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Abwrack

© dpa

Betrugsverdacht: Die Abwrackprämie wird demoliert

Die Regierung gerät wegen Betrugsverdächtigungen unter Beschuss: Laut Kripo wurden bis zu 50.000 Autos, die offiziell verschrottet wurden, illegal nach Afrika und Osteuropa weiterverkauft. Experten gehen gar von 100.000 Fällen aus.

Berlin - Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) trägt die Bundesregierung eine Mitschuld an einem möglichen Missbrauch der Abwrackprämie. Die jetzigen Regelungen hätten der „organisierten Kriminalität eine Steilvorlage gewährt“, erklärte Uwe Dolata, Sprecher des BDK Bayern, am Mittwoch.

Laut Kripo wurden bis zu 50 000 Autos, die offiziell verschrottet wurden und für die die staatliche Abwrackprämie von 2500 Euro gezahlt wurde, illegal nach Afrika und Osteuropa weiterverkauft. Polizisten hatten jetzt durch Zufall Fahrzeuge sichergestellt, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte. „So hat die Bundesrepublik mit ihrer fahrlässigen Vorgehensweise 125 Millionen Euro der organisierten Kriminalität in die Kassen gespült“, sagte Dolata. Der BDK kritisierte, dass keine Experten der Polizei oder der Kripo bei der Ausarbeitung der Abwrackprämie beteiligt waren. Außerdem müsse kontrolliert werden.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) forderte, einen möglichen Missbrauch zu überprüfen. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, müssten ausgezahlte Prämien möglicherweise wieder eingeholt werden. Steinbrück betonte zugleich, ein Missbrauch könne nie ganz ausgeschlossen werden. Das Wirtschaftsministerium verlangte Belege für die vorgelegten Zahlen und drohte, beteiligten Verschrottungsfirmen die Zulassung zu entziehen. Ehemalige Autobesitzer, deren Autos weiterverkauft wurden, müssen jedoch keine juristischen Folgen befürchten, wenn sie das Formular eines anerkannten Entsorgers besitzen.

Das für die Abwrackprämie zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) wollte die Zahl von 50 000 illegal verschifften Autos auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. „Uns liegen darüber keine Informationen vor“, erklärte ein Sprecher. „Dass sich Ermittlungsbehörden mit der Frage an uns gewandt haben, ob ein gefundenes Auto bei uns als abgewrackt geführt wird, ist weniger als hundert Mal vorgekommen“, sagte er – obwohl die Prämie bereits 500 000 Mal ausgezahlt worden sei. Mal sei die Auskunft negativ ausgefallen, mal positiv. Ob Ermittlungen eingeleitet wurden, war bei der Bafa nicht bekannt. Ähnlich sieht es bei einigen Polizeidienststellen aus. „Uns sind aktuell keine Betrügereien bekannt“, hieß es im Landeskriminalamt in Düsseldorf. Auch eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Frankfurt an der Oder erklärte, derzeit keine Hinweise auf derartige Betrügereien zu haben.

Verbraucherorganisationen kritisieren nun die Praxis der Abwrackprämie, die von der Bundesregierung Anfang 2009 als Teil des zweiten Konjunkturprogramms aufgelegt worden war. Sie sei eine „Einladung zum organisierten Betrug“, befindet der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Wegen des großen Interesses – inzwischen sind mehr als 1,7 Millionen Anträge eingegangen – türmten sich bei den Schrotthändlern die wiederverwertbaren Bauteile. Aufgrund des Überangebots brächten diese aber kaum noch Geld ein. Die Regierung hätte das absehen können. „Wenn nichts passiert, gehen die Betrügereien in noch größerem Umfang weiter“, sagte ein Sprecher des VCD. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befürchtet sogar eine Verdopplung der bisher angenommenen Betrugsfälle bis Ende 2009.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer, wies dagegen eine pauschale Kritik an der Abwrackprämie zurück. „Sollte es kriminelles Verhalten gegeben haben, so muss dieses selbstverständlich verfolgt werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Deshalb jetzt das ganze Instrument als falsch zu brandmarken, führe zu nichts.

Der VCD und die DUH, die wie das schleswig-holsteinische Umweltministerium bereits im Frühjahr vor Missbrauchsanreizen gewarnt hatten, fordern nun verstärkte und unangekündigte Stichproben bei den Abwrackunternehmern. „Ohne Kontrollen wie im Lebensmittelbereich geht es nicht“, sagte ein VCD-Sprecher.

Die Genehmigungsbehörde Bafa plant indes keine Änderung ihrer Arbeitsabläufe. Eine Überprüfung der beteiligten Firmen sei aufgrund der vielen Anträge mit der jetzigen Personalstärke nicht zu stemmen. Bis auf Weiteres werde man sich darauf beschränken müssen, von den Abwrackern nur eine Erklärung und die Originalfahrzeugscheine einzufordern.

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