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Wirtschaft: Biotechnologie: "Der Markt war verrückt und hat maßlos übertrieben" - MWG Biotech-Finanzchef im Gespräch

Markus Frieser (32) ist seit Oktober 2000 Finanzvorstand der MWG Biotech in Ebersberg. Zuvor hatte der Münchner dort als Marketing-Chef und Investor-Relations-Manager gearbeitet.

Markus Frieser (32) ist seit Oktober 2000 Finanzvorstand der MWG Biotech in Ebersberg. Zuvor hatte der Münchner dort als Marketing-Chef und Investor-Relations-Manager gearbeitet. Der Diplom-Kaufmann hat einen schweren Job übernommen: Nach dem Börsengang im Mai 1999 legte der Kurs des Unternehmens im allgemeinen Biotech-Hype zunächst um mehr als 1000 Prozent zu; anschließend stürzte er bis weit unter den Ausgabepreis von 5,40 Euro und entwickelt sich immer mehr zum Zockerpapier. Deutlich verfehlte Prognosen, erhebliche Schwierigkeiten im USA-Geschäft, aber auch ein starker Margendruck wurden für den Absturz verantwortlich gemacht.

Herr Frieser, wie fühlt man sich als gefallener Börsenstar?

Es ist angenehmer, wenn der Kurs Tag für Tag steigt. Aber noch schlimmer wäre es, wenn der Neue Markt nach oben klettern würde, und nur wir hätten ein Problem.

Macht Ihnen Ihr Job noch Spaß?

Absolut.

Seit dem Börsengang haben Sie Ihre Prognosen zweimal nach unten korrigieren müssen. Auch 2001 werden Sie die Erwartungen nicht erfüllen. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie Ihre Anleger getäuscht haben.

Natürlich hätten wir die Planzahlen erreichen müssen. Aber wir haben nie falsche Informationen herausgegeben, sondern immer unseren aktuellen Wissensstand mitgeteilt. Und das werden wir auch weiter tun. Wir hatten Probleme mit dem schnellen Wachstum. Als wir an den Neuen Markt gegangen sind, hatten wir 130 Mitarbeiter, jetzt sind es 420.

Ihr Börsenwert lag vor einem Jahr bei knapp zwei Milliarden Euro, die Aktie ist zwischenzeitlich um 1000 Prozent gestiegen. Heute ist MWG Biotech nur noch 50 Millionen Euro wert. Waren Sie auf den Börsengang nicht richtig vorbereitet?

Wenn man sehr viel Geld bekommt von Anlegern und Investoren, dann hat man plötzlich sehr viele Möglichkeiten und denkt in ganz anderen Dimensionen. Wir haben plötzlich in Bereichen investiert, an die wir früher nie gedacht haben, in Chiptechnologie und Bioinformatik. Allein in den letzten beiden Jahren haben wir 63 Millionen Mark investiert.

Haben Sie sich durch die allgemeine Börsen- und Biotech-Euphorie zu sehr mitreißen lassen?

Der Markt war verrückt. Sogar ein Unternehmen wie Biodata, das mit Biotechnologie überhaupt nichts zu tun hat, hat an der Börse ungeahnte Höhen erreicht. Der Markt hat maßlos übertrieben. Nur die wenigsten Unternehmen waren wert, was die Investoren damals für sie bezahlt haben. Das gilt auch für uns.

Ärgert Sie, dass die Banken, die Sie an die Börse gebracht haben, MWG damals so hoch bewertet haben? Das ist doch die Latte, an der man Sie heute misst.

Ich denke, wir sind fair bewertet worden. Wichtig ist, dass unsere Story verstanden wurde. Für die Bewertung ist die Börse verantwortlich.

Die MWG-Aktie ist mit einem Kurs von nicht einmal zwei Euro zum Zockerpapier geworden. Wie kommen Sie aus dieser Falle wieder heraus?

Ich glaube, der Markt weiß gar nicht, wer wir überhaupt sind. Die Biotech-Story war vor einem Jahr einfacher zu erzählen. Heute haben wir Wertschöpfungsketten, die viel komplizierter sind. Dieses Verständnis jetzt in den Markt zu bringen, ist schwierig. Um uns zu verstehen, braucht man Zeit. Und die haben die meisten nicht. Wenn wir den Anlegern erklären können, was wir machen, kriegen wir auch den Kurs wieder hin.

Auch MWG scheint schneller vorangeprescht zu sein, als Sie eigentlich wollten. Sind Sie Opfer des Börsengangs geworden?

