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Wirtschaft: Biotechnologie: Deutschland holt spät auf

Wenige Ankündigungen haben die Fantasien der Menschen so sehr beflügelt wie die Bekanntgabe, dass das menschliche Erbgut weitgehend entschlüsselt ist. Doch fast so bemerkenswert wie die Leistung der Forscher ist die fast einhellige positive Reaktion auf diese Nachricht.

Wenige Ankündigungen haben die Fantasien der Menschen so sehr beflügelt wie die Bekanntgabe, dass das menschliche Erbgut weitgehend entschlüsselt ist. Doch fast so bemerkenswert wie die Leistung der Forscher ist die fast einhellige positive Reaktion auf diese Nachricht. Dabei war die Gentechnik, und vor allem die Humangenom-Analyse noch vor wenigen Jahren in Deutschland geradezu verteufelt worden. Immer wieder wurde vor Manipulationen durch gewissenlose Geschäftemacher und Ärzte gewarnt. Die öffentliche Debatte war nicht von den medizinischen Chancen durch die Kenntnis der Funktionsweise von Genen geprägt, sondern wurde beherrscht von Skurillitäten wie dem Klonschaf Dolly. Dazu kam die in Deutschland ohnehin verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber neuen Technologien - die oft erst geschätzt werden, wenn sie im Ausland bereits Erfolge feiern.

Doch plötzlich überwiegt auch hier zu Landedie Erkenntnis, dass die Erforschung der Gene mehr Nutzen als Schaden bringen kann. Plötzlich freuen sich auch frühere Kritiker, dass Deutschland eine "Gründerzeit" in der Biotech-Branche erlebt - denn diese schafft unter anderem dringend benötigte Arbeitsplätze. Und die rot-grüne Regierung muss sich heute bei ihren Anhängern nicht mehr rechtfertigen, warum sie das Humangenom-Projekt überhaupt fördert. Sie wird im Gegenteil gefragt, ob sie auch genug für diese Zukunftstechnologie tue.

Das Erwachen kommt spät - so spät, dass die deutsche Biotech-Branche trotz einer beeindruckenden Aufholjagd und trotz einiger Vorzeigefirmen der internationalen Konkurrenz vom Umsatz her noch hinterher hinkt. Auf die strukturellen Problemen durch oft auf nur ein Produkt konzentrierte Neugründungen hat gerade der deutsche Biotechnologiebericht hingewiesen. Sicher ist die Forderung berechtigt, dass die Bundesregierung ihre Forschungsförderung auf diesem Gebiet noch wesentlich verstärken muss. In kaum einem anderen Bereich wurde eine solch große Zahl an Neugründungen verzeichnet. Und wenn man nun auch in Deutschland die immensen Chancen der Humangegnetik erkannt hat, sollte die Bundesregierung Forschungsmittel in diesem Bereich konzentrieren und nicht für weniger zukunftsträchtige Bereiche aufwenden.

Doch es ist eine Illusion, dass die Aufholjagd allein mit staatlichen Mitteln zu schaffen ist. Für jede Mark des Bundes wird ein Vielfaches an Dollar und Pfund für biotechnologische Forschung ausgegeben. Entscheidend ist, in welchem Umfang privates Kapital aktiviert werden kann. Hier geht das Wirtschaftsministerium - allerdings sehr vorsichtig - den richtigen Weg, in dem es über die tbg mehr Risikokapital für die Beteiligung an Neugründungen bereitstellt. Allerdings wird auch das allein nicht helfen. Denn der Vorsprung von Briten und Amerikanern etwa bei der Sequenzierung der Gene ist nicht nur durch kommerzielle Unternehmen, sondern auch durch ein starkes Engagement von Stiftungen wie dem Wellcome Trust erreicht worden.

Die Entschlüsselung des Erbgutes offenbart noch einen anderen Nachholbedarf in Deutschland: den bei der Aktivierung von privatem Kapital, das nicht mit dem Ziel der Profitmaximierung eingesetzt wird, sondern zu allgemeinen Forschungsaktivitäten - von denen Firmen aber sehr wohl profitieren können. Eine radikale Liberalisierung des Stiftungsrechtes könnte hier möglicherweise Wunder wirken.

ink

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