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© dpa

Billig, billig, billig: Preissenkungen bei den Discountern

Seit Monaten tobt bei den deutschen Discountern ein Preiskrieg. In 2009 gab es bisher elf Preisrunden. Die Unternehmen nennen günstige Rohstoffe als Grund für Preissenkungen – das ist nur die halbe Wahrheit.

Berlin - Es hat Spaß gemacht, die alten Preise mit einem dicken Filzstift durchzustreichen und die neuen Schilder danebenzuhängen. „Würde ich gerne öfter machen“, sagt der junge Mitarbeiter in einer Berliner Aldi-Filiale. Dabei hatte er noch nie so oft Gelegenheit dazu wie in diesem Jahr. Seit Monaten liefern sich die deutschen Discounter einen Preiskrieg. In bisher elf Preisrunden haben sie 2009 die Preise gesenkt. Mehl, Butter, Zucker, Reis und Fleisch – es sind vor allem die Grundnahrungsmittel, die im Jahresvergleich um bis zu 50 Prozent billiger geworden sind.

Dabei fällt auf, dass die Ketten in ihren Anzeigen häufig die gesunkenen Rohstoffkosten als Grund angeben: „Immer wenn wir Artikel preiswerter einkaufen können, geben wir diesen Preisvorteil an Sie weiter“, heißt es etwa bei Aldi. Genauere Auskunft gibt es auch auf Nachfrage bei keinem Discounter. Nach vielen Skandalen um schlechte Arbeitsbedingungen fürchten die Unternehmen um ihr Image. Den Eindruck, der Preiskampf würde auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen, wollen sie unbedingt vermeiden.

„Die sinkenden Rohstoffpreise sind nur einer von mehreren Gründen für die Preisrunden“, sagt Matthias Queck vom Handelsinstitut Planet Retail. Für wichtiger hält er die veränderte Wettbewerbssituation: Seit die Edeka-Gruppe vor zwei Jahren die Plus-Märkte übernommen hat und sie mit den Netto-Discountern vereinigt, ist der Markt in Bewegung. Bislang war Aldi der unangefochtene Marktführer, auf Platz zwei folgte – mit immer kleinerem Abstand, Lidl, dann kam lange niemand. Die Aufteilung war klar: Lidl konnte sich mit günstigen Markenprodukten profilieren, während Aldi die Preisherrschaft bei den Handelsmarken innehatte und die Konkurrenten scheinbar nach Belieben mit Rabatt-Aktionen triezte.

Mit Netto taucht nun ein dritter großer Spieler auf, gemessen am Umsatz noch hinter Lidl, nach Filialen jedoch fast so groß wie Aldi. „Das ist besonders für Lidl gefährlich“, sagt Queck, „denn auch Netto konzentriert sich auf die Markenware.“ Hinzu kommt, dass Netto mit der Edeka-Gruppe und all ihren Supermarktketten den größten Lebensmittelhändler Deutschlands im Rücken hat. Und der nutzt seine Marktmacht konsequent aus, um günstige Einkaufskonditionen bei den Lieferanten durchzusetzen.

Das Erstaunliche am aktuellen Preiskampf ist für Queck, dass erstmals nicht Aldi, sondern Lidl den ersten Schritt gemacht hat. Die Botschaft sei klar: „Lidl will seine Position gegen den Neuling Netto unbedingt verteidigen.“ Der Moment dafür ist wohl günstig, denn noch ist Netto mit dem Umbau der alten Plus-Märkte beschäftigt. In Branchenkreisen werden dafür Kosten in Höhe von 250 Millionen Euro genannt.

Die großen drei bekämpfen sich so erbittert, weil der Markt für Discounter insgesamt nicht mehr wächst. Ihr Anteil am deutschen Lebensmittelhandel ist laut einer Studie von Ernst & Young in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich auf heute 42 Prozent gestiegen – mehr als irgendwo anders auf der Welt. Doch nun scheint eine Grenze erreicht. „Die Discounter wachsen nur noch über Kannibalisierung“, sagt Queck. Und die Situation wird nicht entspannter, denn Lidl, Netto und auch Penny, der Viertgrößte der Branche, wollen kräftig expandieren. Und die Ketten haben gar keine andere Wahl, als den Kampf über den Preis auszutragen. Die Ernst&Young-Studie zeigt, dass die Kunden besonders auf Annehmlichkeiten wie guten Service, nette Atmosphäre oder ein breites Warenangebot verzichten, wenn nur der Preis stimmt und der Laden gut zu erreichen ist. Sogar bei der Qualität der Lebensmittel nehmen die Konsumenten dafür Abstriche in Kauf. „Dominanz des Preises bei der Kaufentscheidung“ nennen die Macher der Studie das. Die Folge ist, dass es sich kein Discounter mehr leisten kann, auch nur einen Cent mehr zu verlangen als der Wettbewerber. Die Preise vieler Produkte sind überall gleich.

Nicht wenige in der Branche sehen die Entwicklung mit Sorge: Sollte die Arbeitslosigkeit bald steigen, argumentieren sie, wäre erst recht die Zeit für Kaufimpulse durch Preissenkungen gekommen. Wenn jedoch zugleich, wie von vielen erwartet, die Rohstoffpreise anziehen, könnten die Ketten sogar zu Preiserhöhungen gezwungen sein. Denn ihr Spielraum sei durch die jüngsten Rabattrunden aufgebraucht. Der Handel könnte so in eine gefährliche „Preisfalle“ geraten.

Doch Discount-Experte Queck relativiert: „Preissenkungen sind oft nur die Rückkehr auf ein Niveau, das wir schon einmal hatten.“ Zudem würden die Händler immer nur einen kleinen Teil des Sortiments verbilligen. „Sinkt zum Beispiel der Milchpreis, geben die Discounter den Preisvorteil bei vielleicht fünf Produkten weiter. Es bleiben ihnen dann aber noch viele weitere Milchprodukte, an denen sie gut verdienen.“ In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass auch mal unter Einkaufspreis verkauft wird. Das ist zwar verboten, für die Kartellbehörden aber kaum nachzuweisen. Nichts ist im Handel so geheim wie die Einkaufskonditionen.

Malte Conradi

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