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Hunold

© Mike Wolff

Billigflieger: Reißleine ziehen

Mit hohen Treibstoffkosten in die Wirtschaftskrise: Air-Berlin-Chef Joachim Hunold erklärt seine Strategie

Berlin - Joachim Hunold spricht Klartext. Viele hätten an ewiges Wachstum geglaubt, sagt der Air-Berlin-Chef. Doch: „Wachstum kann auch an Grenzen stoßen. Das haben wir schmerzhaft lernen müssen.“ So viel Selbstkritik klingt ungewohnt für den Selfmademan, der aus einem kleinen Charterflieger die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft konstruiert hat. Allerdings meint Hunold nicht seinen eigenen Lernprozess hinsichtlich der Grenzen seines Unternehmens. Der 59-Jährige meint die Wirtschaftskrise.

Dienstagmorgen, 8.30 Uhr. Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) hat zum wirtschaftspolitischen Frühstück geladen, mit Hunold als Frühstücksredner. IHK-Präsident Eric Schweitzer begrüßt „den Mann mit Ecken und Kanten“ herzlich, nicht ohne einen Seitenhieb auf „andere deutsche Fluggesellschaften“, von denen er sich ein ähnlich starkes Engagement für Berlin wünsche. Die Veranstaltung ist gut besucht. Das liegt auch daran, dass Hunold als einer gilt, der kein Blatt vor den Mund nimmt und gerne auf Politik und Gewerkschaften eindrischt.

Es sei so leicht, der Luftfahrt das Leben ein wenig einfacher zu machen, meint Hunold. Dazu brauche es keine Finanzhilfen. Vielmehr müssten die Rahmenbedingungen geändert werden, die Politik dürfe der Wirtschaft gerade in der Krise „keine Fesseln“ anlegen. Hunolds Forderungen, die allesamt „nichts kosten würden“ und im Übrigen auch nicht erst seit der Krise erhoben werden: eine einheitliche Flugsicherung für Europa, mit der alleine Air Berlin 30 Millionen Euro im Jahr einsparen könne; ein Verzicht auf die geplante Einbeziehung der Luftfahrt in den europäischen Emissionshandel, der in Wahrheit eine verdeckte Steuereinnahme sei – und eine Wettbewerbsverzerrung, denn so etwas funktioniere nur als weltweite Regelung. Und das Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen BBI müsse wegfallen, da es Wachstum behindere.

Mit dem Wachstum indes ist es so eine Sache, das hat auch Air Berlin lernen müssen. Hochfliegend waren die Pläne beim Kauf der LTU im Sommer 2007, die Lufthansa sollte endlich auch auf der Langstrecke angegriffen werden. „Doch im Frühjahr 2008 mussten wir die Reißleine ziehen und reduzieren“, formuliert Hunold heute. „Wir hatten zur völlig falschen Zeit damit angefangen.“ Strecken wurden gestrichen, Maschinen blieben am Boden. Zu hoch war der Preis für Flugbenzin gestiegen. Was folgte, war für Hunold „eine harte Lernphase“. Der Börsenwert des Unternehmens sackte ab, manche sahen das Ende nahen.

„Wir wurden in der Öffentlichkeit als krisengeschüttelt und angeschlagen dargestellt“, dabei habe das Unternehmen nur seine Strategie angepasst. Das klingt nicht nach Selbstkritik. Die horrenden Kerosinkosten habe ja keiner vorhersehen können, sagt er. Und dann zog auch noch die Finanzkrise auf. Für 2008 bedeutete das alles einen Verlust von 75 Millionen Euro – doppelt so viel wie 2007. Was 2009 wird, mag das Unternehmen nicht vorhersagen. Der Ölpreis immerhin ist gesunken. Grund genug für Hunold, optimistisch zu sein. Auch wenn er angesichts eines drohenden Pilotenstreiks von einem Verkauf der LTU gesprochen hat, bekräftigt er am Dienstag: „Wir werden das Langstreckengeschäft nicht aufgeben“, obwohl es von der Krise besonders betroffen sei. „Es ist fester Bestandteil unserer Strategie.“ Auch zu weiteren Streckenstreichungen solle es vorerst nicht kommen.

30 Jahre nach der Gründung am 28. April 1979 ist Air Berlins Zukunft offen. Doch Hunold, der im Herbst selbst seinen 60. Geburtstag feiert, wischt alle Bedenken beiseite. Man habe ja gesehen, was von Prognosen zu halten sei: Die Finanzkrise habe so doch auch keiner vorausgesehen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es Air Berlin auch noch in fünf bis zehn Jahren geben wird.“ Juliane Schäuble

Juliane Schäuble

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