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Vielen Fragen. Auszubildende wissen oft nicht, was sie in ihrem künftigen Job erwartet.

© dpa

Berufsausbildung: In Berlin brechen 40 Prozent der Azubis ihre Lehre ab

Nirgendwo in der Republik brechen so viele Jugendliche ihre Ausbildung ab wie in Berlin. Die Wirtschaft will das ändern.

Rund 40 Prozent der jungen Hauptstädter brechen ihre Ausbildung ab. Das ist Rekord im Bundesgebiet, wo der Durchschnitt bei 28 Prozent liegt. „Ein vergeudetes Potenzial für die Wirtschaft“, sagt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB).

Politik und Wirtschaft wollen nun diesen Missstand im Rahmen eines „Landeskonzeptes“ ändern: Anfang kommenden Jahres sollen Fünft- bis Zehntklässler, später auch Schüler der Oberstufen mittels Beraterteams und Orientierungsunterricht bewusst an Berufsbilder herangeführt werden. Initiiert haben das Projekt unter dem Name Schulewirtschaft-Akademie neben den UVB auch die Stiftung der Deutschen Wirtschaft sowie die Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Sandra Scheeres.

„Es gibt über 300 Ausbildungsberufe. Doch die jungen Leute kennen oft nicht die ganze Bandbreite ihrer Möglichkeiten. Genau das müssen wir beheben“, sagte Amsinck. Würde man die Neunt- und Zehntklässler fragen, so kämen meist nur bis zu 15 Ausbildungsberufe in Frage, weil den Jugendlichen keine anderen bekannt seien.

Gerade in den letzten Jahren habe es falsche Vorstellungen über den Beruf des Kochs gegeben, weshalb es hier mit zu den häufigsten Abbrüchen einer Lehre gekommen sei. „Durch die etlichen Kochshows glauben die jungen Leute eine Ausbildung sei ebenso ein Zuckerschlecken mit Verkostung wie im Fernsehen dargestellt“, sagte Amsinck.

Um die Erwartungshaltung der Jugendlichen an den späteren Beruf realistischer zu machen, sei das Konzept der UVB , der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und der Politik deshalb genau richtig, nämlich frühzeitige Aufklärung über die Berufe.

Initiative bezahlt fünfstelligen Betrag für Projekttage und Berufsberater

Die Berliner Industrie und Handelskammer (IHK) begrüßte die neue Initiative von Politik und Unternehmerverbänden. „Es findet vor allem ein breites Angebot statt, was lange nicht richtig durchgedrungen ist zu den potenziellen Azubis“, sagte Kammersprecher Leif Erichsen. Deshalb seien die im Konzept beschriebenen konkreten Vorhaben hilfreich, damit „jeder Schüler den richtigen Deckel für seinen Topf findet“.

Mit einem fünfstelligen Betrag pro Jahr werden künftig die Arbeitsmaterialien, Projekttage zur Information von Schülern und Teams aus Berufsberatern und sachkundigen Lehrern finanziert. Da die jungen Menschen vor allem ihre Zeit in der Schule verbringen, sei es die Aufgabe der Lehrer auf die Interessen der Schüler einzugehen und praktisch über das Schreiben einer Bewerbung, mögliche Ausbildungsberufe und das Auftreten bei einem Bewerbungsgespräch zu informieren. Würde das umfassend passieren und abgestimmt auf die individuellen Vorlieben der potenziellen Auszubildenden, dann könne man die hohe Abbrecherquote wohl verringern, sagte Scheeres.

Eine Lehre kostet die Wirtschaft etwa 70000 Euro

Mit einer Summe von rund 70000 Euro für eine dreijährige Lehre in der Industrie beispielsweise, sei jede abgebrochene Ausbildung auch ein Schaden für die Wirtschaft, betonte Amsinck. Als weiteren Grund für die hohe Abbruchrate in Berlin nannte die Senatorin die Sozialstruktur. In manchen Bezirken hätten Eltern kaum berufliche Erfahrung und könnten deshalb auch ihren Kindern kein entsprechendes Wissen vermitteln. Darum bekomme die Schule hier zunehmend Bedeutung.

In Berlin wechseln viele Abbrecher in anderen Ausbildungsberuf

Daniel Jander von der Handwerkskammer warnte auf Anfrage davor, die 40 Prozent „zu hoch zu hängen“. „Viele Abbrecher sind Weitermacher – gerade in Berlin.“ Hier habe man, ähnlich wie in anderen deutschen Großstädten, auf engstem Raum ein riesiges Angebot an Ausbildungsbetrieben.

Gibt ein Auszubildender seine Lehrstelle frühzeitig auf, weil er in einen anderen Betrieb wechselt, sei das dann aber trotzdem in der Statistik erfasst. Das sei mit ein Grund für die hohe Zahl der Ausbildungsabbrüche in der Hauptstadt. Zwar erfasse die Handwerkskammer keine Motive der Jugendlichen, doch seien nicht selten triviale Gründe ausschlaggebend: „Auszubildender verschiedener Betriebe tauschen sich in den Berufsschulen aus. Wird dabei festgestellt, dass es in dem anderen Betrieb mehr Gehalt oder eine BVG-Karte gibt, scheuen sich die jungen Leute selten vor einem Wechsel“, sagt Jander.

Neben diesen „Trendbewegungen“ gäbe es allerdings auch manchmal gesundheitliche Gründe. Bäckerlehrlinge entwickelten zum Beispiel eine Mehlallergie oder Chemielaboranten reagierten auf bestimmte Stoffe, sodass eine Weiterführung der Ausbildung unmöglich werde.

Janina Schreiber

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