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Wirtschaft: Bilanzskandal bei der Bankgesellschaft

Wirtschaftsprüfer sollen jahrelang von risikoreichen Immobilien- und Fondsgeschäften gewusst haben

Berlin. Die international operierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO hat offenbar jahrelang Bilanzen der Immobilientochter IBG der Bankgesellschaft Berlin wissentlich falsch testiert. Dem ARD-Magazin „Kontraste“ und dem Handelsblatt liegt eine Sonderprüfung vor, aus der hervor geht, dass die BDO und die Unternehmensführung der IBG bereits 1997 über die unkalkulierbaren Risiken der Fondsgesellschaften informiert waren.

Diese Risiken führten dazu, dass die Bankgesellschaft nur mit Milliarden-Hilfen des Landes Berlin vor der Pleite bewahrt werden konnte. Im Frühjahr musste das Land zudem eine Bürgschaft über mehr als 21 Milliarden Euro übernehmen.

Der renommierte Wirtschaftsprüfer Achim Walther hatte bereits vor fünf Jahren festgestellt, dass die Bank durch Mietgarantien allzu hohe Risiken eingegangen war. Nachdem Walther Alarm geschlagen hatte, verlor er seinen Prüfauftrag und seine Studie verschwand in der Schublade. Walther hatte in seinem Bericht vom 26. Juli 1997 festgestellt: „Die organisatorischen Maßnahmen im kaufmännischen Bereich reichen nicht aus, um die Risiken rechnerisch zu erfassen und steuern zu können. Die Mietvertragsdatenverwaltung lässt einen testatfähigen Jahresabschluss nicht zu." Walther heute: „Man hatte den Wunsch, dass ich die kritischen Passagen in meinem Bericht verändern sollte. Ich habe gesagt, der Bericht bleibt so.“ Umgehend zog die IBG-Geschäftsführung die Notbremse. Fünf Tage nach dem Nürnberger Treffen warf sie Walther vor, das Thema verfehlt zu haben. Sie entzog ihm den Auftrag (“Wir erlauben uns daher, Sie mit sofortiger Wirkung vom Prüfungsauftrag zu entbinden") und forderte ihn dringend auf, „keine weiteren Entwürfe des Prüfungsberichtsentwurfs zu verbreiten". Wären die Warnungen Walthers damals ernst genommen worden, hätte die dramatische Zuspitzung der Krise der Bankgesellschaft möglicherweise vermieden werden können.

Nach Einschätzung des Berliner Wirtschaftsrechtlers Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität hätte die BDO auf Grund der Kenntnis der Sonderprüfung die Jahresabschlüsse der Bankgesellschaft nicht uneingeschränkt testieren dürfen. „Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat auf der Grundlage des Walther-Berichts gewusst, dass sie etwas Falsches, etwas Unrichtiges genehmigt hat.“ Das hätte nicht passieren dürfen. Damit ist meiner Meinung nach der Straftatbestand des Bilanzbetruges erfüllt," sagte Schwintowski. Für die Bankgesellschaft ergeben sich nach seiner Ansicht Schadensersatzansprüche gegen BDO in Milliardenhöhe. Der Skandal könnte den größten Haftungsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte auslösen.

Unabhängig von den Vorwürfen gegen die Wirtschaftsprüfer kritisieren Fachleute auch Berliner Politiker, die zu Lasten der Stadt die Aufklärung der Missstände verhindert hätten. Der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) habe zwar Hinweise auf die bilanzrechtlichen Manipulationen erhalten, aber nicht reagiert. Auch Diepgens Nachfolger Klaus Wowereit (SPD) soll auf entsprechende Hinweise nicht gehandelt haben. Diepgen sagte auf Anfrage, er könne sich nicht mehr an den Vorgang erinnern. Dazu Wirtschaftsprofessor Schwintowski: „Diepgen hat seine Pflicht gegenüber dem mehrheitlich von Land kontrollierten Unternehmen vernachlässigt.“

Kritisiert wird ferner die Kontrollbehörde, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin). Die Behörde habe es versäumt, die fatale Entwicklung der Immobiliengeschäfte zu stoppen, obwohl sie Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe. Das BAFin wollte sich unter Hinweis auf die Schweigepflicht nicht zu den Vorwürfen äußern. Auch BDO reagierte mit Schweigen.

Der seit Ende 2001 amtierende Chef der Bankgesellschaft, Hans-Jörg Vetter, erklärte, dass er an dem Aufklärungsprozess aktiv beteiligt sei. Er habe eine Anwaltskanzlei beauftragt, etwaige Schadensersatzansprüche, insbesondere gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, zu prüfen. Wörtlich: „Erste Ergebnisse der Untersuchungen liegen vor. Vergangene Woche wurde beschlossen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten." Olaf Jahn und Mathew Rose (HB)

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