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Wirtschaft: Bewag will Wasserbetriebe kaufen

BERLIN (dw).Gas, Wasser und Strom aus einer Hand?

BERLIN (dw).Gas, Wasser und Strom aus einer Hand? Für die Berliner vielleicht bald Realität: Nach Informationen des Tagesspiegels plant die Bewag, sich an den Berliner Wasserbetrieben zu beteiligen.Gleichzeitig droht zwischen Senat und Wasserbetrieben ein neuer Eklat: Der Senat verlangt von den Wasserbetrieben eine "Sonderabführung" von 60 Mill.DM.In den Augen von Kritiker eine "verkappte Sondersteuer" zu Lasten des Gebührenzahlers.

Das Ausschreibungsverfahren für den Verkauf des 49-prozentigen Aktienpaketes, das mindestens zwei Mrd.DM für den Landeshaushalt bringen soll, steht kurz vor der Eröffnung.Der Senat wird wahrscheinlich noch in dieser Woche eine Investmentbank auswählen, die den weltweit größten Privatisierungsfall in der Versorgungsbranche abwickeln soll.Das Interesse der Bewag an den Berliner Wasserbetrieben ist dabei in Senatskreisen ein offenes Geheimnis: Der Energiekonzern wolle sich zu einem Komplett-Lieferanten von Strom, Wasser und Gas mausern, heißt es.

Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe gibt der Bewag die Chance, ihren Traum jetzt wahr zu machen.Nach Informationen des Tagesspiegels will die Bewag ein Bieterkonsortium mit einem ausländischen Konzern bilden und sich um das Aktienpaket bewerben.Als Partner ist offenbar Eurawasser im Gespräch: Ein Joint-venture von Thyssen und dem französischen Multi Suez Lyonnaise des Eaux.Bewag-Sprecher Reinhard Heitzmann wollte die Angaben zwar nicht direkt bestätigen, dementierte sie aber auch nicht: "Wir sind für neue Beteiligungen immer offen", erklärte er.

Es sei außerdem für die ausländischen Interessenten "sicherlich sinnvoll, zusammen mit einem starken Berliner Platzhalter zu gehen" sagte Heitzmann weiter.Es gebe auch seit längerem Überlegungen, die Bewag zu einem sogenannten "multi-utility" zu entwickeln.Der amerikanische Begriff bezeichnet Konzerne, die die komplette leitungsgebundene Versorgung der Bevölkerung übernehmen.Erst vor wenigen Monaten hatte die Bewag eine 25-prozentige Beteiligung am Gasversorger Gasag erworben.Nachdem die Bewag im Mai bei der Privatisierung der Stadtwerke Leipzig leer ausgegangen waren, dürfte ihre Kriegskasse noch immer wohlgefüllt sein.Erst kürzlich hatte Bewag-Chef Dietmar Winje erklärt, die Bewag wolle neue strategische Engagements in räumlicher Nähe zu Berlin und nahe am Kerngeschäft eingehen: Kriterien, die auf die Wasserbetriebe zutreffen.Beobachter gehen davon aus, daß sich der Leitungsbau sowie Teile der Buchhaltung und der Rechnungslegung für Strom-, Wasser- und Gaskunden unter einem Dach vereinen und sich so Synergieeffekte verwirklichen ließen.

Aus Gewerkschaftskreisen wurde bereits Kritik am wasserwirtschaftlichen Interesse der Bewag laut.Aufsichtsrats-Mitglied Norbert Schmidt von der Berliner ÖTV sagte, daß eine Bewerbung der Bewag wohl kaum den von der SPD formulierten Bedingungen entsprechen dürfte.Die SPD hatte beim BWB-Verkauf eine "Berliner Lösung" zur Auflage gemacht, nach der die Wasserbetriebe "nicht zur verlängerten Werkbank eines ausländischen Konzerns" werden dürften.Schmidt erklärte, der neue Bewag-Hauptaktionär, die amerikanische Southern Company, habe inzwischen solchen Einfluß, daß man bei der Bewag kaum noch von einer "Berliner Lösung" sprechen könne.

Neuer Unmut regt sich auch innerhalb der Wasserbetriebe selbst.Der Grund: Der Berliner Senat will dem Unternehmen mehr Geld aus der Kasse ziehen, als es erwirtschaftet hat.Nach einem vertraulichen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, beschlossen Senatsvertreter in einer sogenannten Gewährträgerversammlung am 2.Juli, daß die Wasserbetriebe den größten Teil ihres Gewinns im Wassergeschäft und ihren gesamten Jahresüberschuß im Abwassergeschäft "an den Haushalt von Berlin abführt" - eine Summe von 141 Mill.DM.Doch damit nicht genug: Zusätzlich, heißt es in dem Protokoll, werde eine "Sonderabführung aus Rücklagen der BWB in Höhe von 68,11 Mill.DM festgelegt".Insgesamt sollen die Wasserbetriebe also für das Jahr 1997 rund 210 Mill.DM überweisen, obwohl der Gewinn des Unternehmens nur 162,8 Mill.DM betrug.

Die rechtliche Grundlage ist strittig: Grundsätzlich darf der Senat von den landeseigenen Unternehmen nur 5,2 Prozent als Verzinsung des Eigenkapitals fordern.Nachdem Finanzsenatorin Fugmann-Heesing im vergangenen Jahr durch einen ähnlichen Eingriff das Eigenkapital der Wasserbetriebe bereits auf 3,5 Mrd.DM reduziert hatte, dürfte das Land heute also nur höchstens 182 Mill.DM fordern.Gutachten, die der Gewerkschaft ÖTV vorliegen, gehen noch weiter: Danach ist das Eigenkapital der Wasserbetriebe mit 2,5 Mrd.DM sogar noch niedriger.Die Forderung der Politiker wäre demnach keinesfalls gedeckt.Daß es in dieser Frage unter den Senatoren selbst Uneinigkeit geben muß, belegt ein Zusatz zum Protokoll: "An der Beschlußfassung zu Punkt 3 hat Herr Senator Pieroth nicht teilgenommen." Wirtschaftssenator Pieroth ist Aufsichtsrats-Chef der Berliner Wasserbetriebe.

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