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Vor dem Start. Andreas Claudius fliegt für die Lufthansa. In der Regel ist er fünf Tage am Stück unterwegs.

© Christian Mang

Beruf Pilot: Der Vielflieger

In der weiten Welt unterwegs, gutes Gehalt, mit 58 in Rente. Viele beneiden die Arbeitsbedingungen von Lufthansa-Piloten. Doch wie sieht der Alltag wirklich aus? Ein Kapitän erzählt.

Es sind diese besonderen Momente, die seinen Beruf außergewöhnlich machen. Wenn Andreas Claudius frühmorgens, wenn fast das ganze Land noch schläft, von seinem Kapitänssitz aus, im Cockpit links, die Sonne am Himmel aufsteigen sieht. Oder wenn er, wie im vergangenen Jahr, ein Feuerwerksfestival mit blitzenden Farben aus dem Fenster seines landenden Flugzeugs erlebt. In solchen Augenblicken lehnt sich der 46-jährige Lufthansa-Pilot zurück – und freut sich an seinem Job.

Auch das Vertrauen, das ihm die 180 Passagiere eines Airbus A320 mit jedem Flug entgegen bringen, motiviert ihn, sagt er. Jede Landung sei ein Erfolgserlebnis, weil er sie sicher ans Ziel gebracht habe.

Weiter Himmel, ferne Ziele, gutes Gehalt – Fliegen als Beruf weckt auch in Zeiten der Massenabfertigung und der Billigflieger immer noch Träume. Doch was ist eigentlich noch dran an diesem Ruf? Ist der Job nach wie vor spannend, sind die Arbeitsbedingungen tatsächlich noch so ausgesprochen gut? Aus Sicht der Pilotenvereinigung Cockpit droht der unakzeptable Abbau von sozialen Leistungen des Unternehmens. Mehrere Male wurde in den vergangenen Wochen gestreikt, weil der Kranich-Konzern das Renteneinstiegsalter erhöhen will von im Schnitt 58 auf 61 Jahre.

„Fliegen ist eine volatile Branche“, sagt Andreas Claudius, der auch als Ausbilder und Prüfer arbeitet. Die Ausbreitung des Ebola-Virus, politische Krisen – solche Ereignisse wirken sich schnell unmittelbar auf das Fluggeschäft aus, erklärt er. Bei der Lufthansa Flugschule in Bremen, die nach Bedarf des Konzerns ausbildet, hätten zu Höchstzeiten 300 Anwärter pro Jahr begonnen. Im nächsten Jahr werde dort niemand neu aufgenommen.

Festanstellungen werden rar

Auch die Aussichten auf eine Festanstellung sind nicht sehr gut. Am besten sind die Chancen im Passagierverkehr: Nach wie vor gibt es in Deutschland bei der Lufthansa-Gruppe und bei Air Berlin die meisten festen Stellen. Wer dennoch unter hohen eigenen Vorab-Kosten die Ausbildung macht (siehe Kasten), muss sich teilweise auf einige Wartejahre einstellen, bevor er den Beruf ausüben kann.

Bei Claudius, der 1989 in Bremen mit dem Fliegen begann, ging noch alles glatt: Er wurde 1991, gleich nach der Ausbildung, als Co-Pilot übernommen.

Schon als Schüler interessierte er sich für Verkehr, Schifffahrt und Fliegen. Das er Pilot wurde, lag daran, dass er in seiner damaligen Heimatstadt Hamburg täglich Flugzeuge starten und landen sah, erzählt er. Das hat ihn fasziniert. Mit 19 lernte er Segelfliegen. Dann versuchte er es mit der Piloten-Aufnahmeprüfung – und bestand. Seit 2001 ist er Flugkapitän.

