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Inkognito zum Spaßmakler. Bei Mydays gibt es zum Beispiel Gutscheine für Quadfahrten. Die Firma testet wie Telekom, Post und andere ein neues Bewerbungsverfahren.

© dpa

Blinde Wahl: Startschuss für anonyme Bewerbungen

Ausländer, ältere Menschen und Mütter von Kleinkindern sollen bei der Bewerbung für einen Job nicht mehr vorzeitig aussortiert werden. Das Pilotprojekt für anonyme Bewerbungen startet. Fünf Firmen machen mit.

Berlin - Die Telekom tut es aus Neugier. „Wir machen mit, nicht um zu beweisen, dass es geht, sondern zu schauen, ob es geht“, sagt ein Sprecher. Beim Konsumgüterkonzern Procter& Gamble steht die soziale Verpflichtung des Unternehmens im Vordergrund. Beide Firmen beteiligen sich an Deutschlands erstem Pilotprojekt zu anonymen Bewerbungen, mit dem Benachteiligungen bei der Bewerberauswahl verhindert werden sollen. Anonym heißt, dass die Firmen nicht wissen, welches Alter, Geschlecht, welche Herkunft, Religion oder welchen Familienstand ein Bewerber hat, wenn er seinen Bewerbungsbogen einreicht. Die Bewerbung gibt lediglich Aufschluss über die Qualifikation. Abgefragt werden etwa Berufserfahrung, Ausbildung und Motivation.

Angestoßen wurde das Pilotprojekt von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Unter anderem geht es darum herauszufinden, „ob es bisher oft benachteiligte Gruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund, Ältere und Frauen mit Kindern tatsächlich öfter in Vorstellungsgespräche und in Jobs schaffen als bisher“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, am Donnerstag zum Start des Pilotprojekts. Neben der Telekom und Procter & Gamble nehmen der Geschenkdienstleister Mydays, die Post, das Kosmetikunternehmen L’Oréal, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle teil. Sie testen jeweils ein Jahr lang in bestimmten Bereichen das anonymisierte Bewerbungsverfahren.

Das Bundesfamilienministerium startet sofort, ebenso Mydays. Der Bewerbungsbogen steht bereits im Internet. Procter & Gamble nimmt mit seinem Gillette-Werk in Berlin-Tempelhof, das 1000 Mitarbeiter hat, teil. Start ist hier im Dezember. „Vielfältigkeit ist in unserem Unternehmen seit langen ein Thema“, sagt eine Sprecherin. „Als Konsumgüterproduzent wollen wir genauso vielfältig sein wie unsere Kunden.“ Jetzt gehe es darum herauszufinden, wie das anonyme Bewerbungsverfahren unter den lokalen Gegebenheiten an den Produktionsstandorten funktioniere. Die anderen beteiligten Firmen und Institutionen folgen sukzessive bis Februar. Insgesamt handelt es sich um rund 225 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze. Darunter sind Jobs im Kundenservice, aber auch im mittleren Management. Erwartet werden tausende Bewerbungen.

Das Pilotprojekt wird vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn und der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder wissenschaftlich begleitet und anschließend ausgewertet. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle will dabei unter anderem ermittelt lassen, ob sich für die Firmen neue Bewerbergruppen auftun. Lüders ist überzeugt, dass das anonyme Verfahren für Unternehmen nicht komplizierter, sondern sogar effizienter wird, weil nur solche Bewerber in die engere Wahl kommen, deren Qualifikationen den Anforderungen entspricht. Dabei sitze das Auswahlgremium keineswegs einem Unbekannten gegenüber. „Sobald die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, erhalten die Personalverantwortlichen die kompletten Unterlagen und können sich vorbereiten“, sagte Lüders. Es gehe um Chancengleichheit in der ersten Phase des Verfahrens. „Derzeit bekommen viele Menschen trotz hoher Qualifikation gar nicht erst die Chance auf ein persönliches Vorstellungsgespräch.“

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