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Wirtschaft: Bewag-Kunden warten auf das Kartellamt

BERLIN (asi/jhw).Die Entscheidung des Bundeskartellamtes über die Strom-Einleitung nach Westberlin könnte für viele Industriekunden der Bewag zu spät kommen.

BERLIN (asi/jhw).Die Entscheidung des Bundeskartellamtes über die Strom-Einleitung nach Westberlin könnte für viele Industriekunden der Bewag zu spät kommen.Denn bis zum 30.Juni, dem Tag, an dem sie ein Kündigungsrecht ausüben können, wird das Amt wahrscheinlich nicht entschieden haben.Während die Bewag am Mittwoch wirtschaftliche Erfolge bilanzierte, gibt es hinter den Kulissen des Kartellverfahrens Streit.

Erst für "Ende Juni, möglicherweise Anfang Juli" kündigte Klaus-Peter Schultz, zuständiger Leiter der Beschlußabteilung des Berliner Kartellamtes, dem Tagesspiegel am Donnerstag die Entscheidung an.Dann steht fest, ob die Bewag die Einleitung von zusätzlichem Strom in das West-Berliner 380-Kilovolt-Hochspannungsnetz aus technischen Gründen verwehren darf.Obwohl das Kartellamt bei der Eröffnung des Verfahrens Ende März eine Entscheidung innerhalb von zwei Monaten in Aussicht gestellt hatte, würden noch immer "technische Details" geprüft, sagte Schultz.

Derweil fürchten offenbar einige 100 Unternehmen in Berlin, ihnen gehe durch eine Verzögerung die Chance verloren, kurzfristig die Stromkosten zu senken.Denn von der Kartellamtsentscheidung hängt ab, von welchem Lieferanten und zu welchen Konditionen sie ihren Strom künftig beziehen werden.Entscheidet das Kartellamt, daß die Bewag die Einleitung von Strom anderer Versorger gestatten muß, verbessern die gewerblichen Kunden ihre Chance, bereits in den kommenden Monaten wesentlich billiger Strom zu bekommen - entweder bei der Bewag selbst oder bei einem Wettbewerber.

Eine solche Chance gibt es vorerst allerdings nur bis zum 30.Juni.Denn die meisten Kunden haben nur noch bis zu diesem Datum Zeit, ihr Kündigungsrecht für laufende Verträge auszuüben."Die Mittelständler sind wegen des Juni-Termins beunruhigt", sagt Claus Rottenbacher, Chef des Energiebrokers Ampere AG.Zwar sei der Ampere-Pool von Berliner Unternehmen, die ab Herbst billigeren Strom von der VEW AG, Dortmund, beziehen werden, schon auf rund 140 Mittelständler angewachsen.Doch machten weitere Unternehmer ihre Entscheidung vom Votum des Kartellamts abhängig.Dagegen sieht der Berliner Stromversorger Bewag die Länge des Verfahrens, das wegen der Beschwerde mehrerer Stromversorger eingeleitet wurde, gelassen.Man habe seine Position erläutert und stehe nun für weitere Fragen zur Verfügung, sagte Bewag-Sprecher Reinhard Heitzmann.

Verärgert reagierte die Bewag indes auf "rufbeschädigende" Äußerungen des ehemaligen Kartellamtsdirektors Kurt Markert.Markert, pikanterweise einer der Beschwerdeführer gegen die Bewag, warf dem Stromversorger in der Zeitschrift Finanztest vor, "jahrelang schlecht gewirtschaftet" zu haben - und "deshalb dem Verbraucher tief in die Tasche" zu greifen.Bewag-Sprecher Heitzmann: "Mit solchen Äußerungen wird der Ruf der Bewag vorsätzlich beschädigt."

Unterdessen berichtete die Bewag am Mittwoch abend, sie sei erfolgreich in den Wettbewerb gestartet.Das Ergebnis vor Ertragssteuern hat sich in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 1989/99 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um zehn Mill.DM auf 498 Mill.DM verbessert, sagte Vorstandschef Dietmar Winje.Während der Gewinn damit um zwei Prozent zulegte, will das Unternehmen die Dividende sogar um zehn Prozent erhöhen.Der Vorstand teilte dem Aufsichtsrat mit, er plane eine Ausschüttung von 1,10 DM nach 1,00 DM im Jahr davor.

Winje bestätigte zugleich einen Bericht des Tagesspiegel, demzufolge sein Unternehmen die Tarife für Privatkunden ab 1.Juli kommenden Jahres ermäßigt.Allerdings stehe das Ausmaß der Preissenkung noch nicht fest.Bislang geht der Wettbewerb auf dem Strommarkt, der seit April vorigen Jahres möglich ist, an den privaten Haushalten in Berlin vorbei.Dagegen kündigten die Hamburgischen Electricitätswerke am Donnerstag an, die Preise für Familien und Singles im Juli um fast vier Prozent und im Januar noch einmal zu reduzieren.

Wegen der niedrigeren Tarife setzte die Bewag - trotz leicht gestiegenen Absatzes - zwei Prozent weniger um: 3,0 Mrd.DM nach 3,1 Mrd.DM im selben Zeitraum des Vorjahres."Der Wettbewerb hat sich schneller entwickelt als gedacht", gab Winje zu.Vor allem bei Großkunden sei ein regelrechter "Preisverfall" festzustellen."Nicht jeder Kunde ist profitabel", sagte der Vorstandschef.Deswegen strebe sein Unternehmen keinen Marktanteil von 100 Prozent an.Mit 80 Prozent des Berliner Marktes sei die Bewag schon zufrieden.Zur Zeit hat sie etwa 2,5 Prozent ihres Heimatmarktes verloren.

Allerdings halte sich der Versorger im Wettbewerb wacker.Er stellte neue Kunden vor, die die Berliner künftig mit Strom beliefern - unter anderem die Handelskette Lidl in ganz Ost-Deutschland und den Reifenhersteller Pirelli in Berlin.Winje: "Wir haben mehr gewonnen als verloren."

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