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Wirtschaft: Betriebskassen wollen Beiträge im Eiltempo erhöhen

Pharmabranche und Apotheken befürchten Verlust von Arbeitsplätzen durch Spargesetze der Bundesregierung

Berlin/Düsseldorf (pet/shf/pt/HB). Krankenkassen und Pharmaindustrie rüsten sich gegen das geplante Gesundheitsspargesetz der rotgrünen Koalition. Viele Betriebskrankenkassen (BKK) wollen im Eilverfahren ihre Beitragssätze anheben, um dem von der Bundesregierung geplanten Beitragsstopp zuvorzukommen. Nach Angaben des BKK-Bundesverbandes haben bereits 35 bis 40 Kassen – und damit jede siebte BKK – einen Antrag auf Beitragserhöhung gestellt. Im Durchschnitt strebten sie eine Anhebungen um 0,3 Prozent an, sagte Florian Lanz, Sprecher des BKK-Bundesverbandes, am Dienstag.

Die Anträge müssen rasch genehmigt werden, wenn die Kassen ihre Beitragserhöhung noch durchdrücken wollen. Bereits am Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über das Spargesetz von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Damit will die Koalition den drohenden Anstieg der Beiträge bremsen. So sollen im Gesundheitswesen 3,5 Milliarden Euro eingespart werden.

Grund für die geplanten Beitragserhöhungen sind massive Defizite vieler Kassen. Nach Informationen des Handelsblatts aus Kassenkreisen können rund 50 Prozent der 370 Kassen ihre Leistungsausgaben inzwischen nur über Kredite finanzieren. Bei einigen Kassen geht der Kreditrahmen bereits weit über rechtlich zulässige Überbrückungskredite für Liquiditätsengpässe hinaus. So finanziere die AOK Hessen bereits Teile ihrer laufenden Kreditkosten über Kredite, hieß es in den Kreisen. Das Ausmaß der Unterfinanzierung für alle Kassen wird inzwischen auf bis zu drei Milliarden Euro geschätzt.

Negative Auswirkungen des Spargesetzes befürchten aber nicht nur die Kassen, sondern auch die Pharmabranche. Zwei Drittel seiner Mitgliedsunternehmen sähen sich gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen, erklärte gestern der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA). Weitere 29 Prozent der Unternehmen kündigten an, Neueinstellungen zurückzustellen. Auch bei Investitionen und Forschung zwinge das Sparpaket zu Konsequenzen. Einer VFA-Umfrage zufolge wollen mehr als drei Viertel der Unternehmen ihre Forschungsausgaben senken oder einfrieren. Die geplante Belastung der forschenden Pharmahersteller habe darüber hinaus „negative Auswirkungen auf künftige Standortentscheidungen", warnte die VFA-Geschäftsführerin Cornelia Yzer. Nachdem die VFA-Mitglieder im vergangenen Jahr bereits 205 Millionen Euro zur Entlastung der Krankenkassen bereitstellten, betrachten sie die Pläne als „Wortbruch“ der Bundesregierung.

Auch die Pharmagroßhändler stellen sich auf Einnahmeverluste in Millionen-Euro- Höhe ein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sie den Krankenkassen künftig einen Rabatt in Höhe von 2,8 Prozent auf den Apothekenverkaufspreis einräumen müssen. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Belastung auf die nächste Handelsstufe abzuwälzen, also an die Apotheker", sagt Horst Trimborn, Vorstandschef des drittgrößten deutschen Pharmagroßhändlers Andreae-Noris Zahn.

Das befürchten die Apotheker auch. „Auf die Apothekenlandschaft kommen maximale Belastungen zu", sagt Elmar Esser, Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Apotheken. Der Verband hat ausgerechnet, dass die Apotheker durch die geplanten Rabatte insgesamt über eine Milliarde Euro an Gewinn verlieren werden. „Wenn die geplanten Änderungen durchkommen, wird sich das Durchschnittseinkommen der Apotheker um mehr als Hälfte reduzieren", sagt Esser. Er befürchtet massive Arbeitsplatzverluste und die Schließung vieler Apotheken.

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