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Wirtschaft: Bewag: Wir holen uns Schering zurück

BERLIN .Die Bewag will sich mit ihrer bisherigen Opferrolle im freien Wettbewerb nicht abfinden.

BERLIN .Die Bewag will sich mit ihrer bisherigen Opferrolle im freien Wettbewerb nicht abfinden."Wir holen uns Schering zurück", kündigte der Sprecher des Energieversorgers, Reinhard Heitzmann, am Montag an.Der Berliner Chemiekonzern Schering hatte am Wochenende bekanntgegeben, den Strom von Oktober an von der Energie Baden-Württemberg zu beziehen.Nach dem Abgeordnetenhaus ist dies der zweite prestigeträchtige Bewag-Kunde, der die Möglichkeiten des freien Wettbewerbs nutzt und sich für einen neuen, externen Energielieferanten entscheidet.

Schering-Sprecherin Gabriele Liebmann erklärte, durch den Zuschlag an die Baden-Württemberger könne man bei jährlichen Stromkosten von fast zehn Mill.DM zwischen 25 und 30 Prozent sparen.Schering hatte die Stromversorgung bundesweit ausgeschrieben und fünf Angebote eingeholt.Die Absage an die Bewag ist pikant, weil der Vorstandschef der Schering AG, Giuseppe Vita, Aufsichtsratsmitglied der Bewag ist."Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun", teilte Vita am Montag mit.Als Schering-Chef stehe für ihn das Wohl des eigenen Unternehmens im Vordergrund.

Die Bewag sei im Schering-Poker "nur knapp unterlegen", sagte Unternehmenssprecher Heitzmann.Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) könne allerdings äußerst aggressive Angebote abgeben, da sie Strom aus abgeschriebenen französischen Atomkraftwerken beziehe.Dennoch sei man entschlossen, im freien Energiemarkt ebenfalls in die Offensive zu gehen.Man habe bei mehreren Ausschreibungen außerhalb Berlins Angebote zur Stromversorgung abgegeben.Die Bewag wolle dabei ihr spezielles Know-how als Metropolen-Versorger nutzen.Eine Flächenversorgung ländlicher Gebiete komme nicht in Frage.Auch Schering werde man sich nach dem Auslaufen des EnBW-Vertrages "in spätestens zwei Jahren zurückholen".Bereits am Montag gelang ein Erfolg: Die Bewag setzte sich gegen Wettbewerber durch und beliefert die neue Berliner Konzernrepräsentanz der Volkswagen AG sowie alle VW-Autovertragshändler der Stadt mit Strom.Das Auftragsvolumen entspreche dem Jahresverbrauch von rund 5500 Berliner Haushalten.

Heitzmann relativierte den Verlust des Großkunden.Die Schering AG sei keinesfalls "der größte Stromkunde der Bewag".Einige Industriebetriebe wie Samsung und Siemens seien sehr viel größere Abnehmer.Die Bewag werde jetzt prüfen, ob sie die Belieferung der Schering AG von außerhalb durch Anwendung gesetzlicher Schutzklauseln verhindert.Die Bewag kann die Durchleitung "fremden" Stroms verweigern, wenn dadurch eigene, umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kraftwerke gefährdet werden.

Auch die Belieferung des Abgeordnetenhauses durch die EnBW will die Bewag nicht untätig hinnehmen.Heitzmann kritisierte die "Rosinen-Pickerei" des Parlaments: Während sich das Abgeordnetenhaus bei der Stromversorgung aus dem "Stadtvertrag" zwischen Bewag und Senat ausklinke, nehme es bei der Wärmenversorgung dessen Vorteile weiterhin in Anspruch.Die Bewag werde prüfen, ob sie nun die Konditionen der Wärmeversorgung ändere.In einem Brief an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Herwig Haase, drückte die Bewag ihre Enttäuschung darüber aus, daß sich das Abgeordnetenhaus "von der gemeinsamen Grundlinie der Berliner Energiepolitik entfernt".Das Parlament sei bislang vom umweltfreundlichsten Heizkraftwerk Europas in Berlin-Mitte beliefert worden.Durch den importierten Atomstrom der EnBW werde "für einen kurzfristigen Vorteil langfristiges Vertrauen in vertragspartnerschaftliches Verhalten verspielt".Die Tatsache, daß die EnBW-Preise in Baden-Württemberg über den Berliner Strompreisen liegen, zeige, daß es sich "um ein vordergründiges Dumpingangebot" handele.

DANIEL WETZEL

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