Ich würde uns nicht als Opfer bezeichnen. Sicherlich haben uns die ersten drei Monate nach dem Börsengang gelähmt. Der Kurs war schlecht, die Mitarbeiter saßen nur noch vor den Monitoren und haben auf den Börsenkurs gestarrt, weil sie gehofft haben, dass es wieder nach oben geht. Und als der Börsenkurs dann explodiert ist, waren wir Getriebene und haben vielleicht nicht rechtzeitig gesehen, dass wir mehr Zeit brauchen, um unsere selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

Haben Sie überlegt, sich von der Börse zurückzuziehen?

Nein.

Sie haben im vergangenen Jahr die Verluste auf knapp 45 Millionen Euro verdreifacht, weil ein Roboter, den MWG entwickelt hat, nicht funktioniert. Was macht Sie so sicher, dass Sie in diesem Jahr ihre Ziele erreichen?

Mich macht zuversichtlich, dass die DNA-Synthese in diesem Jahr sehr gut läuft. Auch unsere Roboter werden in diesem Jahr funktionieren. Und die Marktstudien im Bereich Chiptechnologie sind sehr positiv. Dass der Markt da ist, sieht man auch an der Kundenresonanz.

Ihr Vorstandsvorsitzender hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Entweder ihr neuer Roboter funktioniert bis zum Ende des nächsten Quartals, oder er tritt zurück.

Das stimmt so nicht. Alles, was er gesagt hat, ist, dass er sich bis einschließlich des zweiten Quartals Zeit gibt, die Robotics-Projekte in den Griff zu bekommen. Zurücktreten wird er nur, wenn er sein Ziel nicht erreichen wird, MWG Biotech bis Ende 2002 wieder in die schwarzen Zahlen zu führen.

Sie haben sich eine Unternehmensberatung ins Haus geholt. Was soll die tun?

MWG ist nach dem schnellen Wachstum so etwas wie ein Korsett ohne Stützhilfen. Und genau diese Stützhilfen soll uns die Unternehmensberatung geben.

Muss MWG saniert werden?

Ich würde sagen, es ist eine Konsolidierung. Wir haben sehr viel investiert und aufgebaut, jetzt sollten wir sehen, dass wir unsere Produkte auch in den Markt bringen. Wir sind in der glücklichen Position, dass wir aus dem Börsengang und der letzten Kapitalerhöhung noch viel Geld zur Verfügung haben. Wir brauchen im Moment kein Kapital. Jetzt müssen wir erst mal sehen, dass wir das Ergebnis wieder hinbekommen.

Andere deutsche Biotech-Unternehmen haben es nicht so gut. Viele können nur mit Hilfe staatlicher Subventionen überleben.

Natürlich sind viele Subventionen geflossen. Und in vielen Fällen wird mit Sicherheit nichts zurückfließen. Aber nur, wenn man auf mehrere Pferde setzt, kann man hoffen, dass wenigstens ein paar durchkommen, die dann die Erträge bringen. Ein bisschen Risikobereitschaft gehört schon dazu.

Rechnen Sie damit, dass in den nächsten Jahren viele deutsche Biotech-Unternehmen aufgeben werden?

Ich glaube schon, dass das eine oder andere Unternehmen von der Bildfläche verschwinden wird. Aber das ist ein natürlicher Ausleseprozess. Es hat im vergangenen Jahr schon die ersten Zusammenschlüsse gegeben, man hat gesehen, dass selbst eine Motorola auf Einkaufstour geht und sich sukzessive an Biotech heranschmeißt. Biotechnologie ist die Zukunft, hier kann man noch viel Geld verdienen.

Steht der eigentliche Goldrausch noch bevor?

Es gibt noch ein gewaltiges Potenzial. Wir sind in vielen Bereichen noch ganz am Anfang. Von den Funktionen der Gene kennt man heute die wenigsten. Wir werden bald Erfolge sehe, die sich auch in Zahlen ausdrücken. Lassen Sie nur ein Medikament gegen Krebs auf den Markt kommen, dann ist die Euphorie sofort wieder da.

Die Zeiten, wo Sie selbst Unternehmen kaufen konnten, sind vorbei. Gibt es umgekehrt Interesse an MWG?

Bestimmt gibt es Interesse. Unsere Marktkapitalisierung liegt unter unserem Cash-Bestand. Aber wir haben 38,6 Prozent Streubesitz, eine feindliche Übernahme wird es daher nicht geben. Nicht ohne die Zustimmung unserer beiden Großaktionäre. Und die sagen ganz klar: Wenn es Sinn macht, kann man einen Gedanken daran verschwenden. Aber momentan ist das nicht der Fall. Anträge von amerikanischen Unternehmen hat es aber gegeben.

Wo steht der MWG-Kurs Ende des Jahres?

Da wage ich keine Prognose. Aber ich bin zuversichtlich, dass er ein realistisches Niveau erreichen wird.

Herr Frieser[wie fühlt man sich als gefallen]

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