zum Hauptinhalt
Endlich ab in den Feierabend! Stimmt die Work-Life-Balance, kann man aber auch bei der Arbeit aufblühen.Foto: mauritius images

© mauritius images

Wirtschaft: Besser in Balance bleiben

Wer sich bei seinem Arbeitgeber wohlfühlt, bleibt ihm lange treu. Familienfreundlichkeit zahlt sich besonders aus

Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik – sie kennen alle Disziplinen. Wer heute zum Beispiel Mechatronik studiert, wird sich später kaum Sorgen um einen Arbeitsplatz machen müssen. Schon jetzt sind qualifizierte Ingenieure Mangelware. Doch spätestens nach ein paar Berufsjahren meldet sich bei vielen jungen Frauen und Männern der Kinderwunsch. Auf die Karriere verzichten wollen die meisten dennoch nicht. Für diesen Spagat braucht es Organisationstalent, starke Nerven – und einen Arbeitgeber, der jungen Eltern keine Steine in den Weg legt.

Dass Familienfreundlichkeit im Kampf um kluge Köpfe ein wichtiger Wettbewerbsvorteil ist, haben inzwischen viele Unternehmen erkannt. Setzte man früher auf lange Schutzfristen für Schwangere und junge Mütter als Anreiz für die Familiengründung, gilt heute räumliche und zeitliche Flexibilität, kombiniert mit individueller Förderung als Königsweg. Davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern letztlich auch der Arbeitgeber. Für Unternehmen bedeute eine familienorientierte Personalpolitik höhere Produktivität bei gleichzeitiger Kostensenkung und geringerer Personalfluktuation, so eine Studie der Prognos AG aus dem Jahr 2005. Mit einer intelligenten Verzahnung von Beruf und Privatleben – neu-deutsch „Work-Life-Balance“ – seien „erfolgreiche Berufsbiographien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse“ möglich.

Außerdem, rechnet die Studie vor, sei mit Work-Life-Konzepten bis 2020 nicht nur ein zusätzliches Bruttoinlandprodukt von 248 Milliarden Euro zu erwirtschaften, sondern auch eine Steigerung der Binnennachfrage um 191 Milliarden Euro möglich – plus eine höhere Geburtenrate von 1,56 Kindern pro Frau, was der drohenden Bevölkerungsabnahme entgegenwirke. Damit können Unternehmen also nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit ausbauen, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen.

„Die Grundlage unserer Personalpolitik ist die Wertschätzung aller Mitarbeiter“, sagt dann auch Anne-Marie Berndt, Personalmanagerin beim Multitechnologie-Unternehmen 3M Deutschland in Neuss. Im Februar wurde 3M vom Great Place to Work Institute als bester deutscher Arbeitgeber ausgezeichnet und erhielt jetzt im europäischen Vergleich den Sonderpreis für Bemühungen um „Mitarbeiter in schwierigen Situationen“. Während die Politik über eine Frauenquote nachdenkt, liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei 3M bereits bei 20 Prozent – ganz ohne Verordnung von oben. „Eine Quote passt nicht zu uns“, sagt Marketingmanager Manfred Krämer. „Wir suchen lieber nach individuellen Lösungen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter und des Unternehmens entsprechen und zu unserer Unternehmenskultur passen.“ Dazu gehört, dass jeder Beschäftigte 15 Prozent der Arbeitszeit für Projekte außerhalb seines Tätigkeitsbereichs nutzen kann. Dank dieses Freiraums gibt es übrigens die bekannten Post-it-Haftnotizen: Den speziellen Klebstoff hierfür entwickelten zwei amerikanische 3M-Mitarbeiter – zwar am Arbeitsplatz, aber ohne dass ihre Chefs davon wussten.

„Vertrauen, Wertschätzung und das Bauen auf Stärken ermöglichen eben Kreativität und Spaß bei der Arbeit“, sagt Anne-Marie Berndt. Ergänzt wird diese Philosophie durch verschiedene Arbeitsmodelle, von flexiblen Arbeitszeiten und -orten über Vertrauensarbeitszeit bis zu großen Gleitzeitspannen. Außerdem gibt es Unterstützung bei der Kindergartensuche und der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. „Gerade planen wir für die Hauptniederlassung in Neuss eine eigene Kindertagesstätte“, so Berndt. „Das gibt unseren Mitarbeitern zusätzliche Sicherheit und ermöglicht Müttern einen raschen Wiedereinstieg.“

Dass eine lebens- und familienbejahende Personalpolitik nicht nur in großen Konzernen möglich ist, zeigen zahlreiche Mittelständler – etwa die Windwärts Energie GmbH aus Hannover, die Anlagen zur umweltverträglichen Energieerzeugung plant und betreibt. „Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bieten wir flexible Arbeitszeitmodelle an“, erläutert Personalleiterin Sylvia Rechel. „Man kann bei uns in jeglicher Variation Teilzeit arbeiten und es gibt ein Wiedereinstiegskonzept nach der Elternzeit. Wir bemühen uns um Lösungen, und wir finden sie.“

Ähnlich sieht das die Landau Media AG, die neben einem Frauenanteil von 70 Prozent in der Belegschaft ihre Führungsetage zur Hälfte weiblich besetzt hat. Das Berliner Unternehmen bietet Teil- und Gleitzeit an, Fortbildungen während der regulären Arbeitszeit sowie eine umfassende Einarbeitung zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Zusätzlich gibt es einen Kita- beziehungsweise Bücher-Zuschuss für schulpflichtige Kinder. „Unsere werdenden Mütter verkünden schon sehr früh ihre Schwangerschaft, weil sich das gesamte Umfeld in der Firma mit ihnen freut. Dadurch sind wir in der Lage, rechtzeitig zu planen. Die gute Vertrauensbasis hilft uns auch beim Wiedereintritt in das Berufsleben“, berichtet Vorstandsvorsitzender Lothar Landau. Er sei stolz darauf, seinen Mitarbeitern die Sicherheit und das Vertrauen zu geben, Kinder in die Welt zu setzen.

Zur Startseite