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Wirtschaft: Betrieben wird die Ausbildung erleichtert

Bildungsministerin Bulmahn baut Bürokratie ab und hofft auf die Schaffung von 20000 zusätzlichen Lehrstellen

Berlin (fw). Die Bundesregierung will angesichts der stetig sinkenden Zahl von Lehrstellen die Anforderungen für Ausbildungsbetriebe lockern. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) kündigte am Mittwoch in Berlin für die nächsten fünf Jahre die Aussetzung der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) an. Die Verordnung habe sich als Hürde für viele ausbildungswillige Betriebe erwiesen, sagte Bulmahn. Mit der Lockerung könnten jährlich bis zu 20 000 Ausbildungsplätze zusätzlich angeboten werden.

Bislang müssen ausbildende Betriebe für eine Ausbildungsberechtigung berufs und arbeitspädagogische Kenntnisse in einem Lehrgang mit Prüfung nachweisen. Auf diesen besonderen Nachweis solle in den nächsten fünf Jahren verzichtet werden, erklärte Bulmahn. Es bleibe die übliche Überprüfung der Eignung durch die Handwerkskammer.

Das Bildungsministerium geht davon aus, dass zurzeit 110 000 betriebliche Ausbildungsplätze fehlen. Die Zahl der im Rahmen des dualen Ausbildungssystems abgeschlossenen Verträge ist 2002 gegenüber 2001 um 6,8 Prozent auf 568 000 gesunken, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit (siehe Kasten).

Das Kabinett soll die Lockerung am 14. Mai beschließen. Die Aussetzung der Verordnung soll dann zum August in Kraft treten. Am Donnerstag wird die Initiative im Bundestag debattiert. Ende Mai will Bulmahn dann weitere Maßnahmen zur Schaffung von Lehrstellen zusammen mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ankündigen.

Zusätzlich zur Aussetzung der AEVO plant Bulmahn, Mittel aus dem Programm „Kapital für Arbeit“ auch für die Ausbildung bereitzustellen. Zudem sollen „Qualifizierungsbausteine“ unterhalb einer kompletten Lehre auch den weniger leistungsstarken Jugendlichen den Zugang zur Ausbildung öffnen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Aussetzung der AEVO. „Zunächst sollten die 600 000 Betriebe, die die AEVO bereits erfüllen oder einen Meisterbrief haben und derzeit nicht ausbilden, dazu gebracht werden, auszubilden“, sagte Hermann Nehls, Referatsleiter Bildung beim DGB, dem Tagesspiegel. Zudem sei die Qualität der Ausbildung ohne AEVO gefährdet.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte dagegen Bulmahns Maßnahmen „prinzipiell“, sagte Ausbildungsreferent Markus Kiss. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei die Schätzung Bulmahns, so 20 000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen, „zu optimistisch“. Dafür müssten auch die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessert werden, sagte Kiss. Die Wirtschaft könne angesichts der Wachstumskrise nicht jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz garantieren.

Genau das ist aber das Ziel der Bundesregierung. In dem Antrag, der am Donnerstag im Bundestag vorgestellt wird und der dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es, dass die Wirtschaft „alle Anstrengungen unternehmen muss, um das betriebliche Ausbildungsangebot deutlich auszuweiten und jedem Jugendlichen, der will und kann, ein Ausbildungsangebot machen zu können“. Komme die Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht nach, müssten gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden. Dass nicht ausbildende Betriebe die Ausbildung bei den anderen mitfinanzieren, lehnt der DIHK ab. Diese Betriebe würden so in ihrer Existenz bedroht, sagte Kiss.

Auch Arbeitsmarktexperten beurteilen die Offensive als zu optimistisch. „Die Initiative ist sinnvoll“, sagt Viktor Steiner vom Institut der deutschen Wirtschaft (DIW). 20 000 Ausbildungsplätze würden jedoch so kaum entstehen. „Die strukturellen Probleme auf dem Lehrstellenmarkt müssen angegangen werden“, sagt Steiner. Ihm zufolge lehnen viele Jugendliche unattraktive Angebote ab. Von den Jugendlichen müsse mehr Flexibilität verlangt werden, fordert Steiner.

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