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Wirtschaft: Billige Diskriminierung

Ein Gericht weist die 500 000-Euro-Klage einer Angestellten weitgehend ab. Die Wirtschaft befürchtet dennoch weitere Prozesse

Berlin - Im Streit um die bislang höchste Schadenersatzforderung von einer halben Million Euro wegen Diskriminierung hat das Arbeitsgericht Wiesbaden die Klage einer Angestellten weitgehend abgewiesen. Das Gericht sprach der Mitarbeiterin der R+V Versicherung lediglich 10 800 Euro Schadenersatz zu. „Das ist ein Witzbetrag für eine so große Versicherung“, sagte der Anwalt der Klägerin, Klaus Michael Alenfelder. Seine Mandantin Sule Eisele werde nun das hessische Landesarbeitsgericht anrufen.

Die türkischstämmige Klägerin wirft ihrem Arbeitgeber vor, sie wegen ihres Geschlechts und ihrer Herkunft benachteiligt zu haben. Als sie 2007 ihren Vorgesetzten meldete, dass sie schwanger war, hätten diese versucht, sie zu einer längeren Auszeit zu überreden. Die 39-Jährige sei aber nach kurzer Zeit wiedergekommen und habe einen männlichen Nachfolger vorgefunden, der angeblich mehr verdiente und dazu noch eine Sekretärin hatte. Eisele selbst sei ein schlechterer Posten zugeteilt worden. Den bisher nie in einem Diskriminierungsfall in dieser Höhe geforderten Schadenersatz begründete die Frau mit dem noch ausstehenden Gehalt bis zu ihrer Pensionierung.

Das Gericht erklärte aber lediglich die Versetzung nach ihrer Schwangerschaft für nichtig, sie sei eine „Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Mutterschaft und damit wegen ihres Geschlechts“. Der Angestellten stünden daher drei Bruttogehälter in Höhe von rund 10 800 Euro zu.

Klägeranwalt Alenfelder zeigte sich enttäuscht von dem Urteil. Es sei „eindeutig“ festgestellt worden, dass seine Mandantin diskriminiert worden sei. Das Urteil des Gerichts sei daher das falsche Signal. „Diskriminierung in Deutschland ist offenbar für ein Taschengeld zu haben“, sagte der Anwalt.

Das Urteil gibt dem vor gut zwei Jahren eingeführten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), auf das sich die Klägerin beruft, nun neuen Diskussionsstoff. Die Wirtschaft hatte bei seiner Einführung befürchtet, dass auf die Firmen eine Klagewelle und damit enorme Kosten zurollen könnten. Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln konnte dies jüngst jedoch widerlegen. Demnach waren bis August dieses Jahres in der Datenbank juris gerade einmal 251 entsprechende Entscheidungen der Gerichte zu finden.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet dennoch, dass von den Prozessen eine Signalwirkung ausgehen könnte. „Auch wenn das Arbeitsgericht Wiesbaden den völlig überzogenen Anspruch wegen Diskriminierung von 500 000 auf 10 800 Euro beschränkt hat, steht doch zu fürchten, dass diese immer noch sehr hohe Summe weitere Kläger ermutigen wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Dass das Gesetz wirksam sein kann, bekam erst kürzlich die Verwertungsgesellschaft GEMA zu spüren. Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte einer GEMA-Mitarbeiterin rund 48 000 Euro Schadenersatz wegen Diskriminierung zugesprochen.

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