Ein typischer Arbeitstag geht für Claudius um fünf Uhr los. Vier bis fünf Flüge im Kurz- und Mittelstreckenbetrieb sind pro Tag geplant, fünf Tage am Stück ist Claudius so in Europa unterwegs. Die meiste Zeit davon sitzt er im Cockpit. „So wie andere im Büro.“

Die Bodenzeiten, die Zeiten zwischen Landung und nächstem Flug, werden möglichst kurz gehalten: 45 Minuten bis eine Stunde hat er im Schnitt, um seine Flüge vor- und nachzubereiten. Hin und wieder geht er in der Abfertigungshalle eines Flughafengebäudes Mittagessen. Eigene Räume für Piloten gibt es nur dort, wo Lufthansa einen Standort hat, in München und Frankfurt. Dort können die Piloten nach den fünf Tagen etwas schlafen, bevor sie ins Auto steigen und nach Hause fahren.

Die Arbeitstage sind lang, bis 23 Uhr dauern sie in Claudius Fall. Weil er in Berlin lebt, aber in München stationiert ist, kommt am jeweils ersten der fünf Tage der Anflug nach München hinzu. Dann steht Claudius um drei Uhr auf und fliegt als Passagier mit der ersten Maschine nach München. Das Ticket zahlt er selbst.

Das soziale Leben und das Familienleben mit der Arbeit zu vereinbaren, ist für Piloten, die meisten sind Männer, eine große Herausforderung. Claudius telefoniert oft mit seiner Frau und seinen drei Kindern. „Manchmal ist es schwierig wieder zuhause anzukommen“, sagt er.

Vertraute Kollegen hat man als Pilot kaum: Die Teams werden in der Luftfahrt ständig neu gemischt, damit sich unter Freunden keine Abweichungen von den strengen Arbeitsabläufen einschleichen. Co-Pilot und Kapitän arbeiten fünf Tage am Stück zusammen. „Dann sieht man sich mitunter zwei Jahre wieder nicht.“ Das Kabinenpersonal wechselt täglich, teilweise mitten am Tag. Wegen der klar definierten Abläufe laufe die Zusammenarbeit gut, Offenheit und Teamfähigkeit sei auch ein Auswahlkriterium für das Personal, sagt der Pilot. „Wer mehrere Tage braucht, um sich an neue Kollegen zu gewöhnen, der hätte ein Problem.“

"Man weiß, man kommt wieder nach Shanghai"

Mal mit der Crew das Nachtleben Hong Kongs erleben, das hat Claudius früher auf Langstreckenflügen gemacht. Zwei Ruhetage sind am Zielort vorgesehen. Langstrecken haben für ihn durchaus einen Reiz. Anders als ein Tourist müsse er sich nicht hetzen, um die Sehenswürdigkeiten von Shanghai oder New York abzuhaken. „Man weiß, man kommt wieder.“

Die Ruhetage nach den langen Strecken sind aber keine Urlaubstage. Die Nachtarbeit und die häufigen, schnellen Wechsel von Zeit- und Klimazonen sind körperlich sehr anstrengend. Piloten brauchen die Pause, um sich zu regenerieren. Sonst komme man schnell an seine Grenzen, sagt Claudius. Fliegerisch dagegen findet er mehrere Kurz- und Mittelstrecken am Tag abwechslungsreicher. Auch wenn er dann im Winter manchmal vor dem Start in der Warteschleife steht und zum fünften Mal eine Maschine enteist.

Das Risiko flugunfähig und damit berufsunfähig zu werden, ist bei Piloten höher als in anderen Berufen. Einmal im Jahr wird der 46-Jährige medizinisch durchgecheckt. Das bereitet ihm manchmal Sorgen. „Bei mir wird bald eine Lesehilfe fällig“, sagt Claudius. Man könne aber auch mit Brille arbeiten, solange hundertprozentige Sehfähigkeit gewährleistet sei. Andere, teils altersbedingte Krankheiten wie Diabetes können ein Ausschließungsgrund sein. Die meisten seiner Kollegen versichern sich gegen Flugunfähigkeit.

Alternative Aufgaben für Piloten gibt es kaum. Claudius war zwischenzeitlich im Sicherheitsmanagement tätig und hat beim Aufbau einer Tochterlinie in Italien mitgearbeitet. Solche Jobs interessieren ihn aber nur als abwechslungsreiche Nebentätigkeit. „Ich will auf jeden Fall bis zur Rente fliegen“, sagt der Kapitän.

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