschbörsen wie Napster für ihre sinkenden Umsätze verantwortlich. „Die Labels haben viel zu spät reagiert“, sagte ein Branchenvertreter. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die weltweit bekannte und deshalb wertvolle Marke Napster doch noch wiederbelebt werde. „Aber die Musikkonzerne dürften aus dem Rennen sein.“

Vor der gerichtlich angeordneten Schließung im Sommer 2001 wurde die Zahl der Napster-Nutzer auf bis zu 85 Millionen geschätzt. Angezogen wurden die Musikliebhaber von einer revolutionären Technologie: In der Computer-Firma seines Onkels hatte der Informatik-Student Shawn Fanning in den 90er Jahren ein Programm geschrieben, mit dem auf einfache Weise ans Internet angeschlossene Computer nach Musikdateien im MP3-Format durchsucht und diese Dateien genauso einfach und kostenlos untereinander ausgetauscht werden konnten. Im Mai 1999 hatte Fanning damit Napster gegründet und ohne einen Dollar für das Marketing zu einer Weltmarke aufgebaut.

Die große Stärke dieses so genannten Peer-to-Peer-Systems, bei dem viele dezentrale Nutzer über ein Netzwerk gleichberechtigt verbunden sind, erwies sich jedoch am Ende als größte Schwäche der Tauschbörse. Die Musikindustrie machte gegen Napster mobil, weil der Musiktausch an den Kassen der Konzerne vorbei ungeahnte Ausmaße annahm: Zunächst scheiterten die Labels mit dem Versuch, den illegalen Austausch von Musik mit Negativlisten geschützter Songs zu unterbinden. Dann überhäuften sie Napster mit Urheberrechtsklagen. Der Online- Dienst wurde schließlich abgeschaltet. Bertelsmann-Konkurrenten wie Sony Music, Vivendi Universal, EMI und Warner Music bauten eigene Online-Plattformen auf.

Doch der kommerzielle Durchbruch blieb aus, weil die ehemaligen Napster-Nutzer heute zu diversen Nachfolgesystemen wie Gnutella, WinMX oder Kazaa greifen, über die auch Bücher und Videos getauscht werden können.

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