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Wirtschaft: Bertelsmann sucht eine neue Strategie

Nach dem Vorstandswechsel sind Börsenpläne wieder offen/Aufsichtsrat und Mohn-Familie setzen sich durch

Berlin (mot). Die künftige Strategie des Medienkonzerns Bertelsmann ist nach dem Ausscheiden von Vorstandschef Thomas Middelhoff offen. Der neue Vorstandsvorsitzende Gunter Thielen (59) werde die Expansion des Unternehmens nicht bremsen, aber zurückhaltender agieren als sein Vorgänger, hieß es am Montag in Kreisen, die dem Unternehmen nahe stehen. Ein Börsengang wesentlicher Teile des Konzerns wird vorerst nicht mehr angestrebt. Zwischen dem alten Vorstand und dem Aufsichtsrat, den die Gründerfamilie Mohn dominiert, sei es zuletzt zu heftigen Auseinandersetzungen über die Börsenpläne gekommen, die schließlich zum Rückzug Middelhoffs geführt hätten.

Auf scharfe Kritik stieß die Ablösung Middelhoffs am Montag bei seinem Vorgänger Mark Wössner. „Bei Bertelsmann ist eine idealtypische Unternehmens-Philosophie kaputt gegangen: Die jungen Leute rücken nicht mehr nach“, sagte Wössner dem Tagesspiegel. Nach fast 16 Jahren an der Vorstandsspitze hatte er 1998 sein Amt an Middelhoff abgegeben. Ein Börsengang des Konzerns sei ebenso wahrscheinlich wie ein Abschied von der Kapitalmarktstrategie. „Die Diskussion darüber hätte jedenfalls kein Grund für einen Führungswechsel sein müssen.“ Bertelsmann sei Jahrzehnte lang auch ohne Mittel vom Kapitalmarkt gewachsen.

Der Börsengang des mit 20 Milliarden Euro zweitgrößten Medienunternehmens in Europa sorgt seit geraumer Zeit für Unruhe bei Bertelsmann. Der 81-jährige Firmenpatriarch Reinhard Mohn und dessen Frau Liz, die ein Aufsichtsratsmandat hat, kritisieren den Ausbau des TV- und Internetgeschäfts, das den Anlegern als Wachstumsstory verkauft werden sollte. „In den vergangenen Wochen hat sich die Diskussion verschärft“, sagte ein Insider. Gegenstand der Auseinandersetzung sei Middelhoffs Ziel gewesen, einen größer als geplanten Teil von Bertelsmann an der Börse zu verkaufen. „Am Ende wollte der Aufsichtsrat Middelhoff nicht mehr – und Middelhoff wollte wohl auch nicht mehr.“

Unberührt von einer möglichen strategischen Neuausrichtung des Medienkonzerns bleiben die Pläne der Gesellschafter Albert Frère und der belgisch-kanadischen Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die 25,1 Prozent der Bertelsmann-Anteile im Jahr 2005 an den Kapitalmarkt bringen wollen. Die restlichen Anteile liegen mit 57,6 Prozent bei der Bertelsmann-Stiftung und 17,3 Prozent bei der Familie Mohn. „Die Vereinbarung mit GBL, Bertelsmann für die Börse fit zu machen, gilt weiter“, hieß es am Montag aus der Umgebung von Thielen.

Spekulationen, Bertelsmann werde sich von großen Geschäftsbereichen trennen, entbehrten jeder Grundlage. Der Konzern werde nicht seine 90-Prozent-Beteiligung an der RTL Group, dem größten Umsatzbringer, verwässern und sich von Aktien trennen. Wie andere Sender auch leidet RTL zurzeit unter der Flaute im Werbemarkt. Unter Druck steht auch noch das Clubgeschäft, das der von Middelhoff geschätzte Klaus Eierhoff in der Direct Group verantwortet. Zwölf von 19 Buchclubs schreiben zwar schwarze Zahlen, insgesamt aber verbucht die Direct Group bei einem Umsatz von 3,8 Milliarden Euro rote Zahlen. Die Musiktochter ist offenbar auf gutem Weg. BMG mit 200 Labels und einem Umsatz von 3,7 Milliarden Euro soll bald die Verlustzone verlassen.

Der neue Bertelsmann-Chef gilt als Vertrauter von Reinhard Mohn. Gunter Thielen übernahm im Oktober 2001 den Vorsitz des Kuratoriums und des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung sowie den Vorsitz der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft (BVG). Die BVG nimmt die Stimmrechte der Stiftung und der Familie Mohn in der Hauptversammlung wahr. Spekulationen, Thielen trete sein Amt nur vorübergehend an, räumten Mitarbeiter aus: „Er macht diesen Job nur, wenn er ihn auf Dauer machen kann.“ Sein Vertrag soll dem Vernehmen nach drei Jahre laufen.

Christoph Mohn, Sohn von Reinhard Mohn und BVG-Mitglied, sagte dem Tagesspiegel, er rechne nicht damit, dass Thielen einen Strategiewechsel einleite, der das klassische Print-Geschäft zu Lasten der elektronischen Medien fördere. „Thielen wird unterschätzt", sagte der Vorstandschef des Internetportals Lycos, an dem Bertelsmann beteiligt ist. „Er hat aus dem traditionellen Druckereigeschäft eine hochmoderne und sehr profitable Dienstleistungssparte von Bertelsmann gemacht."

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