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Wirtschaft: Betriebsverfassung: Riesters Mitbestimmung unter Beschuss

Der Regierungsentwurf für die Reform der 30 Jahre alten Betriebsverfassung ist am Donnerstag bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag auf erbitterten Widerstand der Opposition gestoßen. FDP und Union warfen der Koalition eine brutale Klientelpolitik zu Gunsten des DGB vor.

Der Regierungsentwurf für die Reform der 30 Jahre alten Betriebsverfassung ist am Donnerstag bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag auf erbitterten Widerstand der Opposition gestoßen. FDP und Union warfen der Koalition eine brutale Klientelpolitik zu Gunsten des DGB vor. Sprecher von SPD und Grünen meinten dagegen, Teile der Union und die FDP wollten die Mitbestimmung aus den Betrieben herausdrängen.

Die Gewerkschaften sorgten mit einem Aktionstag in den Betrieben dafür, dass die Auseinandersetzung um die umstrittene Reform auch außerhalb des Reichstages weiter ging. In Rüsselsheim zogen nach Angaben der IG Metall rund 5000 Beschäftigte des Opelwerks in einem Demonstrationszug in die Innenstadt. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wertete die Protestaktionen zum Teil als Arbeitsniederlegungen und kündigte Schadenersatzforderungen der Unternehmen an. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Ursula EngelenKefer, warf den Arbeitgebern in Frankfurt (Main), wo sie vor einer Siemens-Niederlassung Flugblätter an Beschäftigte verteilte, vor, aus Enttäuschung über den Entwurf eine "irrationale Hetzkampagne" zu führen.

"Kleines Grundgesetz" für Betriebe

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) verteidigte die Betriebsverfassung im Bundestag als "das kleine Grundgesetz für die demokratische Mitwirkung der Beschäftigten in den Betrieben". Ziel sei es, dass die Mitarbeiter ihre Interessen auf allen Entscheidungsebenen des Unternehmens einbringen können. Dem Argument von Opposition und Wirtschaft, die geplante Erhöhung der Zahl der Betriebsräte koste vor allem den Mittelstand zu viel, hielt Riester entgegen, 98 Prozent aller Betriebe hätten weniger als 100 Beschäftigte und seien daher von der Neuregelung nicht betroffen. Nach dem Gesetzentwurf soll die Zahl der Betriebsräte ab 100 Beschäftigte erhöht werden. Ab 200 statt bisher 300 Beschäftigte muss ein Betriebsrat von der Arbeit freigestellt werden. Gerald Weiß von der Arbeitnehmergruppe in der CDU-Fraktion kritisierte das vorgesehene Wahlverfahren nach dem Mehrheitswahlrecht. Damit betreibe die Koalition brutale Klientelpolitik zu Gunsten des DGB. Minderheitenrechte würden abgeräumt. Riesters Entwurf sei rückwärtsgerichtet.

Während das Mitbestimmungsgesetz gerade die erste Lesung hinter sich gebracht hat, droht der Streit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern über die Einbeziehung der Tarifpolitik in die Bündnis-fürArbeit-Gespräche zu eskalieren. IG MetallChef Klaus Zwickel lehnte es am Donnerstag kategorisch ab, in der von Bundeskanzler Gerhard Schröder initiierten Runde über "einkommenspolitische Ziele" zu sprechen. Dagegen forderte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, nachdrücklich die Festlegung eines "Orientierungsrahmens für die künftige Tarifpolitik".

"Wir brauchen über mehrere Jahre Abschlüsse, die unterhalb der Produktivitätsentwicklung liegen," sagte Rogowski. Er forderte die Gewerkschaften dazu auf, mit den Arbeitgebern moderate Tarifabschlüsse zu vereinbaren.

Zwickel bezeichnete die Bilanz der Bündnis-Gespräche im Hinblick auf die Arbeitsmarktentwicklung als "enttäuschend". Auch Rogowski zeigte sich von dem Schröder-Projekt keineswegs überzeugt. Das Bündnis für Arbeit werde als politisches Instrument für durchgreifende Reformen überschätzt, sagte er. Bei den "Schröder-Meetings" seien nur Minimallösungen zu ereichen. "Das ist angesichts der enormen Probleme, die wir nach wie vor mit dem Standort Deutschland haben, einfach zu wenig."

Rabattgesetz vor dem Fall

Neben der Mitbestimmung stand am Donnerstag auch der geplante Wegfall des Rabattgesetzes auf der Tagesordnung des Bundestages. Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) wird die ersatzlose Streichung "mehr Wettbewerb und mehr Verbrauchernutzen" bringen. Es werde keinesfalls zu "Wildwest-Sitten" kommen, betonte er bei der ersten Lesung der geplanten Gesetzesänderung im Bundestag. Vielmehr werde der Verbraucher unter anderem durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor Abzocke und Irreführung geschützt. Zudem werde das Kartellrecht verhindern, dass große Handelsketten über Bonuskarten Kunden binden und kleinere Wettbewerber vom Markt drängen, sagte Müller.

pt, phe

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